Sie waren bereits in China geschäftlich unterwegs und diesen Sommer haben Sie erneut mehrere Monate lang den chinesischen Markt analysiert. In welchem Bereich ergeben sich für Ihr Unternehmen die größten Chancen?

China hat sich sehr schnell als eine führende Internetnation etabliert. In den internationalen Konferenzen und Events, an denen wir teilnehmen, wird seit einiger Zeit China als Beispiel für viele Arten von neuen Internetgeschäftsmodellen herangezogen. WeChat ist hierfür ein Beispiel: Durch die konsequente Integration von verschiedenen Funktionalitäten und angeschlossenen Diensten stellt WeChat alle anderen Messaging-Apps weit in den Schatten. Auf dem Gebiet des interaktiven, digitalen Marketings ist China vor allem hinsichtlich der großen Zahl von Konsumenten mit Internetzugang interessant. Wir hoffen daher, dass wir unser Geschäftsmodell in China noch besser auf die dortige Marktsituation ausrichten können. Aus den sich ergebenen Datenmengen lassen sich möglicherweise genauere Schlussfolgerungen über das Konsumentenverhalten ziehen, als wir das in anderen Ländern mit geringerer Datenbasis können.

Carlos Martinez in Guilin: "Die Kooperation mit lokalen Partnern in China ist unabdingbar"

Wie wollen Sie vorgehen, um das Geschäft in China aufzubauen, wie stellen Sie den Vertrieb auf und wie wollen Sie Geschäftspartner mit guten Kontakten finden?

Zuerst werden wir versuchen, sogenannte „Pilotkunden“ zu gewinnen. Unsere Zielkunden sind eher größere Unternehmen, die üblicherweise genau definierte Einkaufsprozesse haben. Um diese Kunden zu gewinnen, müssen wir deren Prozesse kennen und verstehen. Das würde für uns als Einzelkämpfer zu schwierig werden und vor allem zu lange dauern. Deswegen werden wir von Anfang an mit spezialisierten Vertriebsunternehmen arbeiten. Wenn die ersten Pilotprojekte laufen, werden wir analysieren, inwiefern sich die chinesischen Kunden von unseren anderen Kunden unterscheiden und anschließend unser eigenes Team für den chinesischen Markt in Kooperation mit unseren lokalen Partnern aufbauen.

Um Geschäftspartner mit guten Kontakten zu finden, haben wir längere Aufenthalte in China. Im Juni waren wir zum Beispiel beim Mobile World Congress in Shanghai und haben viele Kontakte geknüpft. Aber wir lassen uns auch von öffentlichen und privaten Institutionen unterstützen, die solche Netzwerk- und Geschäftsaktivitäten fördern. Fast alle Provinz- und Kommunalverwaltungen in China haben Kontaktstellen, die ausländischen Unternehmen den Markteintritt in China erleichtern. Auch hat uns die University of Chicago Booth School of Business, wo ich meinen Executive MBA absolviert habe, viele Kontakte durch deren Niederlassung in Hongkong vermittelt. Bei der Partnersuche ist der Grundsatz jedoch immer derselbe: Es muss eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung sein und genau daran arbeiten wir gerade. 

Ihr Kerngeschäft ist das digitale Marketing sowie die automatisierte Erfassung von Kundenerfahrungen. Inwiefern müssen Sie Ihr Geschäftsmodell an chinesische Gepflogenheiten anpassen, um in China erfolgreich zu sein?

Unser Geschäftsmodell ist an „globalen“ Kundenbedürfnissen ausgerichtet, die mit der digitalen Transformation im Marketing verbunden sind. Deswegen braucht es prinzipiell keine große Anpassung für China. Die digitale Transformation trifft chinesische Firmen genauso wie Firmen in anderen Ländern. Es wird sich eher um eine „Lokalisierung“ konkreter Aspekte handeln, wie Sprache, Kultur oder Nutzungsweise der chinesischen Konsumenten, damit das Modell konkreter auf den chinesischen Markt abgestimmt ist.

Zur Person:

Carlos Martinez (40) studierte internationale Betriebswirtschaft in Deutschland und Spanien und hat einen MBA (high honors) von der University of Chicago Booth School of Business. Seine Karriere führte ihn sowohl durch internationale Konzerne, wie Shell, Andersen oder Telefónica, als auch in Startups in verschiedenen Bereichen. Die Software-Plattform Opinator bietet Lösungen des interaktiven Marketings und des Customer Experience Managements. Das Unternehmen ist in einigen Märkten schnell zur führenden Technologie geworden, es wächst im dreistelligen Bereich.