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08. 10. 2011 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
Von Shi, Shiwei
Die deutsche Wirtschaftspolitik ist auf Stabilität ausgerichtet. In der Geschichte der Bundesrepublik stieg die Teuerungsrate des privaten Lebensunterhalts nie über 10 Prozent. Selbst in den 1970er Jahren, wo die Regierung gesamtwirtschaftliche Steuerung gegen die Wirtschaftsschwankungen zu Eigen gemacht hat, wurden die Ziele der Wirtschaftspolitik auf eine Balanz zwischen hohen Beschäftigungsstand, Preisniveaustabilität, ein stetiges und angemessenes Wachstum sowie aussenwirtschaftliches Gleichgewicht bedacht. Unter diesem "magischen Viereck" genoss die Bewahrung des Geldwertes stets höchste Priorität. Diese wirtschaftspolitische Präferenz führt auf die traumatische Erinnerung der Deutschen auf die Hyperinflation in den 1920er Jahren und unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg zurück. Der Preisindex am Ende 1923 ist gegenüber 1921 um Zehnmillionenfache gestiegen. Auf diese Weise wurden die Vermögen der normalen deutschen Bevölkerung total ruiniert.
Ökonomen sind sich einig, dass die Ursache der Inflation darin besteht, dass zuviel Geld im Umlauf gesetzt wird. Die Untersuchung von Hyperinflation hat nachgewiesen, dass die Inflationsrate und das Geldmengenwachstum mit gleichem Tempo wächst. Der Staat hat sich die Notenpresse bedient, um seine Ausgaben (in diesem Falle der Kriegsraparatur) zu finanzieren, welche sie auf anderer Art und Weise (Steuereinnahmen, Kürzungen oder Kreditaufnahme) nicht auftreiben konnte.
Unabhängige Zentralbank. Das Bundesbankgesetz legte das primäre Ziel der Bundesbank als Hüter der Geldwertstabilität fest und schrieb die Unabhängigkeit der Bundesbank bei der Durchführung der Geld- und Währungspolitik von der Bundesregierung vor. Das heisst, dass es streng verboten ist, die Staatsausgaben durch Geldschöpfung der Zentralbank zu finanzieren, also es gibt eine klare Trennung der Geldpolitik von der Finanzpolitik. Nach der Einführung des Euros wurde die Europäische Zentralbank (EZB) nach dem ähnlichen Prinzip errichtet. Dass das Amtsitz der EZB in Frankfurt/M liegt, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bundesbank der EZB als Vorbild dient. Unter dem Drängen der deutschen Bundesregierung haben die Regierungen der Euro-Zone das Stabilitätsziel übernommen und die Obergrenze der Inflation auf 2 Prozent festgelegt. Dieser Standard ist für die neue Gemeinschaftswährung von sehr grosser Bedeutung, denn die Bürger der Euro-Zone müssen zunächst Vertrauen in die neue Währung gewinnen, wenn der Euro so hart wie die DM sein soll. Dies fordert eine anspruchsvolle Politik der EZB heraus.
Die Unabhängigkeit der Notenbank bei ihrer Geldpolitik zu bewahren, ist leichter gesagt als getan. Insbesondere in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten liegt der Regierung die Versuchung nah, durch Lockerung der Geldpolitik ihre fiskalischen Mehrausgaben zu entlasten, die etwa durch ihr Konjunkurprogramm entstanden. Aber ordnungspolitisch ist gerade das Gegenteil richtig. So hat die Bundesregierung nach der Wiedervereinigung Deutschlands eine expansive Finanzpolitik betrieben, um den Wiederaufbau des deutschen Ostens in Bezug auf öffentliche Infrastruktur und Verwaltung sowie Sozialsicherungsnetz zu finanzieren. Im Jahre 1992 betrug deshalb das Budgetdefizit des Bundeshaushalts – 3.2 Prozent. Zur gleichen Zeit hat die Bundesbank aber eine restriktive Geldpolitik durchgeführt: der nominale Refinanzierungszins stieg auf Rekordhöhe von 9.2 Prozent und die Inflationsrate wurde dadurch auf das niedrige Niveau von 5.3 Prozent gedrückt. Wenn die Bundesbank die fiskale Expansion der Bundesregierung flankiert und den Zins niedrig gehalten hätte, dann hätte die Bundesregierung ihre Schulden über Kreditaufnahme auf den Finanzmärkten billiger refinanzieren können. Allerdings wäre die Finanzdisziplin der Regierung nicht mehr angehalten und die Bürger wären mit einer zusätzlichen Inflationssteuer belastet.
Die rekorose unabhängige und zumeist restriktive Geldpolitik der Zentralbanker in Deutschland trat manchmal – wie das obige Beispiel zeigt - auf Unverständnis der Bundesregierung, die andere Ziele verfolgte. Die Zentralbanker blieben jedoch ihrem Prinzip treu und riskierten sogar Konfrontation mit der jeweiligen Regierung. Der jüngste Rücktritt des Präsidenten der deutschen Bundesbank Axel Weber, sowie des Direktoriumsmitglieds und Chefökonom der EZB Jürgen Stark sollte in diesem Licht gesehen werden. Sie wollten die Politik der EZB, die Staatsanleihen von den Krisenländern Griechenland, Italien und Spanien auf den Sekundärmärkten anzukaufen, nicht mittragen, weil sie darin eine Vermengung der Geldpolitik mit der staatlichen Finanzpolitik und damit die Verletzung der Pflicht der EZB als Währungshüter sahen.
Tarifautonomie. Ein anderes Mittel gegen die Inflation in Deutschland ist die Tarifautonomie. Die Lohnfindung wurden durch die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber verhandelt. Die Regierung hält sich da heraus. So wurde einer populistischen Lohnsteigerung des öffentlichen Dienstes (wie z.B. in Griechenland) institutionell ein Riegel geschoben. Dies machte ferner auch die heisse Debatte um den Mindestlohn in Deutschland lange Zeit nicht zum Thema. Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänder in Deutschland verstehen sich als Sozialpartner und sind insbesondere in schwierigen Zeiten zum Kompromiss bereit. Von 1998-2008 sind die Reallöhne in Deutschland fast nicht gestiegen, während sie sich in Frankreich, Polen, Spanien sowie Dänemark im Schnitt um 20-35 Prozent gesteigert haben. Dies machte nicht nur die deutsche Wirtschaft innerhalb der EU wettbewerbsfähiger, sondern drückte auch die Inflation.
Seit den 1980er Jahren war die Inflation in den meisten Ländern der Welt relativ niedrig. Denn die Präferenz für die Stabilität hat sich in der Wirtschaftspolitik weltweit durchgesetzt. In der Folge der Finanzkrise von 2008/09 haben die Regierungen und Zentralbanken vieler Länder durch Bankenrettung und Konjunkturprogramme grosse Summen von Liquiditäten auf die Märkte gebracht. Es droht die Gefahr, dass die seit langem in den Schrank gewiesene Inflation wieder aufflackert und ein Problem für die Weltwirtschaft darstellt. In den EU-Ländern überschritt die Inflationsrate mit 2.5 Prozent die erlaubte Hürde. In China ist der CPI im Juli und August im Jahrevergleich jeweils um 6.5 Prozent und 6.2 Prozent gestiegen, das höchste Niveau seit drei Jahren. Vor allem pumpten die fed der USA mit ihrer QE-Politik und extrem niedrigem Leitzins (0.25 Prozent, zum Vergleich: Leitzins der EZB 1.5 Prozent) viele Gelder in den Verkehr und schürte weltweit der Inflation den Vorschub. In dieser Situation ist es wirklich ratsam, sich auf die Antiinflationsmanier Deutschlands zu besinnen. Manche Kritiker dürften mit ihrem Statement recht haben, dass die Zentralbanker in Deutschland bei der Gestaltung ihrer Geldpolitik zu unflexibel und stur gewesen seien und dies auf Kosten des Wirtschaftswachstums. Man muss allerdings immer die Tatsache vor Auge halten, dass Menschen bei Entscheidungen vor Alternativen stehen. Nichts ist kostenlos zu haben. Bei der ungewissen Zukunft ist die Konstanz der Wirtschaftspolitik ein öffentliches Gut und es stabilisiert die Erwartungen der Wirtschaftsakteure. Das ist auch eines der konstruierenden Prinzipien der marktwirtschaftlichen Konzeption der Ordoliberalen (wie das Primat der Geldpolitik), welche das wirtschaftspolitsche Handeln in Deutschland prägen und leiten.
(Der Autor ist Professor an der Universität für Aussenhandel und Aussenwirtschaft, UIBE)
Quelle: german.china.org.cn
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