Nach den Ergebnissen einer Studie planen immer mehr Schwule und Lesben in China ihr „Coming-out“. Nur 22 Prozent der homosexuellen Männer und 12 Prozent der Frauen haben nicht vor, innerhalb der nächsten fünf Jahre offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen. Dies geht aus einer Studie hervor, die vor kurzem von WorkForLGBT veröffentlicht worden war, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für Schwule und Lesben einsetzt. Im vergangenen Jahr hatten noch 30 Prozent der Schwulen und 16 Prozent der Lesben geäußert, sich nicht öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen zu wollen. Für die Studie waren im August und September 17.000 homosexuelle Menschen aus allen Regionen Chinas befragt worden.

Mehr Toleranz in Großstädten

Eine Frau berichtete, sie habe ihren Heimatort in Shandong nach dem Coming-out ihres Sohnes verlassen. Die Schuldzuweisungen von Freunden und Verwandten habe sie nicht mehr ertragen können. Heute seien die Menschen toleranter geworden, insbesondere in größeren Städten.

„Vor zehn Jahren akzeptierten Eltern ihre homosexuellen Kinder nur deswegen, weil sie ihre Kinder liebten und ihnen keine zusätzlichen Schwierigkeiten bereiten wollten“, sagt die Frau. „Heute wissen viele Eltern, dass Homosexualität vererbt ist und nicht einfach so geändert werden kann. Auch wenn manche noch heute verbittert reagieren.“

Auch die Aufklärungsarbeit von NGOs hat zu mehr Akzeptanz beigetragen. Noch bis 2001 galt Homosexualität in China offiziell als psychische Störung.

Schwule und Lesben wollen sich nicht mehr verstecken

„Viele Schwule und Lesben wollen nicht mehr hinter einer Maske leben, insbesondere nicht vor ihren Eltern. Sie wollen von ihren Eltern für das geliebt werden, was sie sind. Und sie wollen ihr Glück mit ihnen teilen“, sagt Mei.

Ein Shanghaier, der sich ebenfalls zur LGBT-Community zählt, kann die Schwierigkeiten, sich anderen zu öffnen, gut nachvollziehen. Viele würden sich nur vor den engsten Familienmitgliedern als homosexuell zu erkennen geben.

„Ich glaube, dass unsere Gesellschaft noch längere brauchen wird, um sexuelle Vielfalt zu akzeptieren. Dazu müssen sich erst die öffentliche Meinung und die Gesetzgebung in diesem Land ändern“, sagt eine 31-Jährige.