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Wächterin am Fuße der Großen Mauer

China Heute  |  
21.06.2024

Am 14. Mai schrieb Xi Jinping einen Brief an die Bewohner des Dorfes Shixia im Beijinger Bezirk Yanqing. In seinem Schreiben ermutigte der Staatspräsident die Einheimischen, ihre Bemühungen zum Schutz der Großen Mauer fortzusetzen, die lokale Kultur zu fördern und die Geschichten rund um das historische Bauwerk in alle Welt zu tragen und mehr öffentliches Bewusstsein dafür zu schaffen, das wertvolle historische Erbe unbeschadet an künftige Generationen weiterzugeben. 

Shixia liegt am Fuße der Großen Mauer in Shixiaguan, in der Nähe des berühmten Mauerabschnitts Badaling also. Schon Anfang der 1980er Jahre begannen einige Einheimische, das historische Bauwerk ehrenamtlich zu schützen. Heute, vier Jahrzehnte später, engagieren sich immer mehr Menschen in diesem Bereich. Es wurde gar eine eigene Gruppe für den Mauerschutz gegründet. Liu Hongyan ist Teil davon und wir haben sie besucht.

Die Große Mauer als ein Stück Heimat 

„Ich bin sehr stolz darauf, dass unser Dorf ein Antwortschreiben von Xi Jinping erhalten hat. Der Brief ist eine Anerkennung für unsere Arbeit und eine große Ermutigung für uns“, erzählt uns Liu begeistert. 

Woher aber kam überhaupt die Idee, sich als Mauerschützerin zu engagieren? Liu verrät, sie sei auch ein Stück weit von ihrer Familie beeinflusst worden. In den 1980er Jahren nämlich habe Lius Onkel Mei Jingtian begonnen, regelmäßig ehrenamtlich auf der Großen Mauer zu patrouillieren, um Müll zu beseitigen, nach Kulturgütern zu suchen und Touristen davon abzuhalten, nicht geöffnete Abschnitte des Kulturdenkmals zu erklimmen. 

2006 rief das Dorf Shixia unter Meis Beteiligung das erste freiwillige Inspektionsteam für Mauerschutz ins Leben. Liu Hongyan erinnert sich noch gut an diese Zeit. Sie war damals noch ein Kind. Jedes Mal, wenn ihr Onkel die Inspektionsarbeit beendet hatte, habe er Liu und ihre Eltern besucht und sich dort gestärkt und ausgeruht. „Später nahm mich mein Onkel dann mit auf die Mauer und erzählte mir Geschichten über das wertvolle Erbe, was mein Interesse an dem alten Bauwerk weckte“, sagt Liu. 2019 begannen die sechs Bezirke entlang der Großen Mauer in Beijing, hauptamtliche Denkmalschützer zu rekrutieren. Liu entschloss sich, in die Fußstapfen ihres Onkels zu schlüpfen und eine Karriere als Mauerschützerin zu starten. Im Mai desselben Jahres wurde sie nach bestandener Prüfung zur Vollzeit-Mauerschützerin und setzte damit das Werk ihres Onkels fort. 

Die Hauptaufgaben der Mauerschützer bestünden darin, das Bauwerk zu inspizieren und seinen Zustand mit Fotos zu dokumentieren, erzählt sie uns. Bei der Inspektion müssten die Mitarbeiter sorgfältig jeden Mauerstein genau untersuchen, unter anderem auf Risse, und klären, wie eventuelle Risse entstanden sind. Durch Witterungseinflüsse oder von Menschenhand? Anschließend laden die Denkmalschützer die Fotos auf eine Plattform der Abteilung für Kulturdenkmäler hoch, damit Forscher die Schäden weiter bewerten und das alte Relikt rechtzeitig schützen können. Außerdem sorgen die Mauerschützer auch für die Reinigung der Steintreppen und die Müllbeseitigung. Die Umwelt des Weltwunders liege ihnen allen besonders am Herzen, erzählt uns Liu. 

Jeden Tag macht sich Liu schon früh auf den Weg, bekleidet mit einer roten Warnweste und einem Sonnenhut. Sie ist zudem gewappnet mit Müllsäcken und einer Greifzange. „Mein Revier, das ich beaufsichtige, reicht vom himmlischen Nordtor bis zum himmlischen Südtor. Der Abschnitt erstreckt sich über mehr als zehn Kilometer und ein Inspektionsmarsch dauert etwa fünf Stunden“, sagt das Energiebündel. Die Arbeit sei sehr anstrengend, räumt Liu ein, doch sie mache ihr großen Spaß. „Als Mauerschützerin bin ich mir meiner Verantwortung bewusst. Ich schütze die Große Mauer wie mein eigenes Zuhause“, sagt sie mit einem Lächeln. 

In den letzten Jahren ist die emsige Denkmalschützerin erfreut zu sehen, dass ihre Bemühungen fruchten. „Durch die langfristige Überwachung wird die Mauer rechtzeitig repariert. Jeder Ziegel wird gut geschützt“, sagt sie. Um für einen möglichst umfassenden Schutz des Weltkulturerbes zu sorgen, sensibilisieren die Mauerschützer auch Touristen für das Thema. Liu freut sich, dass in den letzten Jahren das Schutzbewusstsein der Besucher deutlich gestiegen ist. „Immer mehr Menschen sind bereit, sich an der Bewahrung unseres gemeinsamen kulturellen Erbes zu beteiligen.“ 

Anwendung neuer Technologien 

Die Chinesische Mauer ist das größte bestehende Kulturerbe in China und erstreckt sich über 15 Provinzen. Der Beijinger Abschnitt ist der am besten erhaltene, wertvollste, architektonisch raffinierteste und kulturell reichhaltigste Abschnitt der Mauer, wobei das Teilstück im Bezirk Yanqing durch die größte Länge und seine einzigartige regionale Kultur besticht. Schon vor Jahren hat der Bezirk damit begonnen, den Schutz und die Entwicklung des historischen Bauwerks gekonnt miteinander zu verzahnen. 

Mit der Zeit sind die Schutzanstrengungen immer technologiebasierter und smarter geworden. 2023 richtete das Bezirksamt Yanqing eine Drohnen-Demonstrationszone für den digitalen Schutz und die digitale Verwaltung des Badaling-Abschnittes ein. Die Drohnen sind in der Lage, die zerklüfteten Pfade von einigen nicht öffentlich zugänglichen Abschnitten der Mauer detailliert zu inspizieren. Sie können auch Touristen, die aus der Reihe tanzen, frühzeitig entdecken und die Mauerschützer darüber informieren, was die Arbeitseffizienz erheblich steigert. 

Darüber hinaus setzte der Bezirk Yanqing fortschrittliche Digitaltechnologie ein, um ein 3D-Modell der Mauer zu erstellen. Durch die Modellierung des Inneren der hohlen Wachtürme mittels hochpräziser 3D-Scans und eine Nachmodellierung des Äußeren der Mauer mithilfe von Drohnen-Neigungsaufnahmen sowie Infrarot-Messgeräten hat Yanqing ein 3D-Modell der 23,3 Kilometer langen Großen Mauer mit einer Genauigkeit von zwei Zentimetern entwickelt. Es handelt sich um die genaueste 3D-Nachbildung des weltberühmten Bauwerkes überhaupt. Das Modell liefert genaue Basisdaten für den Mauerschutz und formt damit eine wichtige Grundlage für die zukünftige Schutzarbeit. 

In Zukunft sollen die Schutzanstrengungen fleißig vorangetrieben werden. Dafür setzen die Verantwortlichen auf neue Ideen und noch bessere Planungskonzepte. Man will außerdem Vorbilder für den Mauerschutz schaffen und noch bessere Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Schutz und Entwicklung betreiben, dem ländlichen Aufschwung gezielt neue Impulse gewähren und die Umwelt weiter verschönern. Der Bezirk Yanqing setzt darauf, die Ressourcen der Großen Mauer zu bündeln und damit der hochwertigen grünen Entwicklung der Region neue Impulse zu verleihen. 

Einheimische profitieren vom Tourismus 

In der Vergangenheit war der Ort Shixia, der von Bergen umrahmt ist, nur ein Dörfchen wie viele andere. Dank der touristischen Ressourcen rund um die Mauer hat die örtliche Reise- und Naherholungsindustrie einen raschen Aufschwung erlebt, was dem Dorf mehr Wohlstand gebracht hat. 

In dem kleinen Ort gibt es sogar eine bekannte Unternehmerin, He Yuling. 2015 wurde sie von den reichen Ressourcen der Region rund um Shixia angezogen. Sie pachtete 18 Bauernhöfe, um hier Hotellerie und Gastronomie der gehobenen Klasse aufzuziehen. 

Mit dem Geschäftsmodell „Gaststätte plus“ hat He nach und nach das Shiguang-Café, den Shiguang-Buchladen, ein Museum für Dorfgeschichte und ein Freiluftkino am Fuße der Großen Mauer gegründet und damit die Tourismuslandschaft im Beijinger Umland bereichert. Um mehr Foodies anzulocken, lancierte die findige Unternehmerin das „Stone Cooking Banquet“. Mittlerweile hat sich Shixia zu einem beliebten Naherholungsziel der Hauptstädter gemausert. Viele Touristen und Ausflügler strömen in das Dörfchen, um die lokale Küche zu genießen und im Beijinger Umland die Seele baumeln zu lassen. 

Mithilfe der reichen Ressourcen der Chinesischen Mauer hat der Bezirk Yanqing auch eine Reihe von Kulturangeboten entwickelt. Gegenwärtig befasst er sich mit der Erforschung der Dorfkultur und des immateriellen Kulturerbes entlang der Mauer und bietet Touristen viele Freizeitmöglichkeiten wie Entdeckungstouren für immaterielles Kulturerbe am Fuße der Mauer oder das Folklore-Festival Badaling an, um ihnen ein tieferes Verständnis für die Große Mauer zu ermöglichen und diese erfahrbar zu machen. Darüber hinaus haben sich Kulturevents wie Mauerkonzerte und die jährliche Frühlingfestfeier am Fuße der Mauer einen Namen gemacht und sorgen für ein hohes Besucheraufkommen, was den Kulturtourismus deutlich belebt hat. 

Vom Schutz des historischen Erbes bis hin zur Wiederbelebung des ländlichen Raums soll die Große Mauer als „steinerne Visitenkarte“ der chinesischen Kultur in Zukunft noch mehr Glanz für die Region bringen. 

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Quelle: China Heute

Schlagworte: Wächter,Große Mauer