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01. 07. 2014 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Hongkong am Scheideweg

Schlagwörter: Demokratie-Abstimmung Finanzzentrum Wiedervereinigung

von Dan Steinbock

Einige Hunderttausend Hongkonger haben online abgestimmt, über ihre Smartphones oder in Wahllokalen während der zehn Tage eines Referendums, das am Sonntag zu Ende gegangen ist. Es wurde von der Zentralregierung als illegal eingestuft. Allerdings wurde diese Wahl in einer Art und Weise ausgedacht und durchgeführt, dass Fragen über die politischen Ziele aufgeworfen werden. Die Protestgruppe "Occupy Central" hat den Wählern drei Optionen angeboten, um den künftigen Verwaltungschef über eine Volksabstimmung wählen zu lassen, aber keine dagegen. Außerdem wurden keine externen Beobachter eingesetzt. Darüber hinaus ist in den meisten parlamentarischen Demokratien ein Wahltag üblich, nicht zehn. In der Praxis repräsentiert die Anzahl der Teilnehmer an der "Demokratie-Abstimmung" ein Zehntel der Gesamtbevölkerung von Hongkongs sieben Millionen Einwohnern, also ein Fünftel der registrierten Wähler.

Die wirtschaftliche Integration wird am Fortschritt des Handels, der Investitionen und der Menschen gemessen. Heute ist das Festland Hongkongs größter Export- und Importpartner. Und mehr als 75 Prozent der ausländischen DirektInvestitionen können direkt auf das Festland oder chinesische Überseefirmen zurückgeführt werden. 2013 hat Hongkong 55 Millionen Besucher empfangen; von den 26 Millionen Touristen kamen 67 Prozent vom chinesischen Festland. Durch den Anstieg der Einkommen auf dem Festland ist die Anzahl der Festlandtouristen ständig gewachsen, was auch zu Beschwerden geführt hat. Nichts desto trotz leisten die Festlandtouristen auch einen wesentlichen Beitrag zu Hongkongs Wirtschaft. In der Tat ist dieser Anstieg ein Resultat des Besuchsschemas für Individuen aus dem Jahr 2003, das die Zentralregierung erlassen hat, um Hongkong nach dem Ausbruch von SARS wirtschaftlich zu unterstützen.

Die politischen Kräfte, die es bevorzugen würden, dass das Festland in Hongkong eine kleine oder gar keine Rolle spielen würde, ignorieren die Realität. Ohne das Festland wäre der Handel nur halb so groß, es gäbe um ein Viertel weniger ausländische Investitionen und Besucher, und die Insel hätte nur ein Zehntel der derzeitigen Wasser- und Lebensmittelvorräte zur Verfügung. Eine kleine Minderheit in Hongkong kann einen solchen Weg als politisch wünschenswert betrachten. Doch die meisten sehen darin einen wirtschaftlichen Albtraum. 2013 haben pro-demokratische Kräfte an Protestmärschen in Hongkong teilgenommen, viele Demonstranten haben dabei die frühere britische Kolonialflagge von Hongkong geschwenkt. Diese unangebrachte Kolonialnostalgie wurde begleitet von Diskriminierung gegen Festlandchinesen, wobei es sogar zu einem bösartigen Mobbing gekommen ist.

Die politische Ironie ist erschütternd. Als Hongkong von 1841 bis 1997 unter britischer Verwaltung stand, hat Großbritannien die Demokratie nicht gefördert. Das begann erst kurz vor und speziell nach der Wiedervereinigung. Der Unterschied beim durchschnittlichen Lebensstandard ist sogar noch deutlicher. Mit dem Start der Reform- und Öffnungspolitik im Zuge der Wiedervereinigung hat sich das Einkommensniveau in Hongkong vervierfacht. 1980 lagen die Einkommen 40 Prozent unter jenen in Großbritannien, 1997 waren sie um 15 Prozent höher. Das Wachstum ist nicht automatisch gekommen. Mitten während des Prozesses der Übergabe hat die asiatische Finanzkrise zu einem Sprung bei den Immobilienpreisen in Hongkong geführt. Doch im Jahr 1998 hat der damalige chinesische Premier Zhu Rongji versprochen, dass die Zentralregierung Hongkong "unter allen Umständen" beschützen würde. Und als die Zentralregierung Anleihen und Aktien aufgekauft hat, wurden die Spekulationen zurückgedrängt.

Bis zur globalen Finanzkrise 2008/9 war das Rekordwachstum in Hongkong gleichmäßig stark, dank des friedlichen Übergangs, der die Stabilität gesichert hat, dank Chinas Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation 2001, die den Handel und die Investitionen befeuert hat, und dank Hongkongs Stärke als Finanzstandort für chinesische Firmen und Investoren. Doch ohne das Festland wäre der Lebensstandard in Hongkong viel niedriger. Hongkongs führende Businessmanager glauben, dass ihre geliebte Stadt ihren Geist verliert. So warnte unter anderem der Top-Banker Joseph Yam Chi-kwong davor, dass die Stadt ihren Status als Chinas Top-Finanzzentrum verlieren könnte, wenn die politischen Entwicklungen die bisherigen Fortschritte untergraben würden. Was Hongkong daher braucht, ist eine nachhaltige, beständige politische Entwicklung, eine adäquate Sozialpolitik und weitere wirtschaftliche Integration.

Der Autor ist wissenschaftlicher Leiter für internationales Business am Indien-China-USA Institut und Gastprofessor am Shanghaier Institut für internationale Studien (China) und dem EU-Zentrum (Singapur).

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Quelle: german.china.org.cn

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