Zum Frühlingsfest
China erwartet einen Konsumboom durch verlängerte Ferien und Kulturbegeisterung Exklusiv
von Wang Xuemei, Beijing
Das Frühlingsfest 2025 verspricht, ein außergewöhnlicher Feiertag für die Chinesinnen und Chinesen zu werden. Das achttägige Fest bietet eine einzigartige Gelegenheit, das volle Potenzial von Chinas lebhaftem Reise- und Konsummarkt zu entfalten. Zugleich rückt die traditionelle chinesische Kultur stärker denn je in den Mittelpunkt.
Das Frühlingsfest, das am 28. Januar beginnt, wurde in diesem Jahr erstmals um einen zusätzlichen Tag verlängert, und ist zudem das erste Fest, seit das chinesische Neujahr im Dezember 2024 in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit der UNESCO aufgenommen wurde.
Während der Feierlichkeiten planen viele Menschen in China nicht nur die traditionellen Familientreffen, sondern auch ausgedehnte Reisen und ein intensives Erleben ihrer reichen Kultur.
Längere Ferien, längere Urlaubsreisen
Die Verlängerung der Feiertage geht auf einen Beschluss des Staatsrats vom November letzten Jahres zurück, der den Vorabend des chinesischen Neujahrs (analog zu Silvester in Deutschland) offiziell zu einem Teil der Ferien machte. Damit wurde auch die mögliche Reisezeit in diesem Zeitraum verlängert.
Die Urlaubsreisen mit der Familie spielen während dieses wichtigen Festes eine zentrale Rolle. Mehr als 80 Prozent der Reisenden planen, ihre Reisen mit Familienmitgliedern zu unternehmen. Besonders ausgeprägt sind Trends wie Eltern-Kind-Reisen sowie gemeinsame Reisen mehrerer Generationen.
Laut einem Bericht, der gemeinsam von der China Association of Travel Services und dem Online-Reisebüro Tuniu veröffentlicht wurde, liegt die durchschnittliche Reisedauer für Pauschalreisende während des bevorstehenden Frühlingsfestes bei etwa 4,8 Tagen. Damit ist sie länger als die 4,3 Tage, die während des Frühlingsfestes 2019, dem letzten vor der Pandemie, verzeichnet wurden. Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen ist, dass Fernreisen innerhalb Chinas den Tourismusmarkt während des Frühlingsfestes dominieren werden.
Ein weiterer Bericht der UTour Group Co., Ltd zeigt, dass die Zahl der Reisegruppen für das diesjährige Frühlingsfest im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent gestiegen ist.
Wirtschaftswissenschaftler sagen voraus, dass die bevorstehenden Feiertage einen Konsumboom auslösen werden. Tian Yun, ein in Beijing ansässiger Wirtschaftswissenschaftler, erwartet, dass Chinas Konsumsektor mit einer Rekordzahl an Reisenden mehr Potenzial freisetzen und neue Trends aufzeigen werde. Zu den aufkommenden Sektoren nannte er unter anderem die Silberwirtschaft (für Senioren), die Kinderwirtschaft, vermehrte Familienreisen, den Volkskulturtourismus oder den Wintersport.
Jiang Yiyi, Vizedekanin der Fakultät für Freizeitsport und Tourismus an der Beijinger Sportuniversität, weist auf neue Konsumschwerpunkte für die bevorstehenden Feiertage hin. So suchen Touristen aus Südchina nach Wintertourismus im Norden, während Menschen aus dem Norden häufig dem kalten Wetter entfliehen wollen und nach Erlebnissen suchen, die sich von ihrem Alltag unterscheiden.
Inzwischen hat der chinesische Staatsrat am 13. Januar insgesamt 18 Maßnahmen vorgestellt, um neue Wachstumsbereiche im Kultur- und Tourismussektor zu erschließen. Diese umfassen unter anderem die Einführung von Kultur- und Tourismusgutscheinen, seniorengerechte Angebote und die Optimierung der Einreisepolitik.
Dai Bin, Präsident der China Tourism Academy, äußerte sich optimistisch: „Auf Grundlage von Frühindikatoren wie der Reisebereitschaft der Stadt- und Landbewohner, der Erholung der touristischen Versorgungskette, Innovationen in der touristischen Investition und Reisebuchungen erwarten wir für 2025 einen positiven Ausblick und eine qualitativ hochwertigere Entwicklung des Tourismusin China.“
Begeisterung für die traditionelle Kultur
Die Aufnahme des Frühlingsfestes in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO hat die Begeisterung der Chinesen für ihre traditionelle Kultur und die vielfältigen Festtagsbräuche weiter verstärkt.
Der Bericht von der Online-Reiseplattform Tuniu zeigt eine zunehmende Beliebtheit interaktiver Aktivitäten, die sich mit den Festbräuchen und dem immateriellen Kulturerbe im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Fest befassen. Besonders erlebnisorientierte Veranstaltungen, wie der traditionelle Beijinger Tempelmarkt, der Löwentanz in der Provinz Guangdong und das Shehuo (eine 2.000 Jahre alte Kunstform aus der Provinz Shaanxi, bei der die Menschen sich mit spezifischen Kostümen verkleiden und vielfältige Darbietungen organisieren), werden während der Feiertage voraussichtlich viele Touristen anziehen.
Laut Daten von Fliggy stieg das Suchvolumen für „Reisen zum immateriellen Kulturerbe“ auf der Plattform Anfang Januar gegenüber dem gleichen Zeitraum im Dezember um erstaunliche 133 Prozent.
In Reaktion auf dieses wachsende Interesse haben viele Städte spezielletouristische Angebote entwickelt, um ihr kulturelles Erbe hervorzuheben. In der nordostchinesischen Stadt Harbin wurde am 11. Januar beispielsweise ein Sonderzug in den Grenzbezirk Mohe eingesetzt, um dort den immateriellen Kulturerben der ethnischen Minderheit der Oroqen eine Bühne zu bieten. Traditionelle Kunstwerke wie Birkenrindenmalerei, Teigskulpturen und Stickereien wurden präsentiert– allesamt Ausdruck der alten Jagdkultur dieser ethnischen Gruppe. „Wir haben diesen Sonderzug ins Leben gerufen, um unser wertvolles immaterielles Kulturerbe einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, besonders mit Blick auf das bevorstehende Frühlingsfest“, erklärte der Zugführer Shi Lei.
Er fügte hinzu: „Der Zug für immaterielles Kulturerbe bietet den Fahrgästen die Möglichkeit, dieses [Kulturerbe] hautnah an Bord zu erleben. Dadurch erfüllen wir die vielfältigen Reisebedürfnisse der Passagiere besser.“
Neben dem Tourismus rücken auch kulinarische Aspekte immer stärker in den Mittelpunkt. So ist etwa die Nachfrage nach traditionellen chinesischen Silvesterdinners explodiert: Online-Reservierungen haben sich verdreifacht, und viele Restaurants sind bereits Monate im Voraus ausgebucht. Besonders begehrt sind Gerichte aus den Küchen des immateriellen Kulturerbes, die immer mehr Feinschmecker anziehen, wie aus Medienberichten hervorgeht.
Laut dem chinesischen Online-Dienstleister Meituan ist das Suchvolumennach dem Begriff „Küche des immateriellen Kulturerbes“ sprunghaft angestiegen, wobei Städte wie Shanghai, Beijing, Hangzhou, Xi’an und Suzhou die Liste der entsprechenden Suchanfragen anführen.
Darüber hinaus erfreuen sich Gerichte aus den Küchen des immateriellen Kulturerbes immer größerer Beliebtheit bei den Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr. Bestellungen für Gruppenpakete mit solchen Gerichten sind im Vergleich zum Vorjahr um mehr als das Zwölffache gestiegen. Um der Nachfrage gerecht zu werden, bieten Restaurants nicht nur neue Gerichte an, sondern veranstalten auch festliche Eventsund bleiben selbst während der Feiertage geöffnet. So hat das renommierte Restaurant Quanjude, bekannt für seine Peking-Ente, spezielle Geschenkboxen mit traditionellen Gerichten für das chinesische Neujahrsfest auf den Markt gebracht, mit denen die Verbraucher den authentischen Geschmack zu Hause nachkochen können.
Nicht nur Einheimische, sondern auch Besucher aus aller Welt tauchen während der Feiertage vor dem Frühlingsfest in die chinesische Kultur ein. Am 8. Januar 2025 empfang Shanghai das erste internationale Kreuzfahrtschiff des Jahres. Die ankommenden Touristen wurden mit einer spektakulären Löwentanzvorführung bei der Begrüßungszeremonie empfangen. Laut dem städtischen Büro für Kultur und Tourismus in Shanghai laufen die Vorbereitungen für das lebhafte Laternenfest im Yuyuan-Garten und zahlreiche andere Aufführungen bereits auf Hochtouren.
Ein brasilianischer Student erzählte, dass er zusammen mit seiner Mutter 18 Tage lang durch China gereist sei. Sie hatten bereits Orte wie Shanghai und Chongqing besucht, und Beijing war die letzte Station ihrer Reise. Das Unvergesslichste an seiner Erfahrung sei das Essen gewesen, vor allem der Feuertopf („Hotpot“), den er sehr geschätzt habe. In Brasilien gebe es zwar auch viele scharfe Gerichte, aber das chinesische Essen habe einen einzigartigen „betäubenden“ Geschmack, der ganz anders sei. Genau wie die chinesische Kultur, die sich von der brasilianischen stark unterscheide, fügte er hinzu.
„Der chinesische Traum von nationaler Wiederbelebung und dem Glück der Menschen übt eine große Anziehungskraft auf Ausländer aus. Viele wollen die chinesische Küche kennenlernen und am täglichen Leben der jungen Chinesen teilhaben“, erklärte Dai Bin.
Das Frühlingsfest spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung der herausragenden traditionellen Kultur, der Ankurbelung des Verbrauchermarktes und der Förderung innovativer Entwicklungen im Bereich des Tourismus. Laut Zhou Qingjie, Professor an der Beijing Technology and Business University, trägt das Fest zudem auch zur Schaffung eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage bei und unterstützt die Weiterentwicklung der chinesischen Kultur sowie des Tourismussektors.