Studie zu chinesischen Investoren

Chinesische Investoren in Deutschland: Nachhaltigkeit steht im Vordergrund

09.04.2018

Von Elke Lütke-Entrup, Beijing

 

Unternehmensübernahmen chinesischer Investoren in Deutschland werden von deutschen Medien, der Öffentlichkeit und Regierungskreisen häufig kritisch betrachtet. Die Realität in den übernommenen Firmen übertrifft die Erwartungen jedoch oft in positiver Weise. Wie das sein kann, erfährt China.org.cn im Interview mit Ulrike Reisach, Professorin für Interkulturelles Management und International Business Negotiations an der Hochschule Neu-Ulm.


 

China.org.cn: Frau Professor Reisach, worauf sollten deutsche Unternehmen bei der Auswahl des richtigen chinesischen Investors achten?

 

Prof. Dr. Ulrike Reisach: Chinesische Investoren sind entweder Staatskonglomerate, Unternehmen mit gemischter Eigentümerstruktur oder Privatunternehmen. Sie unterscheiden sich durch den Grad der Aufsicht durch den chinesischen Staat und in der Finanzierung.

Unseren Untersuchungen zufolge ist die politische Unterstützung des Investors von essentieller Bedeutung. Wie deutlich ist die Zustimmung von offizieller chinesischer Seite für das Investment? Ist die Investitionssumme so hoch, dass der Investitionsplan von staatlichen Stellen in China geprüft wurde? Ist der Investor in Branchen aktiv, die zu den geförderten Sektoren und Programmen Chinas zählen?

Darüber hinaus sollte das deutsche Unternehmen die betriebswirtschaftlichen Kompetenzen des Investors klären und sich unabhängige Berater hinzuziehen, die in der Branche seriös und im China-Geschäft erfahren sind.

Die wichtigsten Punkte unterscheiden sich jedoch nicht von Investoren aus anderen Ländern: Deuten die Investitionsvolumina und -pläne auf eine realistische und nachhaltige Geschäftsstrategie hin? Wie transparent ist die Finanzberichterstattung des Investors? Ist die Aufrechterhaltung der Beschäftigung am Standort Deutschland ein langfristiges Ziel?

 

Haben chinesische Investoren denn eher ein kurzfristiges oder eher ein langfristiges Interesse an den übernommenen Unternehmen und woran ist dies erkennbar?

 

Unsere Studien haben ergeben, dass chinesische Investitionen meist langfristig orientiert sind. Investiert wird nicht nur in Forschung und Entwicklung, sondern auch in neue Produktionsanlagen und Werke. Oft handelt es sich um Investitionen, die der frühere Eigentümer zuvor immer wieder aufgeschoben hatte. Für solide chinesische Investoren hat die nachhaltige Entwicklung Vorrang – egal ob Staatskonzern oder große Privatunternehmen, zum Beispiel Sany, den Aufkäufer des Betonpumpenherstellers Putzmeister in Aichtal bei Stuttgart. Allerdings gibt es auch in China – wie in anderen Ländern – Investoren, die von eigennützigen Motiven geleitet werden, zum Beispiel die Verbesserung von Image und angeschlagener Kreditwürdigkeit durch Auslandsinvestments oder den Wunsch, Geld ins Ausland zu transferieren. Dies hat die chinesische Regierung inzwischen erschwert. Meist handelt es sich um kleinere Investoren, deren Reputation auch in China zweifelhaft und deren Webseiten und Finanzierung intransparent sind. Empfehlenswert ist daher immer eine gründliche betriebswirtschaftliche und personenbezogene Analyse in China und in Europa.

 

Welche Erfahrungen machen deutsche Unternehmen während der Übernahme im Hinblick auf die Abstimmungsprozesse mit chinesischen Investoren?

 

Die Abstimmungsprozesse auf chinesischer Seite werden als sehr gründlich wahrgenommen. Chinesische Investoren fordern Einblick in die Investitions- und Finanzplanung des Unternehmens und gehen dabei sehr ins Detail. Dies führte in einem Fall zu Missverständnissen, weil die Investoren — im Sinne eines verantwortungsbewussten Umgangs mit chinesischem Staatsvermögen — auch die detaillierte Betrachtung geringwertiger Wirtschaftsgüter einforderten. Dies war in der deutschen Betriebspraxis nicht durchführbar und wurde schließlich abgemildert.

 

Wie wirkt sich die Übernahme deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren auf die Mitbestimmungskultur und die Tarifstandards deutscher Unternehmen aus?

 

Beides bleibt nach Einstieg chinesischer Investoren häufig unverändert und wird als Bestandteil des institutionellen Arrangements, das zur Investition gehört, betrachtet. Manche Investoren sehen in der deutschen Mitbestimmung auch einen Garanten für die deutsche Qualitätsproduktion. Bei Unternehmen mit mitbestimmenden Aufsichtsräten entsenden chinesische Investoren ihre Vertreter in die Aufsichtsräte. Manchmal gibt es dort Sprach- und Verständigungsprobleme oder die Repräsentanten aus China wechseln, was die Arbeit im Aufsichtsrat und den Aufbau persönlicher Kontakte erschwert. Für die Vertreter der chinesischen Seite im deutschen Unternehmen hat die Gewerkschaft jedoch häufig einen höheren Stellenwert als unter den vorherigen Eigentümern.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Deutschland,Investoren,China,M&A