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08. 08. 2012 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Vom Fluss zum Rinnsal

Schlagwörter: ausländische Investitionen China

China bleibt weiterhin eines der führenden Zielländer für ausländische Investitionen, aber für ein freundliches Investitionsklima sind weitere Maßnahmen erforderlich.

Ausländische Direktinvestitionen (ADI) in China erreichten 2011 eine Rekordhöhe von 124 Milliarden US-Dollar, womit China nun auf dem zweiten Platz hinter den USA liegt, berichtet der World Investment Report 2012, der im Juli von der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) herausgegeben wurde.

Trotzdem sieht sich China mit einer Verlangsamung des ADI-Wachstums konfrontiert. 2011 lag es im Jahresvergleich bei 8 Prozent, und damit unter dem globalen Wachstum ausländischer Direktinvestitionen (16 Prozent) und dem 11-Prozent-Wachstum der ADI in Entwicklungsländern, so der UNCTAD-Bericht.

Für das laufende Jahr besteht immerhin noch Aussicht, dass sich dieser negative Trend durchbrechen lässt. Von Januar bis Mai 2012 gab es 9261 neu mit ausländischen Geldmitteln gegründete Unternehmen, was im Jahresvergleich einem Rückgang von 12,2 Prozent entspricht. Während dieses Zeitraumes machten die tatsächlich getätigten Direktinvestionen aus dem Ausland 47,11 Milliarden US-Dollar aus, was laut dem chinesischen Handelsministerium (MOFCOM) einen Rückgang um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.

"Die Schwierigkeiten und Unsicherheiten in der Weltwirtschaft behindern China beim Versuch, mehr ausländisches Kapital anzuziehen", sagt Zhan Xiaoning, Direktor der Abteilung für Investitionen und Unternehmen von UNCTAD.

Gründe für den Rückgang

Eine Reihe von Faktoren trügen zum Rückgang von Chinas ADI bei, sagte Wang Chao, stellvertretender Handelsminister, auf einer Pressekonferenz am 10. Juli.

Die anhaltende Schuldenkrise der Eurozone hat der Weltwirtschaft Unsicherheiten und Instabilitäten beschert, was einen der Hauptgründe für den Rückgang von Chinas ADI darstellt. Darüber hinaus genießen Schwellenländer ein schnelleres Wachstum, was dazu führt, dass multinationale Unternehmen ihre Investitionen in Länder wie Indien, Brasilien und Russland verlagern. Steigende Produktionskosten in China sowie begrenzte Bodenressourcen und steigende Löhne seien womöglich der Hauptgrund dafür, dass Investoren sich nach anderen Ländern umsehen würden, um dort ihr Geld gewinnbringender anzulegen, so Wang.

Vier Mitgliedstaaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) – Brunei, Indonesien, Malaysia und Singapur – konnten einen beachtlichen Anstieg an Auslandsinvestitionen verzeichnen. Insgesamt wurde die relative Wettbewerbsfähigkeit von ASEAN in der Fertigungstechnik ausgeweitet, da ostasiatische Länder, insbesondere China, weitere Steigerungen der Löhne und Produktionskosten erfahren haben. Daher würden laut dem UNCTAD-Bericht einige ausländische Niederlassungen aus Chinas Küstenregionen nach Südostasien übersiedeln.

Im Zuge der Turbulenzen der Schuldenkrise haben sich die Zielländer der globalen ADI verändert.

"Global gesehen haben europäische Unternehmen wegen der aktuellen Krise weniger Mittel für Auslandsinvestitionen. Überdies haben die Vereinigten Staaten eine Kampagne gestartet, um US-amerikanisches Kapital abzurufen und den Rückfluss ins eigene Land anzukurbeln. Dadurch sollen Sektoren wie die heimische Fertigungswirtschaft neu belebt werden. US-amerikanische Unternehmen haben während der Schuldenkrise der Eurozone auch ihre Investitionen in Europa erhöht. Schwellenländer wie Indien, Brasilien und Russland sind zu einem neuen Hotspot für das strategische Layout von multinationalen Unternehmen geworden. All diese Elemente haben gemeinsam die Ausrichtung der globalen ADI verändert", so Shen Danyang, Sprecher des MOFCOM.

Bessere Struktur, besseres Klima

Ausländische Direktinvestitionen spielen eine wichtige Rolle dabei, das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten und Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Weil sich der ADI-Fluss langsam zu einem Rinnsal verdünnt, muss China kurzfristig mit einer weiteren Verlangsamung des Wachstums und steigender Arbeitslosigkeit rechnen. Langfristig gesehen sollte man neben dem Kapitalzufluss auch anderen Auswirkungen der ADI mehr Aufmerksamkeit schenken. Dies gelte vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Technologietransfer, Wettbewerb und hinsichtlich der Vorbildfunktion von ausländischen Firmen, die für Chinas Transformation unabdingbar sind. In diesem Sinn sei die Qualität der ausländischen Direktinvestitionen wichtiger als ihre Quantität, so Liang Guoyong, Wirtschaftsdezernent der Abteilung für Investitionen und Unternehmen von UNCTAD.

Um ausländische Investitionen in Hochtechnologie-Unternehmen in Ost-, Zentral- und Westchina zu lenken, sollten mehr Investitionsanreize geschaffen werden, sagt Wang Jinbin, stellvertretender Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Renmin-Universität in Beijing.

In China haben ausländische Direktinvestitionen in Dienstleistungssektoren, wie etwa der Unterhaltungs- und Medienbranche, der Gastronomie und Immobilienwirtschaft, sowie in den Bereichen Handel und Finanzdienstleistungen jene in die Fertigungsindustrie übertroffen. Der Grund dafür findet sich in steigenden Geldströmen in nichtfinanzielle Dienstleistungen und einer Verringerung von ADI in das produzierende Gewerbe. Ausländische Direktinvestitionen in China würden eine Präferenz für den Dienstleistungssektor erkennen lassen, wobei Immobilien-, Handels- und unternehmerische Dienstleistungen die meisten Investitionen akquirieren würden, so der UNCTAD-Bericht.

"Die Tatsache, dass chinesische Dienstleistungssektoren 2011 mehr ausländische Direktinvestitionen angezogen haben als der verarbeitende Sektor, stellt eine Wende für ADI in China dar. In Zukunft wird kontinuierlich mehr ADI in chinesische Dienstleistungssektoren fließen", meint Liang.

"Die Förderung für ausländische Direktinvestitionen von Seiten der Politik sollte sich auf Qualität statt Quantität fokussieren. Mehr Aufmerksamkeit sollte den Hochtechnologiebranchen, den Hauptniederlassungen von multinationalen Unternehmen, Forschung und Entwicklung und auch Markenmanagement geschenkt werden", sagt Liang. "Außerdem sollten wir die Wichtigkeit der Entwicklung des Dienstleistungssektors für den nächsten Schritt von Chinas Wirtschaftswachstum wahrnehmen. Es sollte ein umfassendes System zur Erleichterung ausländischer Direktinvestitionen im Dienstleistungssektor geschaffen werden."

Es sei zu erwarten, dass ADI in der Finanzwirtschaft zunehmen werden, da das Land seine Finanzmärkte weiter öffnet und ausländische Banken, darunter HSBC (Großbritannien) und Citigroup (USA), ihre Präsenz durch Fusionen und Übernahmen sowie organisches Wachstum auszuweiten suchten, so Zhan.

"Die chinesische Regierung wird weiterhin aktiv Maßnahmen ergreifen, um die Nutzung von ausländischen Investitionen zu fördern und auszuweiten. Außerdem sollte die Struktur von ADI optimiert und der Umfang der Nutzung von ADI gesteigert werden", sagt Wang. "ADI-Zuflüsse sollen in expandierende neue Industrien, den modernen Dienstleistungssektor, den hochwertigen Verarbeitungssektor, den Hochtechnologiesektor, in die moderne Landwirtschaft sowie energiesparende und umweltfreundliche Branchen gelenkt werden."

Das Handelsministerium formuliert gegenwärtig gemeinsam mit anderen zuständigen Regierungsstellen einen Industrie-Index für ausländische Investitionen in Zentral- und Westchina. "Wir haben vor, politische Schützenhilfe und stärkere Anreize zu bieten, um ADI in diese Regionen zu leiten", sagt Wang.

Trotz des Rückgangs der ADI erfreut sich China nach wie vor erheblicher Attraktivität für Auslandskapital. "Auf lange Sicht gesehen ist China sehr stark im Tauziehen um ADI", sagt Wang. "China weist ein stabiles politisches, soziales und ökonomisches Umfeld auf. Es hat auch ein enormes Marktpotential. Je näher Unternehmen am Markt sind, umso wahrscheinlicher werden sie Erfolg haben."

Die chinesische Regierung hat auf Hochtouren gearbeitet, um das Investitionsklima zu verbessern, was einen großen Anreiz für internationale Investoren darstellt. Eine Umfrage von UNCTAD zeigt, dass China immer noch als der günstigste Investitionsstandort für multinationale Unternehmen betrachtet wird, was Vertrauen in den chinesischen Markt erkennen lässt.

"Die Reform- und Öffnungspolitik ist eine grundsätzliche politische Vorgabe, und das Anziehen von ausländischem Kapital ist ein wichtiger Bestandteil dieser Politik. Während der letzten drei Jahrzehnte haben wir das Investitionsklima durch verschiedene Projekte ständig verbessert. Dazu zählen zum Beispiel die neunmonatige Kampagne des Staatsrates gegen Produktpiraterie, vereinfachte Genehmigungsverfahren und die Erneuerung von ausländisch investierten Industrieparks", sagt Wang.

"Die chinesische Führung hat wiederholt betont, dass alle legal eingetragenen mit ADI kapitalisierten Firmen in China genauso behandelt werden sollten wie chinesische Unternehmen," sagt Wang. Zudem habe die Zentralregierung seit Jahresbeginn eine Reihe neuer Richtlinien herausgegeben, die darauf abzielten, ein stetiges ADI-Wachstum für 2012 zu gewährleisten.

Quelle: Beijing Rundschau

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