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13. 06. 2011 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

In fünf Jahren übertrifft Chinas Bruttoinlandsprodukt das der USA - Eine falsche Prognose?

Schlagwörter: China,USA,BIP

Der IWF (Internationale Währungsfonds) hat in seinem jüngsten Bericht zur Weltwirtschaft eine erstaunliche Einschätzung veröffentlicht: China werde 2016 die USA als stärkste Wirtschaftsmacht der Welt ablösen. Der Zeitrahmen sei demnach viel enger gesteckt, als von Experten angenommen. Bisher war man davon ausgegangen, dass die USA ihre Spitzenposition erst nach einigen Jahrzehnten werden abgeben müssen. Glaubt man dem Bericht des IWF, dann wird Chinas Bruttoinlandsprodukt von gegenwärtig 11,2 Billionen US-Dollar bis 2016 auf 19 Billionen US-Dollar ansteigen und dann einen Anteil von 18 Prozent an der Gesamtleistung der Weltwirtschaft haben. Das BIP der USA wird von 15,2 Billionen US-Dollar auf 18,8 Billionen US-Dollar steigen, sein Anteil an der Weltwirtschaft jedoch auf 17,7 Prozent absinken.

Tao Wenzhao, Wissenschaftler am Forschungszentrum für Chinesisch-Amerikanische Beziehungen der Tsinghua Universität, und Chen Fengying, Direktor des Forschungszentrums für Weltwirtschaft beim China Institut of Comtemporary International Relations sind hingegen der Meinung, dass die Grundlage, auf die der IWF seine Berechnung stützt, nicht realistisch sei. Die Feststellung, dass Chinas Volkswirtschaft in fünf Jahren die der USA übertreffen werde, sei wahrscheinlich „voreilig". Gegenüber dieser „Schmeichelei der internationalen Gemeinschaft" solle China kühlen Kopf bewahren.

Um die Leistung von Volkswirtschaften, die unterschiedlichen Währungsräumen angehören, besser miteinander vergleichen zu können, stützt sich das International Comparison Program (ICP) der Weltbank auf eine Berechnungsweise, der die Kaufkraftparitätentheorie (KPP, engl. PPP) zugrunde liegt. Nach dieser Theorie ergibt sich der Wechselkurs zweier Währungen aus der Kaufkraft, die diese Währungen in ihrem Ursprungsland besitzen. Die Theorie setzt die Gültigkeit des Gesetzes vom einheitlichen Preis voraus, wonach Waren und Dienstleistungen überall auf der Welt den gleichen Preis haben, der jedoch in jeweils unterschiedlichen Währungen ausgedrückt wird. Zur Ermittlung des kaufkraftparitätischen Wechselkurses berechnet man, wie viel Einheiten der jeweiligen Währung notwendig sind, um den gleichen Warenkorb zu kaufen, den man für einen US-Dollar in den USA erhalten könnte. Da nach der Kaufkraftparitätentheorie viele Entwicklungsländer unterbewertete Währungen aufweisen, stellt sich ihr Bruttoinlandsprodukt zumeist höher dar als auf der Grundlage offizieller Wechselkurse berechnet.

Im Jahr 2010 lag der durchschnittliche Wert des Renminbi gegenüber dem US-Dollar bei rund 6,77 Yuan. Berechnet nach der Kaufkraftparität beträgt der Wechselkurs jedoch 4,066 Yuan, was einen erheblichen Unterschied macht. Diese abweichenden Werte sind auch der Grund dafür, warum sich nach einigen Berichten das chinesische BIP im vergangenen Jahr auf 5,87 Billionen US-Dollar, nach anderen Berichten hingegen auf zehn Billionen US Dollar belaufen haben soll.

Legt man den aktuellen Wechselkurs zugrunde, nach dem der Renminbi auf dem Devisenmarkt gehandelt wird, so würde sich Chinas BIP im Jahr 2016 auf 11,22 Billionen US-Dollar belaufen, gegenüber den 18,8 Billionen US-Dollar des BIPs der USA. Demnach würde erst um das Jahr 2020 das Bruttoinlandsprodukt Chinas größer sein als das der USA.

Wie sich die Volkswirtschaften Chinas und der USA entwickeln, ist aber nicht nur von deren eigenem Potential abhängig, sondern unterliegt auch dem Einfluss der Weltwirtschaft. Erstens wird die Wirtschaft der USA weiter an Fahrt aufnehmen. Bei guter Belebung in diesem Jahr kann das Wachstum der US-Wirtschaft drei bis 3,5 Prozent erreichen. Das BIP der Vereinigten Staaten kann einen Anteil von 27 Prozent an der Weltwirtschaft erlangen. Gegenwärtig beträgt das BIP Chinas nur ein Drittel des BIPs der USA. China braucht also noch lange Zeit, um die USA einzuholen. Zweitens will China während der Laufzeit des 12. Fünfjahresplans das Wachstumstempo seiner Wirtschaft drosseln. Um Qualität und Struktur der wirtschaftlichen Entwicklung zu verbessern, ist eine jährliche Wachstumsrate um die sieben Prozent anvisiert. China wird also ganz bewusst nicht nach hohem Wachstum jagen. Die hohen Wachstumsraten der Vergangenheit um die 10 oder 11 Prozent sind daher kein Maßstab für die Zukunft. Drittens weist die Weltwirtschaft zahlreiche komplexe Faktoren auf, die Einfluss auf Chinas Wirtschaftsentwicklung nehmen können. So sind Experten allgemein der Meinung, dass es unrealistisch sei, dass China bis zum Jahr 2016 die USA übertreffen könnten.

In den letzten Jahren hat Chinas Wirtschaft ihren Rang in der Welt immer weiter verbessert. Es gibt unzählige Spekulationen darüber, wie und wann Chinas BIP das der USA übersteigen werde, und ob die Wachstumsrate der indischen Wirtschaft diejenige Chinas übertreffen werde. Die Öffentlichkeit betrachtet diese Erwägungen ausgesprochen nüchtern: Nach einer Online-Umfrage von www.huanqiu.com glauben 67,1 Prozent der Befragten nicht an die Prognose des IWFs, wonach Chinas Volkswirtschaft im Jahre 2016 größer sein werde als die der USA. Auf die Frage „Wann wird Chinas Wirtschaft die US-Wirtschaft übertreffen?", gaben 55,3 Prozent der Teilnehmer einen Zeitraum von zwanzig Jahren oder länger an.

China hat die größte Bevölkerung der Welt. Ein relativ großes Gesamtwirtschaftsvolumen ist daher selbstverständlich. Selbst wenn 2016 das BIP Chinas das der USA übertreffen würde, wäre das BIP pro Kopf längst noch nicht so hoch.

Beobachter argwöhnen, dass die Prognose des IWFs in Zusammenhang mit der Veränderung der politischen Großwetterlage steht. Der Aufstieg Chinas erregt Misstrauen, Umfang und Geschwindigkeit dieses Aufstiegs werden oft übertrieben dargestellt. Der Bericht des IWFs kann auch als Aufforderung an die Adresse der chinesischen Führung verstanden werden, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen.

Es ist denkbar, dass Chinas BIP in zehn oder zwanzig Jahren das der USA überschritten haben wird. Aber ein größeres BIP ist nicht gleichbedeutend mit Macht und Einfluss eines Landes. Selbst wenn China über die größte Volkswirtschaft der Welt verfügte, läge das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung noch immer deutlich unter dem der USA. Die Prognose spricht von einem BIP pro Kopf in China im Jahr 2016 in Höhe von 13 720 US-Dollar, während der Vergleichswert der USA 57 330 US-Dollar betragen soll.

Zwar ist die Zukunft von China hoffnungsvoll, aber es lässt sich nicht ignorieren, dass es noch viele Probleme für Chinas wirtschaftliche Entwicklung gibt: Eine große Bevölkerungszahl mit wachsender Alterungsrate, eine immer größere Kluft zwischen Arm und Reich, eine niedrige Effizienz der Industrieproduktion, eine hohe Arbeitslosenquote und die Gefahr der Blasenbildung auf dem Immobilien- und Aktienmarkt. Außerdem herrscht eine Tendenz zur steigenden Arbeitslöhnen und dadurch zu höheren Entstehungskosten. All diese Faktoren werden die künftige Entwicklung der chinesische Wirtschaft beeinflussen.

Quelle: Beijing Rundschau

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