Kommentar
Trump stellt Europa vor die Reifeprüfung Exklusiv
Von Felix Lehmann
Donald Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in den USA hat Europa aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Nicht wenige Politiker und Publizisten wurden vom Erfolg des schillernden Immobilienmoguls kalt erwischt. Über Trumps künftigen Kurs herrscht in weiten Teilen noch Unklarheit. Die widersprüchlichen Aussagen des Republikaners zu verschiedenen Themenfeldern haben die Verunsicherung nicht gemindert.
Denn über die Agenda des Milliardärs ist wenig bekannt. Legt man seine Wahlkampfaussagen zugrunde, muss sich Europa auf große Veränderungen einstellen. Trump scheint eher desinteressiert zu sein an den politischen Entwicklungen in der Welt. Stattdessen lautet seine Devise „Amerika zuerst“.
Multilaterale Handelsabkommen sieht Trump mit großer Skepsis. Im Wahlkampf hatte er den Rückzug seines Landes aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP angekündigt, ein Schritt, den er am Montag bekräftigte. Die einseitige Kündigung des transatlantischen Abkommens TTIP sowie des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA könnte folgen.
Droht unter Trump ein neuer Isolationismus?
Doch nicht nur in der Wirtschaftspolitik wird Trump Veränderungen einleiten. Militärische Abenteuer wie im Irak oder in Afghanistan wird es unter seiner Ägide womöglich nicht mehr geben, das Engagement Amerikas in der Weltpolitik könnte deutlich heruntergefahren werden.
In der Geschichte der USA ist dies kein Präzedenzfall. Die Außenpolitik des Landes war immer von gegensätzlichen Idealen geprägt. Bis zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg 1917 war die Nichteinmischung in internationale Angelegenheiten eine der tragenden Säulen amerikanischer Außenpolitik. Die Monroe-Doktrin, von 1823 bis 1941 Bestand hatte, propagierte die Enthaltung in alle Angelegenheiten,die sich außerhalb des amerikanischen Kontinents abspielten.
Der Zweite Weltkrieg und die Konfrontation mit der Sowjetunion änderten Amerikas Sicht auf die Welt grundlegend. Durch die aktive Rolle in der Nato und den Vereinten Nationen prägte das Land die Gestaltung der Weltordnung nach 1945 maßgeblich.
Die Führungsmacht des Westens sieht ihrem Ende entgegen
Unter dem Schutz der militärischen Beistandsgarantie Amerikas konnte sich Europa von den Kriegsfolgen erholen und den Einigungsprozess vorantreiben. Freiheit und wirtschaftlicher Wohlstand auf dem alten Kontinent sind die Folge des amerikanischen Engagements nach 1945.
Doch die vorrangige Devise von Donald Trump scheint zu lauten: „Was nützt den USA?“. Im Gegensatzzu Bill Clinton oder George W. Bush, die auch vor Militäreinsätzen nicht zurückschreckten um Einfluss auf die politische Architektur der Welt zu nehmen, bedeutet dies eine radikale Abkehr von den bisherigen Prinzipien amerikanischer Außenpolitik.
Die gesamte westliche, liberale Weltordnung, charakterisiert durch Demokratie und offene Märkte, gründet auf dem Führungsanspruch der USA. Auch China verdankt einen Teil seiner Stärke dem Handel mit Europa und Amerika. Die grenzüberschreitende Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen ist eine Errungenschaft der Globalisierung, die viele Vorteile gebracht hat. Auch in China möchte niemand auf sein iPhone verzichten.
Unter Donald Trump werden nichtwestliche Länder wie China und Indien mehr Handlungsspielraum erhalten. Europa muss sich hingegen bewusst machen müssen, dass die Prägekraft westlicher Normen und Werte an Einfluss verliert. Der „alte Kontinent“ hat jahrzehntelang von der Führungsrolle Amerikas profitiert. Schotten sich die USA stärker von der Welt ab, muss Europa seine Rolle neu definieren.