Schuhe nach Maß in Beijing: Eine Tradition verliert ihren Glanz

15.03.2016

Gefüllt mit hölzernen Schuhstreckern, metallenen Werkzeugen und Lederstückchen liegt Zhang Guoqings Werkstatt tief in einer engen Gasse im historischen Stadtkern Beijings. Zhang setzt sich vor seine altmodische Nähmaschine, schaut ab und zu auf ein iPad, das ein Paar glänzend braune Lederschuhe zeigt.

Zhangs Werkstatt gefüllt mit Schuhspannern, Werkzeugen und Lederstückchen

Der 53-Jährige, einer der wahrscheinlich letzten Schuhmacher Chinas, arbeitet den ganzen Tag über, gönnt sich bis auf die Mahlzeiten und den Schlaf keine Pause. „Oft träume ich vom Schuhmachen", sagt er. Seit er 1997 seine Werkstatt eröffnete, hat Zhang keinen Lehrling angestellt und autorisiert auch niemanden, für ihn Ersatzteile herzustellen. „Jeder meiner Kunden hat seinen eigenen Schuhspanner", erklärt Zhang beim Rundgang durch seine kleine Werkstatt. „Das ist Maßanfertigung."

Zhang Guoqing gönnt sich bis auf die Mahlzeiten und den Schlaf keine Pause

Im Monat fertigt Zhang im Schnitt nur zwei Paar Schuhe. „Ich verlange 200 Yuan (etwa 27,7 Euro) für meine Arbeit pro Tag. Dazu kommen auch noch die Kosten für die Materialien. Ein Paar Schuhe kostet bei mir etwa 4.000 Yuan (554 Euro)."

Zhangs Schuhe sind viel teurer als die, die in Läden verkauft werden und auch teurer als die seiner direkten Konkurrenten. Er rechtfertigt seine Preise damit, dass Schuhfabriken keine speziellen Anfertigungen für deformierte Füße anbieten würden oder grundsätzlich keine individuellen Wünsche erfüllten.

Zhang stammt aus einer Schuhmacher-Familie, die sich ihre Handwerkskunst nach der Gründung der Volksrepublik 1949 angeeignet hat. Seine Eltern zogen von Shanghai nach Beijing, als die junge Republik dringend Talente für den Aufbau ihrer Hauptstadt benötigte. Das war eine Zeit der Armut. Nur wenige Menschen konnten sich ein Paar Schuhe leisten. Schuhmachen war damals also ein Ruhm bringender Beruf. „Mein Vater verdiente mehr als 80 Yuan im Monat, das lag viel höher als der Durschnitt in Beijing damals", erinnert sich Zhang. Zhangs Eltern wollten ihrem Sohn eine Handfertigkeit mitgeben, damit er auf eigenen Beinen stehen konnte. Nach einer Lehre bei einem Schuhmacher-Meister fand er schnell Arbeit in einer Schuhfabrik in Beijing. „Junge Leute wurden zusehends modebewusst. Lederschuhe verkauften sich Anfang der 1980er Jahre sehr gut". Auf die goldenen Jahre ist Zhang heute immer noch stolz.

Doch die gute Zeit ging schnell vorbei. Immer mehr Schuhfabriken zogen aufgrund niedrigerer Lohnkosten in Küstenregionen im Osten und Süden des Landes. 1997 verlor auch Zhang seinen Job.

„Als mein Vater im Sterben lag, sagte er mir, Handwerk sei lebenslang von Nutzen. Handwerker sei ein würdevoller Job, wo immer man hingehe". Zhang beherzigte den Ratschlag seines Vaters und öffnete kurze Zeit später seine eigene Werkstatt.

Handwerk ist lebenslang von Nutzen

Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat er heute so viele Aufträge, dass er locker bis 2018 zu tun hat. Er legt viel Wert auf Qualität und macht alles selbst. „Ich muss meinen Ruf wahren, auch wenn einige kleine Aufträge außerhalb meines Betriebs erledigt werden könnten, ohne dass es die Kunden merken würden", erklärt Zhang.

Der Schuhmacher-Meister fürchtet jedoch, zur letzten Generation seiner Zunft zu gehören. Immer weniger Menschen sind bereit, für Maßanfertigungen zu bezahlen. Der schnelle Konsum zählt. „In China werden seit 3.000 Jahren Lederschuhe hergestellt. Im Industriezeitalter verliert diese Tradition jedoch langsam seinen Glanz."

Diesen Artikel DruckenMerkenSendenFeedback

Quelle: CRI

Schlagworte: Nähmaschine,Lederschuhe