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28. 04. 2014 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
Wie können chinesische Metropolen zu umweltfreundlichen Smart Cities werden? Darüber diskutierten deutsche und chinesische Experten bei der China International Technology Transfer Convention in Beijing.
60 Prozent aller Chinesen sollen bis 2020 nach dem Willen der Regierung in Städten leben. Doch Chinas Metropolen kämpfen jetzt schon mit einer gravierenden Umweltverschmutzung, Verkehrschaos und einer veralteten Müll- und Abwasserentsorgung. Wie lassen sich solche Städte in Smart Cities verwandeln? Auf dem deutsch-chinesischen Forum "Innovative Approaches to Smart City" präsentierten Wissenschaftler und Unternehmensvertreter aus beiden Ländern Projekte und Lösungsansätze.
Eine Smart City bedeute weit mehr als nur die Nutzung intelligenter Informationstechnologie. Dazu gehörten die Senkung der CO2-Emissionen, eine effiziente Nutzung von Ressourcen, "ein modernes Verkehrs- und Transportsystem, soziale Gerechtigkeit und nicht zuletzt Bildung. "Eine Smart City hängt vor allem von 'Smart Citizens ab' ", leitete Jörn Beißert, Wirtschaftsexperte der Deutschen Botschaft in Beijing, das vom Ministerium für Wissenschaft undTechnik und der Beijinger Stadtverwaltung veranstaltete Forum ein. "Jedes Jahr ziehen 10 Millionen Chinesen in die Stadt. Die Herausforderung für die Stadtplanung ist also größer als in anderen Ländern", ergänzte er. Für deutsch-chinesische Kooperationen, die seit 2013 auf dem Boden einer offiziellen Urbanisierungspartnerschaft stehen, sieht er großes Potenzial. "Deutsche Städte sind Vorreiter bei Smart Cities. Mannheim hat mit seinem Stromnetz Zeichen gesetzt. Zurzeit arbeiten Bonn und Chengdu gemeinsam an der CO2-Reduzierung und intelligenten Verkehrslösungen."
Der Schutz von Umwelt und Ressourcen stand anschließend im Mittelpunkt des ersten Forumsteils. Für Beijing ist mit Sicherheit die Bekämpfung der Luftverschmutzung einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur "Intelligenten Stadt". Das Beijing Environmental Protection Science Research Institute gab einen Überblick über die aktuelle Situation und Maßnahmen gegen den Smog. "Die Umweltverschmutzung kommt nicht nur aus Beijing selbst, sondern auch aus Hebei und Tianjin. Hinzukommen ungünstige geografische und meteorologische Bedingungen", erläuterte Nie Lie. Ebenfalls problematisch: Viele Bewohner nutzen kleine Kohleöfen, LKW fahren oft mit Diesel. Das Forschungsinstitut will auf strengere Kontrollen und verbesserte Überwachungstechnologien setzen. Geplant seien Labore zur genaueren Untersuchung der Luftpartikel, tragbare Messgeräte, die Einführung der Euro-VI-Abgasnorm für Nutzfahrzeuge sowie umweltfreundliche Boiler und Dieselmotoren, die moderne Ultra-Low-NOx- und SCR-Technologien zur Reduzierung von Stickoxid-Emissionen nutzen.
Umweltfreundliche Energiegewinnung, nämlich aus Abfällen, war das Thema von zwei weiteren Referenten. 250 Kilo Müll produzierte jeder Chinese 2009, jedes Jahr steigt die Menge um acht bis zehn Prozent. 58 Prozent davon landet auf Mülldeponien, 28 Prozent wird wild entsorgt, 12 Prozent verbrannt und nur 1 Prozent kompostiert. "Wie man aus einer Tonne Müll 200 Prozent mehr Energie macht" betitelte Dieter Schweinsberg, Vorstandsberater bei German Bio Gas, seine Präsentation. "Mülldeponien und Müllverbrennung sind umweltschädlich und von gestern, die biologische Weiterverarbeitung von Müll ist die Technik des 21. Jahrhunderts", so Schweinsberg. Sein Unternehmen realisiert seit einigen Jahren Projekte zur Biogaserzeugung aus Tiermist in Hudian (Provinz Hubei) und Dongying (Provinz Shandong). Auch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) realisiert in deutsch-chinesischer Kooperation ähnliche Anlagen. In Harbin wird mit Hilfe von Mikroben aus Bioabfall Energie erzeugt. "Biomasse könnte in Smart Cities den Kraftstoff für Fahrzeuge liefern", erklärte Projektleiter Volkmar Hasse. Sein Fazit: "Es gibt noch viel zu tun." Die Ziele des 11. Fünfjahresplans seien um 40 Prozent verfehlt worden, 155 Müllverwertungsanlagen nicht wie geplant gebaut worden.
Umweltschutz durch das Internet
Welche Rolle wird die Informationstechnologie in der intelligenten Stadt der Zukunft spielen? Liu Rui, Vizepräsident der China Science MapUniverse Technology Co. Ltd., einen Unternehmen, das sich auf digitale Umweltschutzinformationen spezialisiert hat, zeigte einige Möglichkeiten auf. Neun chinesische Städte sollen laut 12. Fünfjahresplan zu Smart Cities werden, darunter auch Beijing. "Moderne digitale Informationstechnologien werden in der Hauptstadt eine bessere Verkehrssteuerung garantieren, Satelliten und unbemannte Fahrzeuge für ein besseres Umweltmonitoring sorgen", so Liu. Bis 2020 sei zudem der flächendeckende Zugang zum Breitbandinternet geplant, bis 2015 soll auch in den ländlichen Vororten ein Wifi-Zugang sichergestellt sein. "Das ermöglicht den Bewohnern beispielsweise die Teilnahme an einer computergestützten medizinischen Versorgung durch Videokonferenzen oder die digitale Übermittlung von Untersuchungsergebnissen", erläuterte er. Sein Unternehmen hat außerdem mit Weibao eine App entwickelt, die über die aktuelle Luftverschmutzung informiert und mit der Nutzer Umwelttipps und Infos zur Verkehrslage austauschen können.
Das Internet werde in der Smart City auch die technische Steuerung von Wohnhäusern maßgeblich beeinflussen. "Smart Home lautet der Trend", so Peter Becker, verantwortlich für Business Development bei Bosch Thermotechnik China. Das Unternehmen bietet beispielsweise Heizungssteuerungssysteme per Internet oder Handy an, die die Heizaktivität je nach Außentemperatur regeln. "In China wächst die Branche jedes Jahr um 20 Prozent. 2015 wird ein Umsatz von 125 Milliarden Yuan erwartet", berichtete er.
Die Modernisierung der Infrastruktur war Thema des dritten Forumsteils. Zhou Jun, Chefingenieur des Abwasserunternehmens Beijing Drainage Group Co., stellte geplante Verbesserungen bei der Aufbereitung von Abwasser und Regenwasser vor. 2013 managte das Unternehmen, das u.a. mit der TU Berlin kooperiert, Pipelines mit einer Gesamtlänge von 5000 Kilometern und bereitete 788 Millionen Kubikmeter Abwasser auf. 355 Kilometer weitere Leitungen seien geplant. In den Vororten Beijings soll demnächst die Anammox-(Anaerobe Ammonium-Oxidation)Technologie zur Wasseraufbereitung zum Einsatz kommen, ein modernes Verfahren, bei dem spezielle Bakterien schädliche Stickstoffverbindungen beseitigen. Dabei benötigen sie keinen Sauerstoff, verbrauchen aber gleichzeitig umweltschädliches Kohlenstoffdioxid.
Den für China sicherlich ungewöhnlichsten Ansatz präsentierte Kristina Heilemann von der greenKon GmbH, einem Freiburger Unternehmen, das im Bereich Technologie-Transfer im Energie- und Umweltsektor arbeitet. "Sanieren statt Abreißen", lautet ihr Motto für renovierungsbedürftige Häuser, Straßen oder Brücken gleichermaßen, sicher nicht zur Freude jeden Bauträgers. "Anwendbare Technologien existieren bereits. Straßen lassen sich beispielsweise schichtweise ausbessern. Der Verkehr wird weniger behindert, es entsteht weniger Abfall, der in speziellen Säcken entsorgt werden kann. Die Säcke können wiederum als Flutschutz oder Gebäudefundament genutzt werden."
"In China kommt die Zukunft schneller als anderswo"
Die Beiträge hatten es gezeigt: Technologien zur Entwicklung von Smart Cities sind vorhanden. Existiert aber auch die Bereitschaft, sie klug einzusetzen?, lautete die Frage der Abschlussdiskussion. Es fehle vielerorts noch an Aufklärung. Informationsmaterial und Apps, bei denen der Spaßfaktor nicht zu kurz kommt, und vor allem Pilotprojekte könnten Abhilfe schaffen, waren sich die Redner einig. "Selbst führende Politiker haben noch zu wenig Kenntnisse von Smart Cities", erklärte Liu. "Der Schlüssel zur Veränderung sind die Bürgermeister, wenn man sie erreicht, können sie etwas bewegen", lautete der Rat von GIZ-Projektleiter Hasse an deutsche Unternehmen, die ihre Technologien in China vermarkten wollen. Und er wagte abschließend noch eine sehr optimistische Prognose für Smart Cities im Reich der Mitte: "In China kommt die Zukunft schneller als anderswo."
Quelle: Beijing Rundschau
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