Sprach- und Kulturaustausch
Seidenstraßen-Initiative und Konfuzius-Institute im entstehenden interkulturellen Dialog Exklusiv
Von Lutz Marten, London
Der Welthandel ist älter, als die gegenwärtige Globalisierungsdebatte es manchmal vermuten lässt. Die Seidenstraße verbindet seit Jahrhunderten China, Zentralasien, und Europa. Meereswege haben schon immer Menschen und Kontinente zueinander gebracht: Malagassi, die Sprache der afrikanischen Insel Madagaskar, ist eine austronesische Sprache, eng verwandt mit den Sprachen des Pazifik, und somit ein Beispiel für den lange bestehenden maritimen Kontakt zwischen diesen Weltregionen. Die neue außenpolitische Initiative der chinesischen Regierung "One Belt, One Road" ("ein Gürtel, eine Straße") baut durch den bildhaften Gebrauch eines transozeanischen Gürtels und einer transkontinentalen Straße symbolisch auf diese Traditionen auf. Der Verbesserung der Infrastruktur durch den Bau von Straßen, Eisenbahnen, Seehäfen und Flughäfen soll der verstärkte Austausch nicht nur von Waren, sondern auch von Gedanken, Wörtern und Ideen folgen. Der geographische Raum, der in diese Initiative eingebunden ist, reicht von Afrika und Europa über den nahen Osten, Zentral- und Ost- bis nach Südostasien. Es ist ein an sprachlicher und kultureller Vielfalt kaum zu überbietendes Gebiet.
Bei dem One Belt, One Road-Projekt handelt es sich hauptsächlich um einen, erst einmal wirtschaftlichen, dann aber eben auch kulturellen Austausch zwischen mehreren Partnern. Und Austausch ist per definitionem immer miteinander und gegenseitig, so dass alle Teilnehmenden durch den Austausch bereichert werden – im kommerziellen wie auch im intellektuellen Sinne. Die Seidenstraße, um noch einmal auf eines der historischen Vorbilder des One Belt, One Road-Projekts zurück zu kommen, war über Jahrhunderte erfolgreich, weil neue kulturelle, soziale und religiöse Ideen an beiden Enden der Straße, in Europa und Asien, sowie an den Zwischenstationen durch Innovation wirtschaftlicher und kultureller Entwicklung Wirkung zeigten. Die kulturelle Aufgabe des One Belt, One Road-Projekts ist es somit, einen gleichwertigen Dialog aufzubauen, bei welchem die beteiligten Kulturen zu einer gegenseitigen Bereicherung und regem Austausch beitragen. Es liegt somit nahe, aufgrund des sprach- und kulturgeschichtlichen Hintergrunds der Regionen, die in das One Belt, One Road-Projekt Region eingebunden sind, in diesen Dialog vor allem auch Mehrsprachigkeit und Interkulturalität einzubeziehen. Konfuzius-Institute können in dieser neuen Entwicklung eine zentrale Rolle spielen.
Seit der Gründung der ersten Konfuzius-Institute am Anfang dieses Jahrtausends besteht deren Hauptanliegen vor allem darin, die chinesische Sprache und Kultur einer weiten Gruppe von Lernenden nahezubringen. Zur den normalen Aktivitäten eines Konfuzius-Instituts gehören so vor allem Sprachunterricht, aber auch kulturelle Veranstaltungen, wie etwa Kalligraphie-Workshops, Tanz- und Musikdarbietungen, oder Festivitäten zum chinesischen Neujahr. Seit einigen Jahren hat sich allerdings der Wirkungsrahmen der Konfuzius-Institute erweitert, und vermehrt werden auch wissenschaftliche Arbeit und Forschung zu chinesischer Sprache und Kultur unterstützt. Besonders mit dem neuen Interesse der Konfuzius-Institute an dem One Belt, One Road-Projekt ergibt sich die Chance, das Selbstverständnis der Institute ein weiteres Mal in einem neuen Rahmen zu justieren. Sie bringen nicht nur chinesische Sprache und Kultur in die One Belt, One Road-Region, sondern können auch zur Förderung, Erforschung und Verbreitung der weiteren Sprachen und Kulturen der Region beitragen, im akademischen Kontext auch im Rahmen von relevanten Sprach- und Regionalwissenschaften. Dies würde z.B. zum weiteren Verständnis von Weltsprachen wie Hindi, Indonesisch oder Swahili in China beitragen, aber auch zur besseren Unterstützung von Minoritätssprachen wie sie sowohl in China als auch in der gesamten One Belt, One Road-Region zu finden sind. Die kulturellen Aspekte, die mit dem One Belt, One Road-Projekt verbunden sind, waren ein herausragender Bestandteil der 11. Internationalen Konferenz der Konfuzius-Institute, die im Dezember 2016 in Kunming stattfand.
Eine solche Umorientierung würde natürlich die Aufgabe und Rolle der Konfuzius-Institute verändern. Aber eine solche Veränderung wäre eine angemessene Reaktion auf veränderte Zeiten, in denen Chinas Außen- und Kulturpolitik nicht mehr so sehr auf den Aufbau des weiten Verständnisses der eigenen Sprache und Kultur bedacht ist, sondern in welcher China vielmehr einen politischen und kulturellen Führungsanspruch stellt, für den das One Belt, One Road-Projekt vielleicht das beste Beispiel ist. Um erfolgreich zu sein, muss dieser Führungsanspruch jedoch von einer inklusiven, toleranten, und verständnisvollen Kulturpolitikuntermauert werden, deren Fokus sowohl auf chinesischer Sprache und Kultur, als auch auf den Sprachen und Kulturen der Welt liegen muss.
Der Autor ist Dekan der Fakultät für Sprachen und Kulturen an der Londoner SOAS (School of Oriental and African Studies) und Kodirektor des Londoner Konfuzius Instituts.