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„Goldrausch“ auf der Neuen Seidenstraße – Warum Xinjiang Investorenherzen höherschlagen lässt

China Heute  |  
22.03.2024

Von der Kohle bis zur Baumwollblüte, vom Weizenkorn bis zur Kilowattstunde Strom: Gestützt auf die wichtige Rolle volkswirtschaftlicher Ressourcen wie Öl und Gas, Mineralien, Getreide, Baumwolle, Obst und Gemüse hat Xinjiang seine strategische Position im Gesamtgefüge der chinesischen Entwicklung gefunden und festigt diese kontinuierlich. Ein industrielles Großprojekt nach dem anderen wird verwirklicht. Dies schafft starke Motoren für eine Entwicklung hoher Qualität in dem Autonomen Gebiet der Uiguren.

Von Stein zu Stein tastend den Fluss überqueren 

„Insbesondere jetzt zum Jahresende laufen die Geschäfte hier an der Grenzstelle auf Hochtouren. Da ich an vorderster Front auf Chinas Welle der Außenöffnung mitreite, geht es mit meinem Geschäft stetig bergauf“, sagt uns He Haiyan. Die 53-Jährige ist Inhaberin eines Zentrums für Direktverkauf in der Zollverschlusszone Alashankou. Im laufenden Jahr hofft sie, den Umfang ihres grenzüberschreitenden E-Commerce noch einmal ausbauen zu können. Helfen dürfte ihr dabei die günstige Außenhandelspolitik der chinesischen Regierung. 

In den vergangenen 26 Jahren hat die 53-Jährige miterlebt, wie sich die Grenzübergangsstelle von Alashankou von einem trostlosen Ort zu einem pulsierenden Herzstück der wirtschaftlichen Öffnung gemausert hat. Immer mehr wichtige Industriezweige hätten sich angesiedelt, erzählt sie. Kein Wunder: Alashankou liegt im Kerngebiet des Wirtschaftsgürtels Seidenstraße. Es herrscht daher regelrechte Goldgräberstimmung. Findige Geschäftsleute aus dem ganzen Land versuchen, in Xinjiang Fuß zu fassen. Der Effekt der industriellen Agglomeration sei bemerkenswert, sagt He. 

Alles habe in den 1990er Jahren seinen Anfang genommen, als die schrittweise Eröffnung von Eisenbahn- und Autobahnübergängen in Alashankou neue Geschäftsmöglichkeiten gebracht habe. He Haiyan und ihre Schwester eröffneten damals auf einem Nachtmarkt einen kleinen Stand, an dem sie geschmorte Hühnerfüße und Jiaozi anboten. Es sei ein Knochenjob gewesen, erinnert sich die Mittfünfzigerin zurück, aber sie hätten gutes Geld gemacht, an nur einem Abend manchmal rund 500 Yuan. He war von den Geschäftschancen am Grenzübergang begeistert und beschloss, für ein paar Jahre zu bleiben, um Geld zu verdienen. 

Einen Masterplan in der Tasche hatte sie natürlich nicht. Es war ganz, wie es ein chinesisches Sprichwort besagt: man musste von Stein zu Stein tastend den Fluss überqueren, sprich sehen was kommt und sich dann entsprechend anpassen. Und das war manchmal gar nicht so einfach. Mit der Standardisierung der Stadtverwaltung in Alashankou nämlich wurden nächtliche Verkaufsstände plötzlich verboten. Doch die beiden Schwestern ließen sich nicht unterkriegen. Sie nahmen ihre gesamten Ersparnisse in die Hand, insgesamt 13.000 Yuan, und erwarben eine Verkaufstheke in einem Einkaufszentrum. Neben dem Warenverkauf genoss es He Haiyan, sich mit den Händlern aus aller Welt zu unterhalten. Ganz nebenbei saugte sie so allerlei Geschäfts-Know-how auf und begann, den Ausländern beim Prozedere von Zollabfertigung, Wareninspektion und Zollanmeldung zu helfen. 

Nach mehreren Jahren harter Arbeit kam dann die erste „goldene“ Belohnung: He konnte sich ein Mobiltelefon und ein eigenes Auto leisten. 

Im Mai 2011 dann gab der Staatsrat grünes Licht für die Eröffnung der integrierten Zollverschlusszone Alashankou. Es war die erste in Xinjiang und die sechzehnte ihrer Art im ganzen Land. Dank der günstigen Politik in der Zone konnten He Haiyan und ihre Familie den ersten Showroom für grenzüberschreitenden E-Commerce im Bezirk Ili einrichten, in dem heute Interessenten mehr als 2000 Arten von Importwaren aus Russland, Südkorea, Kasachstan, Deutschland, der Ukraine und anderen eurasischen Ländern in Augenschein nehmen können. Die Palette reicht von Lebensmitteln und Spirituosen über Kosmetika bis hin zu Produkten für Mutter und Kind. Waren des täglichen Bedarfs aus mehr als zehn Bereichen werden ausgestellt. 

Solide Grundlagen für die industrielle Entwicklung 

Im November 2023 folgte die Einrichtung der ersten Pilot-Freihandelszone im nordwestchinesischen Grenzgebiet. Xinjiangs Standortvorteil will man so voll ausnutzen. Die Verantwortlichen zielen darauf, mit Hilfe der Zone potentielle Geschäftsmöglichkeiten tiefgreifend und differenziert zu erkunden und Industrien mit lokalen Standortvorteilen herauszubilden. 

Unternehmer wie Yu Chengzhong und Yang Haiquan zeigen sich von dem Schritt begeistert. Sie sind schließlich immer auf der Suche nach neuen Geschäftsmöglichkeiten. Und die neue Zone dürfte 2024 reichlich davon schaffen. Dank der Bemühungen aller Seiten nehmen bereits Cluster für Getreide- und Ölsaatenverarbeitung sowie für die Bio-Obst- und Gemüseindustrie Gestalt an. 

Kurz vor dem Frühlingsfest steigt erfahrungsgemäß die Nachfrage nach frischen Agrarerzeugnissen auf in- und ausländischen Märkten. Auf dem Frachthof der Firma Korgas Jinyi International Trading reihen sich folglich die abfahrbereiten Laster aneinander, beladen mit kistenweise frischem Obst und Gemüse. Sie warten darauf, die Produkte nach erfolgreicher Zollabfertigung nach Zentralasien und Russland zu transportieren.  

Korgas Jinyi International Trading ist eines der führenden lokalen Unternehmen im Bereich der Industrialisierung der Landwirtschaft. Die Firma konzentriert sich auf den Anbau von grünen Agrarprodukten, daneben auch Beschaffung und Transport, Erst- und Weiterverarbeitung, Lagerung und Logistik sowie Im- und Export. Ihre Produkte werden unter anderem in fünf zentralasiatische Länder und nach Russland ausgeführt. Das Exportvolumen des Unternehmens in den Jahren 2021 und 2022 erreichte 683 Millionen US-Dollar. Der Vorstandsvorsitzende, Yu Chengzhong, sagt: „Da sich die Effizienz der Zollabfertigung an der Grenzstelle 2023 erheblich verbessert hat, können wir unsere Waren in nur einem Tag auf die Märkte im kasachischen Almaty bringen.“ 

Eine weitere Erfolgsgeschichte schreibt derweil die Firma Alashankou Jinmu Biotechnology, die sich auf die intensive Verarbeitung der gesamten industriellen Kette von Getreide, Öl und Futtermitteln spezialisiert hat. Gestützt auf die einzigartigen Standortvorteile von Alashankou importiert sie hochwertige Rohstoffe wie Getreide und Ölsaaten aus Kasachstan und entwickelt daraus unter Zollverschluss raffiniertes Öl. Die Geschäfte laufen wie geschmiert, die Nachfrage übersteigt deutlich das Angebot. 

„Im Jahr 2022 erreichten wir mit unserer neuen Produktionslinie für raffiniertes Speiseöl in kleinen Abfüllmengen einen Produktionswert von 600 Millionen Yuan. Gegenwärtig gehören wir zu den zehn größten verarbeitenden Unternehmen für Sonnenblumenöl in China“, sagt Geschäftsführer Yang Haiquan. Sein Unternehmen setze auf unabhängige Forschung und Entwicklung und habe bereits innovative Durchbrüche im zollfreien F&E-Geschäft erzielen können. Dies markiere einen wesentlichen Schritt bei der Umstellung von reiner Getreide- und Ölsaatenverarbeitung hin zur Herstellung von Produkten mit hoher Wertschöpfung, so der Unternehmer. 

Neue Chancen und Geschäftsmöglichkeiten  

Liu Chunlei, ein 44-jähriger Einheimischer, pendelt häufig zwischen Chinas und Kasachstans Autobahngrenzstellen. Als „Fährmann“ für den Fahrzeugexport ist er dafür verantwortlich, Fahrzeuge aus verschiedenen Zollüberwachungsgebieten abzuholen, die Zollabfertigung am chinesischen Autobahn-Grenzübergang von Korgas zu durchlaufen und die Fahrzeuge dann an der Grenzstelle in Kasachstan an den von den Kunden benannten Abholer zu übergeben. 

Statistiken zufolge wurden in den ersten drei Quartalen 2023 insgesamt 195.000 Autos über den Grenzübergang von Korgas ausgeführt, was den Port zur größten Grenzübergangsstelle an den chinesischen Landgrenzen für Autoexporte macht. Seit der Wiederaufnahme der vollständigen Zollabfertigung am 8. Januar 2023 erlebte der Automobilexport aus Korgas einen regelrechten Boom, wobei das tägliche Exportvolumen von Nutzfahrzeugen ein Rekordhoch von 1302 Stück erreichte. Zu den wichtigsten chinesischen Automarken gehören derzeit BYD, Chang'an, Chery und Yutong. 

Der Aufbau eines moderneren Industriesystems war eine der zentralen strategischen Forderungen des XX. Parteitags. Die Partei betrachtet ihn als eine bedeutsame Aufgabe für die nationale Wirtschaftsarbeit. Gestützt auf in- und ausländische Märkte und Ressourcen bildet Alashankou Schlüsselproduzenten unter anderem für Exportausrüstungen heran und entwickelt beschleunigt international ausgerichtete Industrien mit eigenen Besonderheiten und Stärken. 

„Nach dem Studium war ich zunächst in der Rohrleitungsherstellung in Shandong tätig, wirkte bei der Umsetzung von Großprojekten wie der West-Ost-Gaspipeline und der Sichuan–Shanghai-Gaspipeline mit“, erzählt uns Zheng Jiahong, Geschäftsführer der Firma Alashankou Xinbo Oil & Gas Pipeline Manufacturing. „Angelockt von Xinjiangs Vergünstigungspolitik für Geschäfte und Investitionen führte ich schließlich im November 2020 ein Kernteam von 20 Leuten nach Alashankou, um hier ein Unternehmen zu gründen“, so Zheng. 

Mittlerweile ist sein Unternehmen der größte und leistungsstärkste Hersteller von Schweißrohren in Xinjiang. Seine Produkte werden zum Beispiel nach Russland und in fünf zentralasiatische Länder geliefert und finden breite Verwendung in Öl-, Erdgas-, Wasser- sowie Zentralheizungs- und Kühlungsanlagen, aber auch in vielen anderen Übertragungsprojekten. Nach Abschluss der zweiten Bauprojektphase des Unternehmens wird die jährliche Gesamtkapazität mehr als 150.000 Tonnen erreichen. Den Produktionswert beziffert Zheng auf 1,5 Milliarden Yuan. 

„Es war und ist definitiv die richtige Entscheidung, in Xinjiang zu investieren“, resümiert Zhou Shanzheng, der stellvertretende Geschäftsführer des Unternehmens. Angesichts des neuen Öffnungstrends und der starken Entwicklungsdynamik der Region ist er voller Zuversicht für die Zukunft. Und damit steht er nicht alleine. Der Goldrausch auf der Neuen Seidenstraße hat wohl gerade erst begonnen.


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Quelle: China Heute

Schlagworte: Kohle,Baumwollblüte,t,China,Xinjiang