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12. 11. 2010 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
von Oliver Zwahlen, Guangzhou
Die 33-jährige Düsseldorfer Thomas Korytko ist vor einigen Wochen Chef des Informationszentrums des DAAD in Guangzhou geworden. Die Entscheidung, für eine längere Zeit nach China auszuwandern, fiel ihm nicht leicht.
Nachdem der Literaturwissenschaftler Thomas Korytko (33) lange Jahre in Guangzhou Deutsch unterrichtet hatte, ist er vor einigen Wochen Chef des Informationszentrums des DAAD in Guangzhou geworden.
Thomas Korytko trägt ein blaues Hemd. Die Ärmel sind trotz der Hitze nicht zurückgerollt. An der Wand hängen Plakate, die für den Studienort Deutschland werben. Wir befinden uns in einem kleinen Nebenzimmer an der renommierten Sun Yat Sen Universität in der südchinesischen Stadt Guangzhou. Hier hat der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ein Büro, wo sich chinesische Germanistikstudenten informieren können, wenn sie in Deutschland studieren wollen. Korytko ist seit einigen Wochen Leiter der Stelle.
"Meine Wege nach China waren verschlungen", verrät der 33-jährige Düsseldorfer, der seit über fünf Jahren in China lebt. Dass er einmal Deutsch unterrichten wollte, war schon früh klar. Deswegen hatte er sich auch für das Studienfach Deutsch als Fremdsprache eingeschrieben. Doch der Rest ist Zufall: "Um wieder in die Rolle eines Sprachlernenden zu schlüpfen, mussten wir bei unserer Ausbildung eine neue Sprache lernen. In jenem Jahr war das gerade Chinesisch." Ein wirklicher "Chinafan" sei er jedoch erst geworden, nachdem er vor zehn Jahren zum ersten Mal als Tourist China bereist hatte. "Ich begann mich für alles zu interessieren, was mit China zu tun hat – leider etwas mehr fürs Essen als für die Sprache", scherzt Korytko. Kurz nach dem Studium stieß der nun ausgebildete Sprachlehrer auf das DAAD-Sprachassistentenprogramm. "Ich habe mich dort beworben und schon beim Auswahlverfahren wurde ich gefragt, ob ich in Guangzhou Lektor werden wollte. Ein paar Tage später war ich es."
Die Entscheidung, für eine längere Zeit nach China auszuwandern, fiel ihm nicht leicht. "Eigentlich hatten meine Frau und ich ausgemacht, dass ich nur ein Jahr nach China gehe, doch für die Stelle musste ich mich für mindestens zwei Jahre verpflichten." Geblieben ist Korytko dann allerdings viel länger. Auch seine Frau zog mittlerweile nach China und unterrichtet an einer chinesischen Hochschule. Vor wenigen Monaten war schließlich die Maximalfrist erreicht, die ein DAAD-Lektor auf einer Stelle erbringen kann. Denn damit die Lektoren das Gastland nicht zu sehr in sich aufsaugen und vergessen, wie Deutschland eigentlich ist, müssen sie nach fünf Jahren für mindestens zwei Jahre wieder in die Heimat zurückkehren. Korytko hatte sich schon darauf vorbereitet, die Koffer packen zu müssen, als es beim DAAD kurzfristig eine Vakanz zu füllen gab: Seine jetzige Position.
Korytko ist vom Wandel angetan, den Guangzhou in den vergangenen fünf Jahren durchlebt hat. „Die Stadt hat ihr Gesicht in der Zeit stark verändert. Sie ist sehr viel multinationaler und multikultureller geworden.“ Vor allem im Vorfeld der Asienspiele habe sich viel verändert. "Das Leben hier ist angenehmer als noch vor fünf Jahren. Dadurch geht allerdings auch etwas von der Spannung verloren."
Als Lektor ist Korytko immer wieder mit den vagen Vorstellungen von Deutschland konfrontiert "Die Zielkultur ist weit weg. Da hört man Dinge wie: In Hollywood gibt’s viele Komödien, dort ist es immer lustig. Aber aus Deutschland sieht man immer nur Kriegsfilme…" Korytko schmunzelt. Ein anderes Problem sei, dass das oft sehr analytische deutsche Denken manchen Schülern Schwierigkeiten bereite. "Es gibt in vielen Bereichen eine andere Herangehensweise, die sich beispielsweise auch in der Art niederschlägt, wie Aufsätze geschrieben werden." So komme es nicht selten vor, dass in einer Erörterung statt eines Arguments plötzlich ein Sprichwort auftaucht. Natürlich gebe es auch Probleme bei der Aussprache, die regional sehr unterschiedlich sein kann. Auch dies nimmt Korytko mit Humor: "Ich traue mir zu, an Hand der Aussprachefehler zu erraten, aus welcher Region ein Schüler stammt."
"Im Perlflussdelta gibt es leider nicht viele deutsche Firmen, so dass nicht alle Studenten ihre Deutschausbildung beruflich nutzen können und die Sprache nach einer Weile wieder vergessen." Allerdings studiere ohnehin nicht jeder Germanist die Sprache aus Interesse. "Rund ein Drittel hätte lieber Englisch oder ein anderes Fach studiert, hat aber bei der Hochschuleintrittsprüfung nicht die notwendige Punktzahl erreicht."
Auf dem Tisch liegt eine Ausgabe von Robert Menasses Roman "Sinnliche Gewissheit". Korytko nimmt es in die Hand und verwandelt sich von einer Sekunde zur anderen vom humorvollen Deutschlehrer zum ernsten Literaturwissenschaftler. "Dieses Buch symbolisiert gewissermaßen einen biographischen Zufall", erklärt er. Zu dem Roman über einen Lektor, der in Brasilien unterrichtet, wie ein guter Roman auszusehen hat, hatte Korytko nämlich seine Magisterarbeit geschrieben. "Kurz nachdem ich über den wohl einzigen deutschsprachigen Lektorenroman geschrieben hatte, wurde ich selbst Lektor." Kein Wunder, beschäftigt ihn das Buch noch immer. Sollte alles gut laufen, kann Korytko schon bald seine Dissertation zum gleichen Thema abgeben.
Quelle: german.china.org.cn
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