Yue-Sai Kan ist eine Avantgardistin. Ihre Fernsehserie One World von 1986, mit der sie sich einen Namen machte, war die erste Serie, die für das chinesische Publikum ein Fenster nach Außen öffnete. Als halbchinesische Amerikanerin war sie außerdem eine der ersten Ausländerinnen, die ein Fernsehprogramm auf dem chinesischen Festland moderierte. Sie wurde mit Oprah Winfrey verglichen, doch während Oprah sich mit einem Publikum von 30 Millionen Zuschauern begnügen muss, hatte Kan 300 Millionen chinesische Zuschauer pro Woche.

Doch damit nicht genug. Kan wurde die allererste weibliche Unternehmerin in China und war Vorbild für Lifestyle und Mode für andere chinesische Frauen. "Der Markt ist selten für offen für etwas, man selbst muss ihn öffnen. Es ist nicht einfach, aber man öffnet eine völlig neue Welt für die Kunden; man bringt sie zu einem neuen Verständnis über sich selbst", erklärt sie gegenüber Shanghai Daily in einem kürzlich abgehaltenen Interview.

Die Welt, die sie für die chinesischen Kunden geöffnet hat, bot im Jahr 1992 mit "Yue-Sai Cosmetics" Kosmetika, im Jahr 2004 mit "House of Yue-Sai" Einrichtung, danach zwei Benimmanleitungen und im Jahr 1999 brachte sie sogar eine Yue-Sai-Puppe heraus, so dass "chinesische Mädchen eine schwarzäugige, schwarzhaarige Puppe haben können."

Yue-Sai beschreibt sich selbst als eine Amerikanerin, die nach China übergesiedelt ist. Sie ist in Guilin in China geboren, in Hong Kong aufgewachsen und kam dann in die USA, um an der Universität Hawaii zu studieren. Sie ist amerikanische Staatsbürgerin, doch die meisten ihrer Durchbrüche hat sie in China vollbracht.

Wenn auch Kan's Wurzeln chinesisch sind, führt sie einige sehr amerikanische, individualistische Philosophien durch ihre Produkte ein. "Man mag vielleicht denken, Kosmetika seien unwichtig, aber ich habe Kosmetika als Mittel eingeführt, mit dem sich Frauen selbstbewusster, schöner und moderner fühlen – das ist sehr wichtig. Eine moderne Frau ist eine Frau, die neue Konzepte annimmt, und die Welt ist offen für Dich, Du hast das Leben in Deinen Händen", meint Kan.

Ihr geschäftlicher Erfolg basiert auf dem außergewöhnlichen persönlichen Ruhm, den sie als Fernseh-Moderatorin erlangt hat - "Yue-Sai" hatte als Marke Erfolg, weil sie bereits in aller Munde in China bekannt war.

In ihrem roten Kleid, mit rotem Lippenstift und roten Ohrringen beim Interview strahlt sie einen unangreifbaren, glänzenden Zauber in der Star-Welt aus. Mitte der 1980er Jahre, in denen chinesische Frauen immer noch düstere Farben und altmodische Designs trugen, trat Kan im Fernsehen in amerikanischen Kostümen mit Schulterpolstern, hellem roten Lippenstift und modischer Frisur auf.

"Yue-Sai" wurde eine Lifestyle-Ikone, was den Grundstein für ihren Geschäftserfolg legte. Seit 1989 konzentriert sich Yue-Sai auf ihre Geschäfte in China. Doch sie meint, Geschäfte zu machen sei nicht leicht, insbesondere in der sich in der Entwicklung befindenden Geschäftswelt in China.

Yue-Sai heiratete in den 1990er Jahren einen amerikanischen Geschäftmann, doch ließ sich scheiden und lebt seitdem allein. Dies gibt ihr die Freiheit und die Zeit, ihren Geschäften nachzugehen. "Ich genieße meine Freiheit sehr. Kinder hat man für immer, und manchmal eben auch Ehemänner", lacht sie schelmisch.

Kan verdankt ihren Ruhm und den Erfolg ihrer Marke einer großen Portion Glück, und ihre Neigung zur "Berühmtheit" zeigt, dass sie das besser als jeder andere weiß. Unter der glanzvollen Schale verbirgt sich eine Person, die gekämpft hat, aus der bloßen Berühmtheit herauszukommen und etwas Längerfristiges aufzubauen. Zunächst äußerte sich dies in Form von Business, doch sie hat größeren Ehrgeiz für ihre Marke.

"Wenn eine Marke erfolgreich ist, steht sie nicht mehr in Zusammenhang mit der Person, die sie ins Leben gerufen hat. Beispielsweise ist Christian Dior seit Jahren tot, aber die Marke lebt weiter. Das ist der Unterscheid zwischen einer Berühmtheit und einer Marke. Das ist mein Traum."

Sie reflektiert ihren eigenen Ruhm. "Ich empfinde mich nicht als Berühmtheit, sondern als Geschäftsfrau, die halt berühmt ist. Ich kenne so viele Berühmtheiten, die sich elend fühlen. Ich fühle mich selbst nicht als Star...Glück hat nichts mit Ruhm zu tun, sondern damit, auszuleben, was man mag, und dafür von den Menschen geschätzt zu werden."