Chinesisch-deutsche Beziehungen stehen über der Kritik
Das Chinabild der deutschen Öffentlichkeit ist trotz der gut entwickelten Beziehungen immer noch durch überkommene Vorstellungen geprägt. Chinas Herausforderungen und bisherige Errungenschaften verdienen jedoch tiefergehende Analysen und Überlegungen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel weilt von Sonntag bis zum heutigen Dienstag in China und nimmt an der vierten Runde der chinesisch-deutschen Regierungsgespräche teil. Diese wurden 2010 begonnen und stellen einen wichtigen Mechanismus für die Kooperation zwischen den Regierungen von China und Deutschland dar. Sie sind die einzigen institutionalisierten bilateralen Gespräche, die China mit einem westlichen Staat führt. Bei ihrem neunten Chinabesuch wird Merkel von einer Reihe von Kabinettsmitgliedern und hochrangigen Wirtschaftsvertretern begleitet, was auch ein Zeichen für die engen Beziehungen zwischen beiden Ländern darstellt.
Mit einem Handelsvolumen von 163 Milliarden Euro im Jahr 2015 – und damit 30 Prozent des Gesamtvolumens – stellt Deutschland Chinas wichtigsten Handelspartner in der EU dar. Letztes Jahr war China abermals der größte Geldgeber bei Neuansiedlungsinvestitionen in Deutschland. Zugleich erfreuen sich deutsche Produkte in China großer Beliebtheit. Deutsche Zeitungen berichten jedoch mit Bezug auf China häufig negativ über Themen wie Menschenrechte, die Lage im Südchinesischen Meer oder Chinas Marktwirtschaftsstatus.
Als die beiden größten Volkswirtschaften in Asien und Europa besitzen China und Deutschland viel Raum für Kooperationen und werden durch keinerlei Dispute darin behindert. Darüber hinaus ergänzen sich die beiden Länder auch auf wirtschaftlicher Ebene. Wenn sie sich einander öffnen würden, könnten sie in ihrer Zusammenarbeit wahre Wunder vollbringen. Deutschlands Chinabild ist aber immer noch durch überkommene Vorstellungen getrübt. Auf der anderen Seite genießt es selbst aufgrund seiner durchdachten Produkte und den deutschen Tugenden ein gutes Image unter Chinesen. Chinesen verstehen, dass die Probleme, mit denen Deutschland konfrontiert ist, vom Land selbst angegangen werden sollten. Im Gegensatz dazu lassen sich deutsche Eliten häufig dazu hinreißen, sich mit Chinas Problemen zu befassen. Dann kritisieren sie Chinas Menschenrechtslage, übersehen dabei jedoch Chinas Errungenschaften in diesem Bereich.
Einige Deutsche sind durch den Einfluss anderer westlicher Staaten wie den USA stark gegenüber China voreingenommen. Vor ihrem Besuch in China wurde Merkel Medienberichten zufolge von deutschen Sicherheitsdiensten gewarnt, ihr Mobiltelefon in China zu nutzen, um nicht abgehört zu werden. Diese Warnung mutet deshalb seltsam an, weil es die USA waren, die Merkel abgehört und damit 2013 für Empörung in Deutschland gesorgt haben. Die öffentliche Meinung in Deutschland folgt oftmals derer anderer westlicher Staaten und das ist verständlich. Doch man kann nur hoffen, dass deutsche Intellektuelle Weitsicht beweisen und sich einsichtig zeigen, um die chinesisch-deutschen Beziehungen nicht zu behindern.
Deutschland ist berühmt für seine vielen Philosophen, Erfinder und Denker. China ist durch sein rasantes Entwicklungstempo und seine große Bevölkerung mit enormen Herausforderungen konfrontiert, welche es verdienen, dass man ernsthaft über sie nachdenkt und sie tiefgehend analysiert.
China und Deutschland zollen einander im Allgemeinen stets Respekt und haben große Fortschritte bei ihren Beziehungen gemacht. Doch sie könnten noch mehr leisten. Die zukünftige Entwicklung der westlichen Zivilisation hängt davon ab, wie sie andere Zivilisationen integrieren und mit ihnen kollaborieren kann, um Durchbrüche zu erzielen. In diesem Bezug sollte Deutschland eine Führungsrolle für die anderen westlichen Staaten spielen.