Über Gemächlichkeit und Bequemlichkeit nach dem Studium

23.12.2017

Es werden immer mehr, in diesem Jahr 8,2 Millionen, um genau zu sein. Chinesische Uniabsolventen müssen sich auf enormen Wettbewerb einstellen, aber immer mehr gehen die Jobsuche ganz gemächlich an – hoffentlich nicht zu gemächlich.

Welcher Job zu einem passt, weiß man erst, wenn man mal was ausprobiert, Erfahrungen sammelt.

Es ist wieder soweit, die Zeit der Superlative ist gekommen: Das Bildungsministerium schätzt die Zahl der Uniabsolventen in China in diesem Jahr auf 8,2 Millionen. Bei der Jobsuche lassen es viele aber ganz gemächlich angehen. Diese „neue“ Gemächlichkeit ist im Moment in aller Munde, viele Uniabsolventen machen sich nach dem Studium keinen Stress, gehen erst mal reisen, lassen sich Zeit zum Nachdenken, verbringen Zeit mit den Eltern, ruhen sich einfach etwas aus und fangen dann an zu planen.

Diese Gemächlichkeit ist nicht unbedingt schlecht, die Gesellschaft verändert sich eben. Die Umstände erlauben nun, dass man innehält, nachdenkt, sich nicht in eine Richtung drängen lässt. Allerdings sollte aus der Gemächlichkeit nicht Bequemlichkeit werden.

Das kann ganz schnell gehen: Man hat das Gefühl, sich bei der Arbeit nicht frei genug entfalten zu können, will gar nicht mehr arbeiten, der Traumjob scheint immer weiter weg zu sein. Dann hat man irgendwann keine Motivation mehr, sitzt lieber den Eltern auf der Tasche, als erstmal klein anzufangen. Das ewige Streben nach dem perfekten Job – eigentlich keine gute Idee, denn man behindert die eigene berufliche Entwicklung.

Wer möchte nicht sofort den Traumjob finden? So viel Glück haben leider nur die wenigsten. Selbst Alibaba-Gründer Ma Yun war mehrmals arbeitslos. Es gibt ein chinesisches Sprichwort, „der Phönix gibt sich nur mit dem Besten zufrieden”, allerdings sind wir keine Phönixe. Wenn es das Fabelwesen wirklich gäbe, wäre er schon längst ausgestorben, denn in der Realität darf man manchmal nicht so wählerisch sein.

Ein Traumjob, was ist das eigentlich? Das weiß man erst, wenn man mal gearbeitet hat. Genau wie mit Beziehungen. Wer zu einem passt, weiß man erst in einer Beziehung. Immer Single sein, irgendwelche koreanischen Soaps gucken und sich den perfekten Partner ausmalen, so eine Mary Sue, das hat mit Realität nichts zu tun. Manche Jobs sehen gut aus, aber passen nicht zu einem, andere Jobs wirken auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv, aber passen vielleicht ziemlich gut zu den eigenen Fähigkeiten und Interessen. Thomas Edison hat 1600 verschiedene Materialien probiert, bevor er das perfekte Material für den Glühfaden in Glühbirnen gefunden hat: Wolfram. Denn Probieren geht über Studieren!

Xiang Yu der Eroberer (232–202 v. u. Z.) hatte als Kind auch Probleme, seine Berufung zu finden. Die Pläne der Eltern gingen nicht auf: Studium, nicht geklappt; Kampfausbildung, auch nicht geklappt. Erst durchs Ausprobieren wurde Xiang Yu klar, was er wollte: Militärstratege werden, bereit sein für Feinde jeder Art. Welche Arbeit passt zu seinem, wo ist größte Schnittmenge zwischen den eigenen Fähigkeiten und dem gesellschaftlichen Bedarf, das kann man sicherlich irgendwie ermitteln, aber entscheidend ist vor allem eins – selbst ausprobieren, Erfahrungen sammeln.

Erstmal irgendwas machen, wenn es dann nicht so gut läuft, kann man zumindest wichtige Erfahrungen mitnehmen, den eigenen Horizont erweitern und Fähigkeiten erwerben. In einem Song von Bob Dylon heißt es: „Wie viele Wege muss ein Mann gehen, bevor man ihn einen Mann nennt? / Wie viele Meere muss eine weiße Taube überqueren, bevor sie den Strand erreicht?” Aus Perlen, die man in jungen Jahren sammelt, wird vielleicht irgendwann eine ganze Halskette.


In der Welt der Gründer und Unternehmer gibt es einen Spruch: Erst losrennen, dann die Richtung wählen, erst abspringen, dann einen Landeplatz suchen. Auf dem Fußballplatz steht sich auch keiner die Beine in den Bauch und wartet auf Bälle. Die Regierung sollte Anreize schaffen und bei der Jobsuche unterstützten. In der Zwischenzeit können junge Absolventen ruhig mal losrennen ohne Richtung, abspringen ohne Landeplatz, auch mal einen Esel reiten – und damit nach Pferden suchen. 


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Quelle: People.cn

Schlagworte: China,Absolventen,gemächlich,Studium,Jobsuche