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Kleine Städte kommen groß raus: Wie Mini-Serien Chinas Tourismusmarkt umkrempeln

China Heute  |  
29.05.2024

Während der gerade zu Ende gegangenen Maifeiertage wogte wieder eine Reisewelle durchs Reich der Mitte. Das chinesische Ministerium für Kultur und Tourismus zählte während der „kleinen goldenen Woche“ rund um den Tag der Arbeit etwa 295 Millionen Inlandsreisen, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 7,6 Prozent und 28,2 Prozent mehr als zu den Maifeiertagen 2019. Insgesamt blätterten inländische Touristen 166,89 Milliarden Yuan für ihre Reisen hin, 12,7 Prozent mehr als noch während der Maifeiertage 2023. Die guten Ergebnisse sind Spiegel der sich wieder berappelnden Tourismusbranche im Land, die zu Coronazeiten stark gelitten hatte. 

Neu ist, dass in den letzten Jahren auch immer mehr kleinere Städte in den Fokus der Touristen rücken. Sie locken Besucher zum Beispiel mit besonderen lokalen Spezialitäten, ausgefallener Mode oder pittoresken Landschaften. Vom Hype um das Zibo-Barbecue in Shandong über die feurig-scharfe Brühe mit allerlei Zutaten namens Tianshui-Malatang aus der gleichnamigen nordwestchinesischen Stadt Tianshui bis hin zu den Kopfblumengestecken der Hafenstadt Quanzhou in Fujian – sie alle sorgten im Netz für Furore und locken seither unzählige Besucher in die jeweiligen Orte. 

Statistiken der chinesischen Reiseplattform Ctrip zeigen eine Verlagerung der touristischen Hotspots in China von den Metropolen hin zu kleineren Städten. Was die Zuwächse der Buchungen während der jüngsten Maifeiertage angeht, so wuchsen diese besonders in den Städten dritten und vierten Ranges sowie in den Landkreisen, deutlich stärker als in den Städten des ersten und zweiten Ranges. Beliebte Reiseziele unter den Landkreisen wie Anji, Tonglu, Dujiangyan, Yangshuo, Mile, Yiwu, Wuyuan, Jinghong, Kunshan und Pingtan verzeichneten ein durchschnittliches Buchungsplus von satten 36 Prozent. 

Zusätzlich angeheizt wird der neue Hype um den Kleinstadttourismus auch durch sogenannte Mini-Soaps, ein neues Kurzserienformat, das derzeit Chinas Videoplattformen im Sturm erobert. Anfang des Jahres griff auch das Amt für Presse, Publikation, Radio, Film und Fernsehen (SARFT) den Trend auf und stieß eigens die Aktion „Reisen mit Mini-Serien“ an. Mit der Initiative fördert die staatliche Behörde im laufenden Jahr gezielt die Produktion von 100 hochwertigen Mini-Serien. Sie setzt dabei auf das neue Modell „Miniserien + Tourismus“, um dem Kulturtourismus in China neue Impulse zu verleihen. 

Mini-Soaps locken Reisende an 

Einige der Serienproduktionen konnten ihre Reichweite und Zugkraft bereits eindrucksvoll unter Beweis stellen. Als Vorreiter sind sie zu einem wichtigen Motor für die Entwicklung des Kulturtourismus in kleineren Orten geworden. 

Ein Beispiel ist die Mini-Soap „The Wind of Journey“, ein Spin-off der beliebten chinesischen Serie „Meet Youself“. „The Wind of Journey“ hat eine Reichweite von 190 Millionen und beflügelt durch ihren einschlagenden Erfolg den Tourismus in Leshan in Sichuan. Die Geschichte der Kultserie ist schnell erklärt: Die Mini-Episoden drehen sich darum, wie Heldin Xu Youfeng Gerichte aus ihrer Heimat, die auf der Liste des immateriellen Kulturerbes stehen, in der Welt bekannt macht. Zum einen greift die Kurzserie aktuelle gesellschaftliche Themen wie den Druck in den Großstädten, wachsende Frauenpower oder Unternehmertum in der Heimatstadt auf, allesamt Themen, die im Netz lebhaft diskutiert werden. Zum anderen zeigt das Format lokale Leckerbissen und malerische Landschaften der Stadt Leshan. Insbesondere örtliche Spezialitäten wie Qiaojiao-Rindfleisch und knusprige Hausmacher-Pfannkuchen locken Foodies aus allen Landesteilen nach Leshan. 

Andere Mini-Serien rücken den ländlichen Aufschwung in den Fokus. So zum Beispiel das Format „The Flying Youth“. Die Soap basiert auf der wahren Geschichte der Entwicklung der Kultur- und Tourismusindustrie im Dorf Cao und zeigt chinesische Uni-Absolventen, die in ihre Heimat zurückkehren, um dort eigene Unternehmen zu gründen und die Wiederbelebung des ländlichen Raums voranzubringen. Dabei webt die Serie geschickt Elemente wie Kampfkunst (in Form der Nanquan-Kultur), Laternenkultur und Erlebnisangebote wie Gleitschirmfliegen in den Plot ein und macht so den Zuschauern Lust darauf, das Dorf als Reiseziel zu erkunden. Während die Mini-Serie die Bildschirme eroberte, waren alle fünf Pensionen vor Ort schnell restlos ausgebucht. Nach Angaben der Verantwortlichen empfing das Dörfchen während der Maifeiertage 200.000 Touristen, 30 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. 

Der Erfolg von Leshan und Cao bestärkt auch die lokalen Regierungen anderer Orte, den Tourismus mit neuen Mitteln anzukurbeln und etwa durch Mini-Serien eigene Marken aufzubauen. Denn durch den Plot entwickelt das Publikum eine besondere Verbindung zu den jeweiligen Orten. Gute Produktionen können damit wichtige innere Impulse für die örtliche Kulturentwicklung geben und den Tourismus dauerhaft ankurbeln. 

Das Erfolgsgeheimnis der Mini-Serien 

Was aber macht das neue Serienformat so erfolgreich? Ganz klar: Die Kurzproduktionen treffen eindeutig einen Nerv beim chinesischen Publikum. Dabei punkten die Mini-Folgen mit ihrer kurzen Länge, ihrer hohen Informationsdichte und der schnellen Verbreitungsgeschwindigkeit. Sie sind genau an die Rezeptionsgewohnheiten der Menschen im schnelllebigen Alltag angepasst. Damit werden sie zu einer wichtigen Brücke zwischen kulturellen Inhalten und Massenkonsum. Im Bereich des Kulturtourismus sind Mini-Serien in der Lage, nicht nur schnell die Aufmerksamkeit des Publikums zu bannen, sondern auch den einzigartigen Charme der lokalen Kultur gut zur Geltung zu bringen – durch einen Mix aus spannenden Geschichten und fesselnden Bildern, was beim Publikum die Reiselust weckt. 

Darüber hinaus tragen der kurze Produktionszyklus und die niedrigen Produktionskosten der Mini-Soaps dazu bei, dass sich die Formate schnell an die Veränderungen des Marktes anpassen können, was eine rasche Erneuerung und zeitnahe Optimierung lokaler Tourismusangebote ermöglicht. 

Außerdem punkten viele Formate mit ihrer Lebensnähe. Die Werke spiegeln die soziale Realität der Menschen wider und vermitteln postive Werte. Ähnlich wie „The Wind of Journey“ gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Mini-Soaps, die die Lebensfreude der Menschen in der heutigen Gesellschaft einfangen und Alltagsprobleme auf unterhaltsame Weise aufgreifen. Und das kommt an beim Publikum. 

Nicht zuletzt treffen die Serien insbesondere einen Nerv beim jungen Publikum. Denn Chinas Generation Z liebt es, bekannte Drehorte aus Film, Streaming und Internet aufzusuchen, um dort für eigene Schnappschüsse zu posieren. Und so pilgern denn heute auch immer mehr junge Leute zu bekannten Spots aus den Mini-Serien, um sich dort selbst in Pose zu setzen. Derweil hoffen auch viele andere kleinere Städte in China, ein Stück vom Reichweitenkuchen im Netz abzubekommen und überregional bekannter zu werden. Und die Chancen stehen gut. Denn immer mehr Orten gelingt durch das Modell „Miniserien + Tourismus“ der Durchbruch. Am Ende gibt es im Riesenreich der Mitte schließlich noch jede Menge zu entdecken. 


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Quelle: China Heute

Schlagworte: Reisewelle,Tourismus,China