Deutscher Botschafter in China zur „Belt and Road“

11.05.2017

Botschafter Michael Clauss beantwortet im Vorfeld des am Sonntag beginnenden „Belt and Road“-Forums Fragen zur Zukunft der bilateralen Zusammenarbeit sowie neuen Chancen durch die Initiative.

Anmerkungen des Redakteurs:

China wurde 2016 zum ersten Mal Deutschlands Haupthandelspartner. Die Europäische Union (EU) ist jetzt im Prozess, Chinas Marktwirtschaftsstatus nach Artikel 15 des Protokolls zu Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) anzuerkennen. Außerdem befindet sich Deutschland unter den ersten Ländern, welche die von China vorgeschlagene „Belt and Road“-Initiative öffentlich unterstützen und an der von China initiierten Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) beteiligt sind.

Im Vorfeld des am Sonntag startenden „Belt and Road“-Forums traf sich Zhang Xin von Global Times (GT) mit Michael Clauss, dem deutschen Botschafter in China, um über die weitere bilaterale Zusammenarbeit im Rahmen der „Belt and Road“-Initiative und den Umgang mit bestehenden Differenzen zu sprechen.

GT: Deutschland hat eine große Bereitschaft zur Teilnahme an der „Belt and Road“-Initiative gezeigt. Was erwarten Sie vom kommenden „Belt and Road“-Forum?

Clauss: Da Bundeskanzlerin Merkel nicht persönlich teilnehmen kann, wird sie von der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries vertreten. Auch einige Geschäftsführer großer Unternehmen werden anwesend sein.

Sowohl die Bundeskanzlerin als auch die Regierung haben ihre Unterstützung für die Initiative ausgedrückt und begrüßen ihre Philosophie. Die „Belt and Road“-Initiative strebt nach Konnektivität und offeneren Märkten, was wir beides begrüßen. Besonders wichtig ist nach meiner Ansicht, dass sie den Infrastrukturaufbau in Ländern anstoßen kann, die in der Vergangenheit kaum Investitionen erhalten haben. Investitionen in die Infrastruktur sind wichtig, um die wirtschaftliche Entwicklung zu entfachen. Außerdem fördert die Wirtschaftsentwicklung politische Stabilität. Die „Belt and Road“-Initiative umfasst viele Länder in Asien, Europa und Afrika. Sie wird dabei helfen, die Hauptursachen der Migration zu lindern. Für das besonders von der globalen Flüchtlingskrise betroffene Deutschland ist dieser Punkt sehr wichtig.

Außerdem interessieren sich deutsche Unternehmen – sofern die Bedingungen stimmen – für eine Beteiligung an spezifischen Projekten, insbesondere für hochtechnologische Infrastruktur und unabhängige Risikobewertung.

GT: Wie Sie gerade erwähnten, wird Frau Zypries für das „Belt and Road“-Forum nach Beijing kommen. Was werden ihre wichtigsten Tagesordnungspunkte sein?

Clauss: Die „Belt and Road“ wird natürlich die Tagesordnung dominieren, aber andere Fragen könnten ebenso besprochen werden, wie Artikel 15 des Protokolls zu Chinas WTO-Beitritt und der Marktzugang in China.

GT: Bezüglich Artikel 15 und dem Marktwirtschaftsstatus: China hat sich zu Deutschlands größtem Handelspartner entwickelt, und Deutschland ist die größte Volkswirtschaft innerhalb der EU. Wie wird dies Deutschlands Position hinsichtlich der Anerkennung von Chinas Marktwirtschaftsstatus durch die EU nach Artikel 15 beeinflussen?

Clauss: Deutschland möchte dieses Problem so bald wie möglich lösen. Die EU hätte dies eigentlich bereits im Dezember 2016 umsetzen sollen, aber die Verfahren in der EU sind sehr kompliziert und zeitaufwendig.

Ich bin optimistisch, dass es bis zum Sommer dieses Jahres erledigt werden kann. Die 28 EU-Mitgliedstaaten haben dem Gesetzesentwurf bereits zugestimmt. Es liegt jetzt am Europäischen Parlament, grünes Licht zu geben. Es besteht kein Zweifel, dass die EU ihre gesetzlichen Vertragsverpflichtungen erfüllen wird.

GT: Chinesische Unternehmen verfolgen eine „Go Global“-Strategie. Wie kann Deutschland China in dieser Hinsicht unterstützen? Worin liegen die größten Chancen für die zukünftige bilaterale Zusammenarbeit?

Clauss: Die „Belt and Road“-Initiative bietet Unternehmen auf beiden Seiten Chancen, in Drittländern stärker zusammenzuarbeiten. Dies trifft insbesondere auf Infrastrukturprojekte zu, wo spezialisierte Hightech-Unternehmen aus Deutschland wichtige Beiträge leisten können. Die chinesische Seite scheint sich auch für die professionelle und unabhängige Risikobewertung zu interessieren.

GT: Die Europäische Handelskammer in China kritisierte kürzlich, dass „Made in China 2025“ schädlich für das europäische Geschäft sei. Auf welche Weise könnte die Richtlinie für chinesische Produzenten ihre Pendants in Europa beeinflussen?

Clauss: „Made in China 2025“ bietet europäischen Unternehmen interessante Chancen. Aber es existieren auch Bedenken. Die Strategie beinhaltet zum Beispiel Quoten von 80 Prozent und mehr für Elektrofahrzeuge rein chinesischer Produktion bis 2025. Noch höhere Quoten sind für andere Produkte wie landwirtschaftliche Maschinen vorgesehen. Das sieht nicht unbedingt nach fairem Wettbewerb aus. Einige Unternehmen machen sich Sorgen, dass es sich um einen Plan für eine Zukunft ohne sie handeln könnte.

GT: Also gehen Sie davon aus, dass sich chinesische Hersteller in Zukunft zu ernsthaften Konkurrenten deutscher Produzenten entwickeln werden?

Clauss: Definitiv. Chinesische Unternehmen werden in der Hightech-Leiter aufsteigen, was nur natürlich ist. Wir fürchten keine Konkurrenz, so lange sie fair ist. Und deshalb würden wir gerne Veränderungen in Richtung Gegenseitigkeit sehen.

Chinesische Investoren können zum Beispiel jedes Unternehmen in Deutschland erwerben, da sind wir vollständig offen. Dies lässt sich aber nicht für deutsche Investoren sagen. Kürzlich hat Hainan Airlines einen 10-prozentigen Anteil der Deutschen Bank gekauft. Können Sie sich vorstellen, dass ein deutsches Unternehmen 10 Prozent der ICBC erwirbt?

Als positives Zeichen betrachten wir die Rede in Davos von Staatspräsident Xi Jinping, der ausdrücklich gesagt hat, dass sich China öffnen wird, und dass er an den Freihandel glaubt. Ministerpräsident Li Keqiang und der Staatsrat haben ähnliche Aussagen getätigt, es gibt also Hoffnung für eine Verbesserung, und wir erwarten jetzt, dass die administrative Ebene den Worten Taten folgen lässt.

GT: China und Deutschland setzen sich energisch für die Wirtschafts- und Handelskooperation ein, aber die beiden Länder verfügen über unterschiedliche Ideologien und politische Systeme. Deutschland ist einer der größten europäischen Kritiker hinsichtlich Chinas Werten. Wie stark haben die politischen Differenzen die pragmatische Zusammenarbeit im Handel und in der Wirtschaft beeinträchtigt? Ist es möglich, die beiden zu versöhnen?

Clauss: Wie Sie gerade gesagt haben, wir verfügen über sehr enge Wirtschaftsbeziehungen. Entgegen der weltweiten Tendenz intensiviert sich der bilaterale Handel. Mit [einem bilateralen Handelsvolumen von] 170 Milliarden Euro wurde China 2016 zum größten Handelspartner Deutschlands. Unter den Spitzenpolitikern herrscht großes Vertrauen. Sie treffen sich oft. Ministerpräsident Li Keqiang und Staatspräsident Xi Jinping werden in diesem Jahr nach Deutschland reisen. Die Besuche ergänzen eine Vielzahl regelmäßiger Besuche von Bundesministern und Provinzchefs.

Bezüglich einiger Fragen haben wir offensichtlich unterschiedliche Ansichten. Unsere bilateralen Beziehungen sind reif genug, um damit umzugehen. Dies gründet nach meiner Ansicht in der Tatsache, dass die chinesische Seite uns als voraussagbar erachtet und sie wissen, dass es zwischen uns keine geopolitische Konkurrenz gibt.

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Quelle: people.cn

Schlagworte: „Belt and Road“-Initiative,Michael Clauss