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11. 11. 2008 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Internetsucht nicht bloß "schlechte Angewohnheit"

Internetsucht ist in China auf dem Vormarsch. Chinesische Psychologen und Mediziner stufen das Problem neuerdings genauso wie andere Suchtkrankheiten als klinische Krankheit ein.

Angespannt und gereizt, wenn keine Möglichkeit besteht, online zu gehen? Dann wird es Zeit, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn Internetsucht wird mittlerweile als klinische Funktionsstörung und nicht bloß als schlechte Angewohnheit angesehen, wie ein neues Diagnostisches Handbuch zur Internetsucht (IAD), das am Wochenende von Psychologen genehmigt worden ist, besagt. Sich mehr als sechs Stunden pro Tag online, die Zeit zu vertreiben anstatt zu lernen oder zu arbeiten, und Gereiztheit bei der fehlenden Möglichkeit, Internet zu benutzen, wurden als die beiden Hauptsymptome von IAD herausgestellt. Dem Bericht zufolge gehen die Betroffenen hauptsächlich den folgenden Aktivitäten nach: Internetspiele, Internetpornos, exzessive Teilnahme am virtuellen sozialen Netzwerk, übermäßiges Internet-Shopping und generell Internetsurfen.

Das Diagnostische Handbuch wäre das erste seiner Art, sollte das Gesundheitsministerium es offiziell genehmigen, sagte Tao Ran, Mediziner und führender Suchtexperte in China, der den Entwurf des Handbuchs geleitet hat. Es ist höchst wahrscheinlich, dass das Gesundheitsministerium nächstes Jahr grünes Licht zu dem Handbuch gibt, meint Tao. "Wenn dies der Fall ist, wird China zum ersten Land, in dem IAD als klinische Krankheit wie Spielsucht oder Alkoholsucht anerkannt wird", erklärte er am Sonntag gegenüber China Daily. Das Handbuch könnte außerdem Einfluss darauf haben, wie westliche Länder IAD sehen, meint er. Die Amerikanische Vereinigung von Psychiatern debattiert zurzeit darüber, ob IAD in der fünften Ausgabe ihres Diagnostischen und Statistischen Handbuches für Gemütsleiden aufgenommen werden solle, das grundlegende Quelle für die Kategorisierung und Diagnose von Gemütskrankheiten für die Publikation im Jahr 2010, berichten US-Medien.

China hat sich deshalb stark bei der Studie engagiert, weil das Problem in dem Land auf dem Vormarsch ist, so Tao. Rund 10 Prozent der 40 Millionen minderjährigen Internetnutzer in China sind internetsüchtig, wie ein im August vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongress veröffentlichter Bericht besagt. Im letzten Jahr von der Internetmedien-Unternehmens InterActiveCorp durchgeführte Studien belegen außerdem, dass 42 Prozent der befragten chinesischen Jugendlichen "internetsüchtig" seien, im Vergleich zu nur 18 Prozent der Amerikaner. Die Abhängigkeit von der virtuellen Welt hat Berichten zufolge zudem Probleme im wirklichen Leben verursacht. Tao zitierte Zahlen vom Beijinger Amt für Öffentliche Sicherheit, die besagen, dass 76 Prozent der Jugendkriminalität in der Stadt in irgendeiner Weise mit dem Internet in Zusammenhang steht.

"Wir haben größere Probleme auf diesem Gebiet als die westlichen Länder", meint Tao. Doch er ist auch der Ansicht, dass IAD eine heilbare Krankheit sei. Seit 2005 hat das Militär-Krankenhaus Beijing der Befreiungsarmee, in dem Tao arbeitet, über 3000 Internetsüchtige behandelt. Bis zu 80 Prozent von ihnen haben es geschafft, sich nach drei bis sechs Monaten Behandlung von der Krankheit zu befreien, erklärt er. Die Behandlung ist ähnlich zu der anderer Suchtkrankheiten: Die Abgrenzung der Patienten zum Internet mit anschließender psychologischer Beratung und die Ergänzung durch Gruppenaktivitäten zur Sozialisierung in der realen Gesellschaft.

Gao Wenbin, Forscher am Psychologischen Institut der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, erklärt, der Mangel an familiärer Fürsorge, Freunden und Spielen im wahren Leben seien die Hauptursachen der steigenden Zahl der jungen Internetsüchtigen in China. "Die meisten Kinder in China sind Einzelkinder. Sie werden dazu angehalten, fleißig zu lernen, doch niemand kümmert sich wirklich um ihre Bedürfnisse", so Gao.

Quelle: China Daily

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