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25. 06. 2012 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Chinas Agrarwirtschaft verlangt nach Modernisierung

Schlagwörter: China Landwirtschaft Modernisierung

Im Vergleich zu der Landwirtschaft in den entwickelten Ländern hat die chinesische Agrarwirtschaft noch einen langen Weg vor sich. Für die längst fällige Modernisierung der Landwirtschaft sind Strukturumwandelung und hohe Investitionen erforderlich.

Viele Chinesen kennen den Namen eines amerikanischen Ehepaares, das in der Kleinstadt Muscatine im US-Bundesstaat Iowa am Ufer des Mississippi lebte. Eleanor und Thomas Dvorchak. Vor 27 Jahren hat Xi Jinping, damals Parteisekretär des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Provinz Heibei, zwei Tage bei den Dvorchaks übernachtet. Seinerzeit leitete er eine Delegation, die sich im Mittleren Westen der USA über den neuesten Stand der Landwirtschaft informierte. Auf der Tour wurde Xi Jinping schnell klar, wie hoch das technische Niveau der amerikanischen Landwirtschaft war, insbesondere der Grad ihrer Mechanisierung. Die chinesische Agrarwirtschaft stützte sich damals noch vorwiegend auf die Kraft von Mensch und Tier und war von ihrer Leistungsfähigkeit her nicht im entferntesten mit der amerikanischen zu vergleichen.

Im Februar dieses Jahres hat Xi Jinping, diesmal als Vizepräsident Chinas, erneut die USA besucht. In Muscatine traf er auf alte Bekannte, darunter auch die Dvorchaks, die eigens aus Florida angereist waren, wo sie inzwischen ihr Rentnerleben genießen. Xi Jinping war damals im ehemaligen Kinderzimmer der Familie untergebracht, die beiden Söhne waren ausgezogen, um das College zu besuchen. Einer von ihnen, Mark Dvorchak, ist heute viel in China und anderen Regionen Asiens als Geschäftsmann unterwegs.

Aber auch die chinesische Agrarwirtschaft ist inzwischen erwachsen geworden: Der Getreidebau in den Hauptanbaugebieten ist voll mechanisiert. Agrartechnik findet eine immer weitere Verbreitung. Im Jahr 2011 konnte die Getreideproduktion Chinas zum achten Mal in Folge gesteigert werden.

Aber der Abstand zwischen der chinesischen und der amerikanischen Landwirtschaft ist noch immer riesig. Nach Darstellung des am 13. Mai vom Forschungsinstitut für die Modernisierung Chinas an der Chinesischen Akademie der Naturwissenschaften veröffentlichten "Berichts über die Modernisierung Chinas 2012: Modernisierungsansätze in der Landwirtschaft", hinkt die chinesische Landwirtschaft etwa 100 Jahre hinter der der USA her.

He Chuanqi, Leiter des Instituts, sagt, dass China zwar über die weltweit zweitgrößte Agrarwirtschaft verfügt, die Modernisierung dieses Sektors aber weit hinter der Modernisierung anderer Produktionszweige zurückliege. Der Prozess der Modernisierung des Landes könne nicht als abgeschlossen gelten, solange die Landwirtschaft nicht das gleiche Niveau erreicht habe wie die anderen Sektoren der Volkswirtschaft. Daher ist die Überwindung der Rückständigkeit der agrarischen Produktionstechnik ein wichtiges Thema, das von Regierung und Bevölkerung zunehmend ernst genommen wird.

Weite Kluft

Die Kluft zwischen der chinesischen und der amerikanischen Landwirtschaft bestand vor 27 Jahren eher im Unterschied der Produktionsmittel, heute hingegen klafft sie in der Produktivität. Untersuchungsergebnisse des Instituts für Modernisierung zeigen, dass die Produktivität der chinesischen Landwirtschaft weltweit auf dem 91. Platz liegt und nur etwa 47 Prozent des Durchschnittswertes aller Staaten erreicht.

Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Landwirtschaften schätzt He Chuanqi so ein: "Die Produktivität der Agrarwirtschaft in den Vereinigten Staaten ist neunzigfach höher als die in China, und in Japan und Frankreich ist die Landwirtschaft jeweils hundertmal produktiver als in China. Die Produktivität liegt auch in Brasilien deutlich höher als in China."

Im Klartext heißt das, dass die Arbeit von 90 Bauern in China von einem einzigen Bauern in den USA erledigt werden kann.

Im Jahr 2050 wird die chinesische Bevölkerung auf 1,5 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dann werden rund 780 Millionen Tonnen Getreide und 120 Millionen Tonnen Fleisch gebraucht. Von 2000 bis 2050 wird Chinas Bevölkerungszahl um 180 Millionen wachsen. Die jährliche Nachfrage nach Getreide wird um 300 Millionen Tonnen und die nach Fleisch um 500 Millionen Tonnen steigen. Zugleich aber ist die agrarische Nutzfläche und die Fläche pro Kopf der Bevölkerung, auf der Getreide angebaut wird, im Sinken begriffen.

"Die Nachfrage einer wachsenden Bevölkerung mit höherem Lebensstandard nach Agrarprodukten zu decken, bedeutet sowohl eine große Chance, als auch eine große Herausforderung für die chinesische Landwirtschaft", meint He.

Andere Ansichten

Die bestehende Kluft zwischen der Landwirtschaft in China und der in den USA wird allgemein anerkannt. Über die Weite der Kluft hingegen streiten sich die Experten. Huang Jikun, Leiter des Forschungsinstituts für Agrarpolitik an der Chinesischen Akademie der Naturwissenschaften, sagt, dass ein Vergleich zwischen der chinesischen und der amerikanischen Landwirtschaft allein auf der Grundlage einer Betrachtung der Produktivität in die Irre führt. Man müsse hingegen vor allem die Verfügung über Ressourcen und die natürlichen Bedingungen ins Auge fassen, unter denen in beiden Ländern Landwirtschaft betrieben wird.

Huang meint, dass als sinnvolle Vergleichsgrößen für den Grad der Modernisierung des Agrarsektors auf der ganzen Welt die Technologie, die Ernteerträge pro Flächeneinheit und die Produktivität aller Teilfaktoren herangezogen werden sollten. Auch Produktionskosten und Preisbildung und damit die Betrachtung des komparativen Vorteils sollten nicht außer acht gelassen werden. Vor dem Hintergrund dieser Indikatoren ergibt sich dann ein deutlich differenzierteres Bild, und die Kluft zwischen der chinesischen Landwirtschaft und der in den USA erscheint deutlich geringer. Die Behauptung, die chinesische Landwirtschaft läge Hundert Jahre hinter der in den USA, Japan oder Frankreich zurück, sei stark übertrieben.

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Quelle: Beijing Rundschau

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