Pragmatismus statt Protektionismus
Experten fordern EU zu sachlicher China-Handelspolitik auf
Trotz zunehmender Spannungen und Handelskonflikte plädieren Wirtschaftsakteure und Analysten für eine Rückkehr zum Dialog zwischen China und der EU. Wachsende Handelszahlen und neue Großinvestitionen, wie die von Siemens Energy, verdeutlichen die tiefe wirtschaftliche Verflechtung.

Angesichts wachsender Reibungen in den Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und China fordern Marktbeobachter und Wirtschaftsakteure mehr Pragmatismus. Anstatt Konflikte eskalieren zu lassen, sollten die gegenseitigen Abhängigkeiten anerkannt und Differenzen durch Dialog gelöst werden.
Derisking-Strategie der EU und Chinas Reaktion
In den vergangenen Jahren hat die EU ihre Strategie gegenüber China neu ausgerichtet. Unter den Schlagworten „De-Risking“ und „wirtschaftliche Sicherheit“ wurden verschiedene protektionistische Maßnahmen eingeführt, um den Wettbewerb zu steuern.
So verhängte die EU-Kommission beispielsweise Beschränkungen gegen China in strategischen Sektoren wie Halbleitern, dem 5G-Netzausbau und der Elektromobilität. Experten sind der Ansicht, dass diese Maßnahmen diskriminierend sind und die Stabilität globaler Wertschöpfungs- und Lieferketten behindern. Jüngst forderte China die niederländische Regierung auf, eine Verwaltungsanordnung gegen den in den Niederlanden ansässigen, chinesisch geführten Halbleiterhersteller Nexperia zurückzunehmen.
Als Reaktion auf die europäische Handelspolitik hat Beijing eigene Maßnahmen ergriffen, um heimische Industrien zu schützen. Dazu gehören vorläufige Kautionszahlungen auf Importe bestimmter EU-Molkereiprodukte sowie Antidumpingzölle auf Schweinefleisch und dessen Nebenprodukte aus der EU.
Laut Chen Fengying, Forscherin an den China Institutes of Contemporary International Relations, agiert China dabei im Einklang mit nationalen und internationalen Regeln. Sie betont jedoch, dass die gegenseitige Abhängigkeit trotz der Reibungen noch immer besteht. „Die Nachfrage ist komplementär, die Lieferketten sind eng verzahnt“, so Chen. Kooperationspotenzial sieht sie vor allem im Autobau, in der Technologiebranche und in der grünen Energie.
Yan Shaohua, stellvertretender Direktor des Zentrums für chinesisch-europäische Beziehungen an der Fudan-Universität in Shanghai, sieht in den aktuellen Konflikten eher einen schwierigen Anpassungsprozess, der nicht zwangsläufig zu einer Konfrontation führt. Auch Wang Huiyao, Gründer und Präsident des in Beijing ansässigen Zentrums für China und Globalisierung, hält ein „Decoupling“ aufgrund der tiefen Verflechtung für unwahrscheinlich. Zudem spricht er sich für Dialog aus, weil es die einzige Möglichkeit sei, um das globale Wachstum zu stützen und die hohen Kosten des Protektionismus zu begrenzen.
Auch auf europäischer Seite gibt es Befürworter einer engeren Zusammenarbeit. Timo Jaatinen, Staatssekretär im finnischen Ministerium für Wirtschaft und Beschäftigung, erklärte, Finnland begrüße verstärkte Investitionen chinesischer Unternehmen und wolle die Kooperation in der digitalen Wirtschaft und bei grünen Technologien vertiefen.
Konkrete Investitionen und Unternehmensperspektiven
Die nackten Zahlen stützen zudem diese Einschätzung: In den ersten elf Monaten des Jahres 2025 blieb die EU Chinas zweitgrößter Handelspartner. Das bilaterale Handelsvolumen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 5,4 Prozent auf 5,37 Billionen Yuan (ca. 764 Milliarden US-Dollar). Dies entspricht 13 Prozent des gesamten chinesischen Außenhandels.
Unternehmen wie der Sicherheitsschuhhersteller Saina aus dem ostchinesischen Suzhou profitieren direkt von diesen stabilen Beziehungen. Laut Vizepräsidenten des Unternehmens, Pan Shengdao, werden seine Produkte vor allem nach Deutschland, Schweden und in die Niederlande geliefert werden. „Verlässliche Handelsbeziehungen kommt sowohl den Unternehmen als auch den Verbrauchern zugute“, sagte er.
Ein deutliches Zeichen für das anhaltende Engagement europäischer Firmen in China setzte Siemens Energy. Zeitgleich mit dem Start der speziellen Zolloperationen im Freihandelshafen von Hainan eröffnete das Unternehmen dort eine neue Niederlassung und begann mit dem Bau eines Montage- und Servicezentrums für Gasturbinen. Für Jörn Schmücker, Senior Vice President bei Siemens Energy, passt der neue Standort in Danzhou auf Hainan ideal zum Plan des Freihandelshafens, der sich zum neuen Zentrum für Offenheit und internationale Zusammenarbeit entwickeln wollte.











