Chinas pragmatisches Handeln verleiht der globalen Klimapolitik stabile Impulse
von Lü Wenbin
Dieses Jahr markiert den 30. Jahrestag des Inkrafttretens des UN-Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen (UNFCCC) sowie auch den 9. Jahrestag des Inkrafttretens des Übereinkommens von Paris. Kurz vor der UN-Klimakonferenz 2024 in Baku (COP 29) fand vom 28. bis zum 29. Oktober in Paris der 6. hochrangige Dialog der „Friends of the Paris Agreement“ statt, nämlich unter Leitung der zuständigen chinesischen und französischen Institutionen.
Die Vereinigung „Friends of the Paris Agreement“ ist eine hochrangige, inoffizielle Plattform für den freundschaftlichen Austausch in Sachen Klimaschutz. Die meisten Teilnehmer des Treffens sind traditionell Menschen, die am Prozess der Verwirklichung des Pariser Abkommens mitwirken bzw. diesen eng verfolgen. Die Dialogplattform bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte und die Ergebnisse der globalen Reaktion auf den Klimawandel. Auch ermöglicht sie einen eingehenden Meinungsaustausch über die aktuelle Situation, momentane Aufgaben und die Prioritäten im Kampf gegen den Klimawandel.
Auf dem diesjährigen Treffen haben die Teilnehmenden gemeinsam eine Zusammenfassung des Vorsitzes verabschiedet, die den Vereinten Nationen, der Präsidentschaft der Klimakonferenz und dem UNFCCC-Sekretariat vorgelegt wird. Es war mir eine große Ehre, zusammen mit Xie Zhenhua, dem ehemaligen Klima-Sonderbeauftragten Chinas, diesem Dialog beizuwohnen. Es war eine äußerst bereichernde Erfahrung, die mein Verständnis der Klimaschutzanstrengungen weiter vertieft hat.
Ein Blick auf den „China Pavillon“ auf der COP 28 am 29. November 2023 in Dubai (Foto: Wang Dongzhen/Xinhua)
In den letzten Jahren hat sich die globale Erwärmung in beispiellosem Tempo verschärft. Grund sind die zunehmenden Treibhausgasemissionen, verursacht durch den Menschen. Untersuchungen des Zwischenstaatlichen Sachverständigenrats für Klimaänderungen (IPCC) zeigen, dass die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten weitreichende und rasche Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre und der Biosphäre verursachen. Aus einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie geht hervor, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Die globale Durchschnittstemperatur lag im vergangenen Jahr etwa 1,45 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Der Klimawandel wirkt sich auf alle Regionen der Erde aus. Er bedroht ernsthaft das Überleben der Menschheit und die nachhaltige Entwicklung unseres Planeten. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation ist der Klimawandel „die größte Gesundheitsbedrohung für die Menschheit“. Bei seiner Bewältigung geht es also nicht nur um die Rettung der Ökosysteme der Erde, sondern auch um die Rettung unserer Spezies.
Das Pariser Abkommen ist der bisher breiteste Konsens der internationalen Gemeinschaft zum Thema Klimaschutz. Das wegweisende Papier hat Richtung, Ziele und institutionelle Regelungen für die globale Begegnung des Klimawandels abgesteckt. Dennoch steht der globale Klimaschutz vor vielen unerwarteten Schwierigkeiten und Herausforderungen. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine eklatante Lücke. Insbesondere die grüne Transformation ist ins Stottern geraten. Es ist eine zunehmende Tendenz zur Politisierung von Umwelt- und Klimathemen zu beobachten und die Zahl der Handelshemmnisse steigt. Kurzum: die Unsicherheit in der Klimazusammenarbeit hat merklich zugenommen.
Als praktischer Akteur im Kampf gegen den Klimawandel hat China in den letzten Jahren seine eigene Energiewende beschleunigt und sich gleichzeitig aktiv an der internationalen Zusammenarbeit bei Klimaschutz und Energiewende beteiligt, wobei das Land eine wichtige stabilisierende Rolle übernahm. Im August dieses Jahres legte die chinesische Regierung einen dezidierten Plan zur umfassenden grünen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft vor, was dieses Vorhaben weiter beschleunigt hat. Der Vorstoß leistet einen positiven Beitrag zur globalen Energiewende und zum Aufbau einer sauberen und schönen Welt.
Klare Ziele und Wege für die globale Klimapolitik
In den letzten 30 Jahren, insbesondere in den neun Jahren seit dem Abschluss des Pariser Abkommens, haben sich die Ziele und Wege der globalen Klimapolitik immer klarer herauskristallisiert. Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen hat bereits 1992 das ultimative Ziel und die Kooperationsprinzipien der globalen Klimapolitik definiert: nämlich eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration auf einem Niveau, das eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert, sowie das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten und des Handelns im Rahmen der jeweiligen Fähigkeiten.
Mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 wurde ein Top-down-Ansatz für die Industrieländer zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen bei der Emissionsreduzierung geschaffen. 2015 einigte sich die UN-Klimakonferenz in Paris dann auf das Pariser Abkommen, das die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels für die Zeit nach 2020 regelt und einen innovativen Bottom-Up-Ansatz mit national festgelegten Beiträgen vorschlägt. Dementsprechend arbeiten die Vertragsparteien einerseits „gemeinsam“ an der Bewältigung bestehender Herausforderungen und leisten andererseits gemäß ihren unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten, Entwicklungsstadien und Fähigkeiten „unterschiedliche“ Beiträge. Alle fünf Jahre erfolgt zudem eine globale Bestandsaufnahme, um den globalen Klimaschutz nachhaltig voranzutreiben.
Seit dem Inkrafttreten des Pariser Abkommens haben die globalen Maßnahmen, die Unterstützung und die Zusammenarbeit zur Bewältigung der Klimakrise weiter zugenommen und es konnten positive Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele des Abkommens erzielt werden. Der Kampf gegen den Klimawandel ist nun weitgehend in die nationale Politik und die Strategien verschiedener Länder sowie in die internationale Zusammenarbeit integriert. Der globale Übergang zu einer kohlenstoffarmen bis kohlenstofffreien, klimaresistenten Welt ist unumkehrbar geworden.
Schwierigkeiten und Herausforderungen beim globalen Klimaschutz
Die erste globale Bestandsaufnahme im Jahr 2023 zeigte allerdings, dass noch eine große Lücke zwischen den tatsächlichen Maßnahmen und den im Pariser Abkommen festgelegten Zielen und Verpflichtungen besteht. Der Rückstand in den Bereichen Technologie, Finanzen und Transparenz ist enorm. Insbesondere die Finanzierung zur Umsetzung der Klimaziele ist eindeutig zu langsam und bei weitem unzureichend.
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) schätzt, dass der Finanzbedarf der Entwicklungsländer für die Anpassung an den Klimawandel bis 2030 auf 340 Milliarden US-Dollar pro Jahr ansteigen wird, wobei derzeit weniger als ein Zehntel dieses Betrags finanziell abgefedert ist. Viele Entwicklungsländer sehen sich in Bezug auf den fiskalischen Spielraum daher mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert, da sie nur begrenzten Zugang zu öffentlichen Finanzmitteln und begrenzte Fähigkeiten zur Mittelbeschaffung auf den Kapitalmärkten haben. Diese Faktoren schränken ihre Möglichkeiten zur Ergreifung solider Eindämmungs- und Anpassungsmaßnahmen merklich ein.
Gleichzeitig haben Unilateralismus und geopolitische Streitigkeiten nicht nur dem multilateralen Kooperationssystem zur Bewältigung des Klimawandels ernsthaften Schaden zugefügt, sie haben auch das kollektive Handeln in der globalen Klimapolitik beeinträchtigt. Um sicherzustellen, dass das Ziel des Abkommens, den globalen Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsius zu halten und ein Niveau von 1,5 Grad Celsius anzustreben, erreicht werden kann, sollten alle Vertragsparteien den Multilateralismus und den multilateralen Prozess aktiv verteidigen und einhalten. Es gilt, die Klimapolitik und die Zusammenarbeit im Rahmen des Pariser Abkommens fortzusetzen und gleichzeitig den Austausch und die Konsultationen zu verstärken. Einseitige Handelsmaßnahmen, die den Transformationsprozess verlangsamen, sind zu vermeiden. Außerdem muss die Bereitstellung und Mobilisierung von Finanzmitteln für die Entwicklungsländer sichergestellt werden, um wirkungsvollere Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen.
Chinas Energiewende kommt eine Schlüsselrolle zu
Als weltweit größtes Entwicklungsland hat China seit seinem Beitritt zum Pariser Abkommen eine Reihe von Strategien, Maßnahmen und Aktionen zur Bewältigung des Klimawandels ergriffen und ist zu einem wirksamen Akteur im Kampf gegen den Klimawandel geworden.
Bereits 2020 hatte China angekündigt, seine national festgelegten Beiträge zu erhöhen und wirksamere politische Maßnahmen zu ergreifen, um die dualen Kohlenstoffziele zu erreichen – nämlich den CO2-Emissionszenit bis 2030 und Kohlenstoffneutralität bis 2060. China wird seine grüne und kohlenstoffarme Energiewende aktiv und kontinuierlich vorantreiben und die Entwicklung erneuerbarer Energien als Schlüssel zur Kontrolle der Kohlendioxidemissionen beschleunigen.
Ende September dieses Jahres erreichte Chinas installierte Windkraft- und Photovoltaikkapazität insgesamt 1,25 Milliarden Kilowatt, womit das Versprechen, die installierte Gesamtkapazität dieser beiden grünen Energieträger bis 2030 auf 1,2 Milliarden Kilowatt zu steigern, sechs Jahre früher erfüllt wurde als ursprünglich geplant. Schon heute sind auf Chinas Straßen etwa 25 Millionen Fahrzeuge unterwegs, die mit neuer Energie betrieben werden. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres wurden landesweit mehr als 9,8 Millionen solcher New Energy Vehicles (NEV) verkauft. Ihr Anteil an den gesamten Neufahrzeugverkäufen lag bei 38,6 Prozent.
Gleichzeitig hat China auf der Grundlage nachhaltiger technologischer Innovationen, vollständiger Industrie- und Lieferketten, ausreichenden Marktwettbewerbs und seines riesigen Absatzmarktes eine rasche Entwicklung der Industrie für erneuerbare Energien erreicht und dabei seine Wettbewerbsvorteile bei Photovoltaikprodukten, Lithiumbatterien und NEV klar ausgespielt. Die Kosten von Windenergie, Solarstrom und Elektrofahrzeugen konnten mit Chinas Hilfe global erheblich gesenkt werden. Derzeit werden chinesische Windkraft- und Photovoltaikprodukte in mehr als 200 Länder und Regionen rund um den Globus exportiert und tragen auf diese Weise mit chinesischen Innovationen und chinesischer Ingenieurskunst zum groß angelegten Einsatz erneuerbarer Energien sowie zu einer beschleunigten Energiewende weltweit bei.
Grüne Transformation als Chefsache
Im August dieses Jahres gab die chinesische Regierung ein Positionspapier zur Beschleunigung der umfassenden grünen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft heraus. Darin stellte sie klar, sich an der Erreichung der dualen Kohlenstoffziele zu orientieren. Emissionsreduzierung, Verringerung der Umweltverschmutzung, Grünflächenausweitung und Wirtschaftswachstum sollen parallel gefördert werden. China hat damit die grüne Transformation zur Chefsache erklärt und erstmal systematische Weisungen von höchster Ebene veröffentlicht, wodurch die Richtung für die kohlenstoffarme Transformation klar abgesteckt wurde:
Erstens erkennt die Regierung die stetige Förderung einer grünen und kohlenstoffarmen Energiewende als den grundlegenden Weg dahin an, die dualen Kohlenstoffziele zu erreichen, Ressourcenbeschränkungen zu überwinden und die Fähigkeit zur Gewährleistung der Energiesicherheit zu verbessern. Energie bildet eine wichtige materielle Grundlage für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt. Gleichzeitig aber formt sie die Hauptquelle für Kohlenstoffemissionen. Energiebezogene Kohlendioxidemissionen machen mehr als 80 Prozent aller CO2-Emissionen aus. Um der Problematik zu begegnen, hat China quantitative Ziele wie die Erhöhung des Anteils des nichtfossilen Energieverbrauchs auf etwa 25 Prozent bis 2030 und die Steigerung der installierten Kapazität von Pumpspeicherkraftwerken auf mehr als 120 Millionen Kilowatt vorgeschlagen.
Zweitens betrachtet China die Förderung von Energieeinsparung und Kohlenstoffreduzierung in Schlüsselbereichen als eine grundlegende Unterstützung für die umfassende grüne Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Seit 2013 verzeichnete China ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von 6,1 Prozent, bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate des Energieverbrauchs von 3,3 Prozent. Die Energieintensität sank im gleichen Zeitraum insgesamt um 26,1 Prozent. China zählt damit zu denjenigen Ländern weltweit, die die schnellste Reduzierung der Energieintensität vorweisen können. Chinas Regierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Umfang der Energiespar- und Umweltschutzindustrie bis 2030 auf etwa 15 Billionen Yuan zu steigern. Die CO2-Emissionsintensität des umgerechneten Aufkommens pro Transporteinheit soll gegenüber 2020 um etwa 9,5 Prozent sinken.
Drittens betrachtet China die nachhaltige und rasche Entwicklung grüner und kohlenstoffarmer Industriezweige als Motor für eine qualitätsvolle Wirtschaftsentwicklung im Land. Umweltfreundlichkeit wird als eine wichtige Grundlage für die angestrebte Entwicklung hoher Qualität betrachtet. Dabei sind die Produktivkräfte neuer Qualität von Natur aus grüne Produktivkräfte. China setzt folglich darauf, grüne und kohlenstoffarme Industrien konsequent zu entwickeln. Der Anteil dieser Industrien an der Gesamtwirtschaft soll kontinuierlich steigen. Parallel dazu fördert das Land ganz gezielt die beschleunigte Entwicklung neuer Industrien, neuer Geschäftsformen und neuer Geschäftsmodelle, die auf grüne und kohlenstoffarme Industrien ausgerichtet sind.
Chinas entschlossene Förderung der grünen Entwicklung wird dem globalen Kampf gegen den Klimawandel mehr Stabilität verleihen. Und auch die kontinuierliche innovative Weiterentwicklung der chinesischen Industrie für neue Energien dürfte der globalen nachhaltigen Entwicklung in Zukunft noch größere Impulse geben.
*Lü Wenbin ist Forscher und Direktor des Energieforschungsinstituts der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform.
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