Home Aktuelles
Multimedia
Service
Themenarchiv
Community
Home>Kultur Schriftgröße: klein mittel groß
13. 08. 2010 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Komponistin verschmelzt östliche und westliche Musik

Seit ihrer Zeit als Teenager hat die sino-amerikanische Komponistin Chen Yi davon geträumt, einmal der ganzen Welt die traditionelle chinesische Musik vorzustellen. Inzwischen ist genau dies ein wichtiger Bestandteil ihrer langjährigen Karriere als Musikerin geworden.

Chen Yi mit dem Schweizer Dirigenten Charles Dutoit bei einer Orchesterprobe.


Die Liste der Orchester, welche die Arbeiten der 57-jährigen Komponistin aus Guangzhou aufführten, ist lang. Darunter befinden sich das Amerikanische Komponistenorchester, das Österreichische Radiosymphonieorchester, die BBC-Philharmoniker und das Nationale Symphonieorchester Chinas. Chen war die erste Frau in China, die einen Mastertitel im Fachbereich Komposition erhielt. Inzwischen ist sie ein Mitglied der Amerikanischen Akademie für Kunst und Wissenschaften. "Ich habe immer geglaubt, dass ich meine tiefsten Gedanken, die in meiner eigenen Kultur verwurzelt sind, vor einem internationalen Publikum zum Ausdruck bringen kann. Musik ist universell und wir sollten sie nutzen, um eine Brücke des Verstehens zu bauen", sagte Chen in der vergangenen Woche in Beijing zur Tageszeitung Global Times.

Chen war eingeladen worden, um bei der 29. Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Musikunterricht zu sprechen. Den in Beijing stattfindenden Anlass besuchten mehr als 7000 Musiker aus 90 Ländern. Chens Rede "Die Reise meiner Musik in die Welt" zog rund 3000 Zuhörer an, obwohl es bei der Konferenz auch andere konkurrierende Anlässe gab.. Chens 90-minütige Präsentation ihrer Musiktheorie wurde gut aufgenommen. Viele der Zuschauer bleiben am Ende länger, um sich mit ihr zu treffen. "Ich liebe Chens Musik, weil sie so leidenschaftlich ist. Sie kommt aus dem Herzen und sie ist harmonisch", sagte etwa die kanadische Musiklehrerin Aleksandra Hoek, die sich durch die Menge gekämpft hatte, um von Chen ein Autogramm zu erhalten. "Es ist eine Brücke zwischen den Traditionen und sie spricht alle von uns an." Gunnar Heiling vom Organisationskomitee des Anlasses meinte: "Ihre Musik ist fantastisch und eine perfekte Kombination von Ost und West." Sie hatte Chen höchst persönlich eingeladen, auf der Konferenz zu sprechen

Chen erklärte, dass die Inspiration zu ihren Stücken hauptsächlich von der chinesischen Musik stammt, die sie dann in ein internationales Format übersetzt. "Ich schreibe gemäß den Regeln der westlichen Orchestermusik. Wenn also ein Orchester eines meiner Stücke aufführt, können die Zuschauer die Musik und die Bilder hinter ihr verstehen", sagte sie. Chen fügte hinzu, dass chinesische Musik eine Reihe von einzigartigen Klängen kennt wie etwa Glissandi (gleitende Veränderungen der Tonhöhe) und Vorschlagsnoten, die normalerweise in der klassischen westlichen Musik nicht gefunden werden. "Doch wenn es gelingt, ihren Geschmack, ihren Charme und ihre Artikulation zu imitieren, dann kann man den westlichen Instrumenten mit ihrer Hilfe eine ganz neue Stimme geben." Ein Beispiel dafür ist Chens Werk für Sopran, Violine und Cello mit dem Titel "As in a Dream" aus dem Jahre 1989, das sogar seinen Weg in einen polnischen Dokumentarfilm der Internationalen Gesellschaft für zeitgenössische Musik fand. Chen war eine der 20 Komponisten aus 20 Ländern, deren Arbeiten in dem Film vorgestellt wurden. "Ich benutze Geigen und Cellos, um die chinesischen Zimbels zu imitieren, welche der Guqin ähneln. Die Musik wurde für ein chinesisches Gedicht mit dem gleichen Namen aus der Song-Dynastie geschrieben."

Chen wurde in eine musikalische Familie geboren. Ihre Eltern, beide Ärzte, brachten sie früh in Kontakt mit Mozart und schickten sie bereits im Alter von drei Jahren in private Klavierstunden."Ich erinnere mich, dass wir in meiner Kindheit zahlreiche Schallplatten mit klassischer Musik hatten", sagte Chen. "Ich hörte sie mir den ganzen Tag lang an. Ich träumte davon, einmal wie diese Komponisten zu werden. Damals hatte ich keine Ahnung, dass sie alle Weiße waren, die längst tot sind." Doch die Tage, als Chen sich bei der Musik Mozarts treiben lassen konnte, nahmen mit dem Beginn der Kulturrevolution (1966-76) ein jähes Ende: Schulen wurden geschlossen und Familien auseinandergerissen. Chen hatte Glück: Sie konnte es lange Jahre vermeiden, aufs Land geschickt zu werden. Erst im Alter von 15 Jahren musste sie ihre Geige packen. Nun durfte sie ihre Hände nicht mehr benutzen, um Bach und Mozart zu üben, sondern nur noch, um Reis und Gemüse zu pflanzen. Das Leben sei zwar hart gewesen, doch habe sie dank dieser schweren Periode die traditionelle chinesische Musik kennengelernt. "Ich realisierte, dass ich zwar die gleiche Sprache wie die Bauern redete, doch sobald ich etwas in Musik übersetzte, gab es kein Verstehen mehr. Ich erkannte, dass Mozart nicht meine eigene Ausdrucksform ist", sagte sie. "Von diesem Zeitpunkt an war mir klar, dass ich mehr darüber lernen muss, wie ich östliche und westliche Musik auf natürliche Weise zusammenbringen kann."

Im Alter von 17 fand Chen ihre erste Stelle im Orchester der Beijinger Operntruppe in Guangzhou. Damit begann ihre Karriere als Komponistin. "Eigentlich war ich als Violistin eingestellt worden. Doch gab es zu jenem Zeitpunkt keinen einzigen Komponisten, da alle Intellektuellen aufs Land geschickt worden waren", sagte Chen. "Doch ein Orchester braucht Musik und Kompositionen. Deswegen forderten sie mich auf, neue Produktionen zu schreiben. Auf diese Weise wurde ich Komponistin." Als 1978 höhere Ausbildungen wieder zugelassen wurden, schreib sich Chen am zentralen Musikkonservatorium ein. Später erlangte sie an der amerikanischen Columbia Universität noch den Doktortitel im Fach Komposition. 1999 wurde sie schließlich als Professorin an die University of Missouri in Kansas City berufen – eine Stelle, die sie bis heute inne hat. Chen schrieb inzwischen für zahlreiche US-Orchester und gewann mehrere Preise, darunter auch den renommierten Charles Ives Living Award (2001) von der American Academy of Arts and Letters, bei dem Komponisten drei Jahre lang jährlich 75.000 Dollar erhalten. Chen war die erste chinesische Komponistin, welche den Preis je gewann.

In ihrer Funktion als Professorin sagt Chen, dass sie ihre Schüler ständig ermutigt, die Stimme ihrer Wurzeln und ihres Hintergrunds zu finden, egal woher sie kommen. "Wenn jemand mit seiner eigenen Sprache spricht, kann er das, was er anderen mitteilen will, kraftvoller übermitteln."

Quelle: Global Times

Druckversion | Artikel versenden | Kommentar | Leserbrief | zu Favoriten hinzufügen | Korrektur

Kommentar schreiben
Kommentar
Ihr Name
Kommentare
Keine Kommentare.
mehr