Andreas Scholz: „China ist eine wahnsinnig gute Inspirationsquelle“
Andreas Scholz, Vorsitzender der Geschäftsführung der dfv Euro Finance Group GmbH, verantwortet mit der Euro Finance Week einen der wichtigsten Finanzkongresse in Europa am Finanzstandort Frankfurt am Main. Dabei setzt er zusammen mit seinem Team auch auf China und „Green Tech“. Beides seien nicht nur wichtige Wachstumsthemen, sie befeuerten einander sogar gegenseitig. Wir haben mit Scholz über die Strategie der weiteren Internationalisierung der Konferenzwoche sowie die Rolle der Themen China und Umwelt bei dem Format gesprochen.

Die Themen Umwelt und China sind im Moment in der wirtschaftlichen Debatte nicht mehr ganz so populär, wie sie es einmal waren. Bei Ihnen ist das anders. Warum?
Nun, für uns sind beides weiterhin Wachstumsthemen, absolut essentielle und wichtige Thematiken, die wir auf keinen Fall aus unserem Programm nehmen. Wachstumsthemen deshalb, weil wir sie durchaus positiv besetzt sehen. Das betrifft einmal unseren China Day am Montag der Finanzwoche. Der hat schon eine gewisse Tradition. Wir haben stets am Thema China festgehalten, denn das Land ist auf absehbare Zeit einer unserer wichtigsten Handelspartner, wenn nicht sogar der wichtigste. Das heißt, der gemeinsame Dialog ist nötig und wichtig, für beide Seiten. In diesem Jahr werden wir die Euro Finance Week noch stärker internationalisieren. Der China Day ist nicht nur ein Finanzforum, er ist auch eine Austauschplattform für Vertreter aus der Industrie. Beides gehört zusammen und wir sprechen dabei auch das Thema Innovation an. Innovation ist das Wachstumsthema schlechthin. Und damit haben wir zugleich die Brücke zum nächsten Tag, zum Dienstag mit dem Green Finance Forum. Wir sehen eine starke Verbindung zwischen den Themenfeldern China und Nachhaltigkeit. Wenn wir den Klimawandel in den Griff bekommen wollen, dann ist das ja eine weltweite Herausforderung. Hier brauchen wir China als großes Industrieland. Und es geht auch nicht ohne Innovationen, wo China führend ist, also in Bereichen wie Green- und Clean-Tech.
Ist das nicht alles ein bisschen technisch, gerade auch aus der europäischen Perspektive?
Nein, das Thema Green Finance machen wir zu einem Wachstums- und Wettbewerbsthema. Ich würde sogar sagen: jetzt erst recht. Denn die Finanzindustrie wird weiter in dieses Zukunftsthema investieren. Wenn wir uns die aktuellen Zahlen in China anschauen, machen die Clean-Tech-Industrien dort schon jetzt mindestens zehn Prozent des BIP aus. Sprich: Dieser Bereich wird in den nächsten Jahren kräftig nach oben gehen, was ihn klar zu einem Wachstumsthema macht. Am Mittwoch haben wir dann den Tech Day, bei dem wir die Klammer sogar noch weiter spannen. Da geht es dann um Themen wie KI und Innovation.
Deshalb haben Sie die beiden Thementage organisatorisch auch zusammengezogen?
Genau. Wir setzen immer wieder neue Themenschwerpunkte am Dienstag beim Green Finance Forum. Im vergangenen Jahr war das Thema Artenvielfalt, also Biodiversity, ein ganz entscheidendes Thema, das Projektleiter Lucas Walter in den Fokus genommen hat. Klima ist also sicherlich ein großer Baustein, aber die Vielfalt unserer Natur ein anderer, den wir auch noch auf die Ozeane ausweiten werden.
Wir werden immer wieder gefragt, ob uns das nicht viel zu abhängig von China macht. Da haben wir eine ganz klare Position: Wir sind für einen konstruktiven, offenen, gerne auch kritischen Austausch. Was wir nicht diskutieren, sind rein geopolitische Themen.
Wir kommen aus dem Finance, haben also einen Wirtschaftsschwerpunkt. Das heißt, wir schauen uns den Handel und Industrieprojekte in beiden Ländern an. Deutschland ist eine Exportnation. Die Chinesen warten nicht auf uns. Lucas und ich waren gemeinsam in Shanghai auf der größten Finanzkonferenz dort, ein bisschen wie unsere Euro Finance Week. Deutschland hat immer noch einen sehr, sehr guten Ruf in China. Die Chinesen können allerdings nicht verstehen, warum wir aus unserer Ingenieurskunst nicht mehr machen und weshalb wir häufig leider so langsam unterwegs sind. Wir haben Know-how, stehen uns aber oft selbst auf den Füßen. In Europa bekommen wir derzeit einfach kein Momentum hin. Die Chinesen geben hier einen anderen Takt vor. Sie sind viel, viel schneller.

Das habt Ihr dort am eigenen Leib erlebt?
Ja. Lucas und ich haben den Transrapid genutzt, den Maglev Train. Wenn man in siebeneinhalb Minuten von der Innenstadt zum Flughafen fährt und sich dann nochmal rückbesinnt, was Herr Stoiber damals in München vorhatte oder was für die Verbindung Hamburg-Berlin geplant war, wie viele Milliarden wir bereits in dieses Projekt investiert hatten. Am Ende haben wir leider nichts daraus gemacht. Dann haben Lucas und ich die E-Autos auf der Straße gezählt und versucht, das Verhältnis zu Verbrennern auszuloten. Viele der Marken und Hersteller kannten wir gar nicht.

Dieses Momentum in China, von dem Sie sprechen, ist ja wohl inzwischen überall spürbar?
Definitiv! 90 Prozent der weltweiten Flotte an E-Bussen entfällt auf China. Wir hängen im Transportsystem in Deutschland und Europa mittlerweile sehr weit hinterher. 80 Prozent aller Solarmodule und Batterien, jetzt beides einmal zusammengefasst, kommen aus China. Die Volksrepublik macht sich damit auch unabhängiger von Energie aus Drittländern. China ist nicht mehr ein Energieimporteur, sondern will das Land Nummer 1 werden in Sachen Elektrifizierung.
Es ist natürlich ein Paradoxon, dass China weiterhin Spitzenreiter beim Verbrauch von Kohle ist, zugleich aber auch führend in der Elektrik. Beides wächst, wobei die Elektrik und erneuerbare Energien im letzten Jahr stärker gewachsen sind als die Kohleverstromung. Im letzten Jahr sind die CO2-Emissionen in China erstmalig gesunken, obwohl der Energieverbrauch anstieg. Das kann ein Wendepunkt sein.
2027 wird China die „Chinese Sustainability Disclosure Standards“ einführen, also eine eigene Regulatorik basierend auf der CSR-Richtlinie. Das ist ein ganz wesentliches Momentum, weil viele das jetzt kopieren wollen. Wenn die Chinesen uns 2027 fragen, „wie sieht denn eure Lieferkette aus?“, haben wir das Thema wieder auf dem Tisch. Wir schauen nicht nur in die USA oder darauf, was wir in Europa machen, sondern eben auch in den Fernen Osten. Das ist eine wahnsinnig gute Inspirationsquelle.
Wie sieht die Zukunftsstrategie für die Euro Finance Week aus?
Unser Fußabdruck ist aktuell noch zu lokal. Das wollen wir ändern. Deshalb haben wir in diesem Jahr auch mehr englische Programmelemente aufgenommen denn je. In zwei Jahren sollten wir die ganze Woche auf Englisch machen. Wir sind schließlich keine Konferenz für den Finanzplatz Frankfurt, sondern definieren uns als Event für den Finanzstandort Deutschland und sogar ganz Europa. Es gibt sonst keine Veranstalter, die wirklich von Montag bis Freitag eine ganze Woche durchspielen. Dadurch heben wir uns von vielen anderen Formaten ab.

Abschließend: Was sind Ihre persönlichen Eindrücke von China?
Als ich vor 25 Jahren das erste Mal in Beijing war und aus meinem Hotelfenster am Platz des Himmlischen Friedens geschaut habe, gab es eine kleine Spur für Autos und neun Fahrradwege nebeneinander. Das war irre. Dann war ich vier Jahre später noch einmal dort und es gab nur noch drei Fahrradwege und zwei große Autospuren. Vor acht Jahren habe ich noch einmal dasselbe Hotel besucht. Da gab es nur noch eine ganz, ganz kleine Fahrradspur und vier parallele Autospuren. Ich habe diesen Wandel vor Ort miterlebt. Oder ich denke auch an Shanghai, das ich erst dieses Jahr erstmals mit Lucas besucht habe. Eigentlich müssen wir aber nach Shenzhen. Man sagte mir, Shanghai sei dagegen die „Old Lady“. Aber selbst die hat uns ja schon fasziniert. Ein Kollege von uns war kürzlich in Shenzhen, wo all die autonomen Autos fahren. Da sitzen keine Fahrer mehr drin, sondern nur noch Fahrgäste. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, weshalb ich es mir unbedingt einmal mit eigenen Augen anschauen möchte.
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