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04. 02. 2010 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Neumeier, Chopin und Marguerite: "Die Kameliendame" zu Gast in Beijing

von Till Wöhler, Beijing

Der weltbekannte Choreograf John Neumeier und sein Hamburger Ballett bringen zurzeit die Kameliendame nach China. Das multinationale Ballettensemble ist mit drei Besetzungen in Beijing, zu denen auch der Chinese Chen Daoyuan zählt.

Joëlle Boulogne in der Rolle der Marguerite
Das weltberühmte Drama "Die Kameliendame" von Alexandre Dumas wurde bereits mehrfach adaptiert – als Film, Oper und Schauspiel. John Neumeier, Ballet-Veteran und Grandseigneur der Choreografie, hat es verstanden, Geschichte und Gegenwart bei seiner Dumas-Interpretation, die bereits in den 1970er Jahren entstand, zu verschmelzen: So bewegt sich dessen Protagonistin Marguerite, die Kleider im Stil des 19. Jahrhunderts trägt, in der Art des 20. Jahrhunderts. Neumeier hat seine Werk immer wieder überarbeitet und verbessert, wissend, dass Kunst sich immer wieder erneuern muss: "Wenn jetzt etwas neues entsteht, dann geht die Kunst weiter." Sein Credo erinnert an das des Komponisten Gustav Mahler, einen der vielen Wegbereiter der Moderne: "Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."

Spätestens seit den 1950er Jahren dreht sich Ballet nicht mehr um spektakuläre Bühnensets oder eine Kürvorstellung der technischen Fähigkeiten der Tänzer, sondern um das lebhafte Darstellen von Charakteren oder Geschichten mittels der Körpersprache. Und auch Neumeier transportiert die dramatische Geschichte der Protagonistin Marguerite mehr durch Gebärden und Tanz denn durch Worte. Auf diese Weise führt er die Tradition des dramatischen Balletts John Crankos weiter, unter dessen Ägide er einst selbst in Stuttgart tanzte. Er entwickelt sie aber auch weiter. Neumeier verwendet nicht Verdis Opernsymphonie, um seine Kameliendame musikalisch zu begleiten. Er setzt auf eine Auswahl von Werken Frederic Chopins. Warum? Weil ihn Chopins lebenslanger Kampf mit Krankheiten trotz eines Luxusleben in Paris enorm an die Situation der Marguerite erinnert.

Das Ballett beginnt mit dem Ende. "In aller Stille", worauf Neumeier besteht. Marguerite ist gestorben, ihre Wohnung wird von Bediensteten (hier bestehend aus chinesischen Statisten) ausgeräumt. Armand stürzt in die Szene und steht vor den Trümmern seiner Liebe und seines Lebens. Drei eindrückliche Pas de deux spiegeln im Rückblick die Höhen und Tiefen der Liebe zwischen Armand und Marguerite wider. Die verschiedenen Szenen der Zweisamkeit der Liebenden sind unglaublich zart und intim gezeichnet. Das Gefühl, den beiden nahe zu sein, wechselt sich ab mit dem merkwürdigen Gefühl, heimlich "durch das Schlüsselloch" zu spähen.

Im zweiten Akt wird Marguerite von Armands Vater gedrängt, seinen Sohn zu verlassen. Für den ungeübten Beobachter wirkt der etwas zu jugendlich aussehende "Vater" allerdings eher wie ein Nebenbuhler Armands. Hier hätte ein bisschen mehr Maske oder ein "reiferer" Tänzer Wunder wirken können. Nichtsdestoweniger stellt Armands anschließender Solotanz seine Verzweiflung und Schmerz eindrücklich bis tränenrührend dar, wie auch einige chinesische Kritiker bekennen.

Besonders launig und frisch bleibt die Szene im Park in Erinnerung, die ihren Outdoor-Charakter einfach, aber überzeugend vermittelt: Ein Live-Pianist mit Strohhut, der Tänze von Chopin spielt, spärliche Gartenmöbel und ausgelassene Tänzer in Sommerkleidern.

Neumeier schafft es nicht nur, den Zuschauer auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle mitzunehmen, sondern auch verschiedene Erzählstränge zeitgleich zu überblenden. Nicht zuletzt das, sondern auch die westlich-abstrakten Bühnenbilder im Sinne der Moderne haben offenbar die Sehgewohnheiten einiger chinesischer Kritiker herausgefordert. "Das Bühnenbild ist aber sehr schlicht." Und: "Das verstehe ich nicht. Haben die Haupttänzer nun gewechselt?" hörte man einige verblüfft während der Generalprobe sagen. Vielleicht kann das einen Anstoß auch für das chinesische Theater bringen.

Die Kameliendame, präsentiert vom Hamburg Ballet. Vorstellungen vom 3.-6. und 8-9. Februar im National Centre For the Performing Arts ("das Ei"), Karten kosten 180-1080 Yuan. Tickets unter http://en.piao.com.cn/beijing/ticket_3046.html

Quelle: german.china.org.cn

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