Studie zu chinesischen Investoren
Chinesische Investoren in Deutschland: Nachhaltigkeit steht im Vordergrund
Was die Tarifbindung betrifft, so gibt es unter chinesischen Investoren in Einzelfällen Abstriche von den Standards des Flächentarifs, allerdings sind diese meist in Unternehmenskrisen wie einer drohenden Insolvenz oder wegen anhaltenden Auftragsmangels vor dem Einstieg der Investoren vereinbart worden. Bemerkenswert ist, dass die chinesischen Investoren bei akuten wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens auch Durststrecken akzeptieren und nicht gleich Personalanpassungen entsprechend den reduzierten Umsätzen fordern. Dennoch werden auch kostenorientierte Entscheidungen getroffen, zum Beispiel der Aufbau neuer Fertigungen in Niedriglohnländern wie Osteuropa und Mittel- oder Südeuropa.
Wie wirkt sich der Einstieg von chinesischen Investoren auf den langfristigen Erfolg der Unternehmen aus? Sind Muster erkennbar?
Untersuchungen haben gezeigt, dass Firmen, deren Management überwiegend in bewährten deutschen Händen liegt, mehrere Jahre nach der Übernahme steigende Umsätze und Erträge erwirtschaften. In Deutschland tätigen sie Investitionen, die lange fällig waren, die Produktion wird gesteigert und modernisiert. In China steigt der Umsatz, weil die Muttergesellschaft den Zugang zum chinesischen Markt erleichtert. Oft wird der bereits vor der Übernahme vorhandene Stützpunkt in China ausgebaut. Manche gründen oder übernehmen mit chinesischen Investitionsgeldern neue Standorte in China, Osteuropa oder Mittel- und Südamerika. Offenbar werden chinesisch investierte Unternehmen betriebswirtschaftlich ähnlich geführt, wie es unter anderen auch bei industriellen Investoren der Fall ist. Positive Beispiele aus den vergangenen Jahren gibt es viele, ob Saargummi, KraussMaffei oder Kuka.
Ein Beispiel für einen chinesischen Privatinvestor mit mehrfachen Investitionen in Deutschland ist das der in Shanghai börsennotierten Joyson Electronic Corp aus Ningbo, Zhejiang. Sie übernahm im Jahr 2011 die Mehrheit am deutschen Automobilzulieferer Preh GmbH in Neustadt an der Saale, erweiterte und modernisierte dessen Ausbildungszentrum, errichtete eine neue Fertigungshalle und investierte elf Millionen Euro in den Bau eines neuen Forschungszentrums in Bad Neustadt. Im Jahr 2015 übernahm Preh die IMA Automation Amberg GmbH und im Jahr 2015 kaufte Joyson den deutschen Zulieferer und Lenkradhersteller Quin GmbH aus Rutesheim sowie 2016 TechniSat Automotive (jetzt Preh Car Connect). Die deutschen Gesellschaften wurden 2017 in der PIA Automation Holding GmbH zusammengefasst.
Sind von Chinesen übernommene Unternehmen in Deutschland zukunftsfähig? Wenn Ja, warum?
Wichtig für den Standort Deutschland ist, ob das Unternehmen hier weiter in Forschung und Entwicklung investiert und in Deutschland weiter Wissen aufbaut. Unsere Studien haben gezeigt, dass chinesische Investoren keinesfalls die Entwicklungsbudgets kürzen, sondern in den Aufbau von Wissen in Deutschland – oft mehr als die alten Eigentümer – investieren.
In vereinzelten Fällen, bei denen der Wissenstransfer nach China – etwa durch die Weitergabe von Konstruktionsplänen, die Übertragung von Patenten an die chinesische Muttergesellschaft oder den Ausbau des chinesischen Stützpunktes – im Vordergrund standen, konnte das Unternehmen in Deutschland mittelfristig nicht fortbestehen. Davon betroffen waren jedoch vor allem kleinere Unternehmen, die bereits kurz vor der Pleite standen. Sie konnten durch die Übernahme durch chinesische Investoren wenigstens noch eine Weile die Beschäftigung sichern.
Ein guter Indikator ist die Rückendeckung des Investors durch den chinesischen Staat. Ist diese uneingeschränkt gegeben, dann haben die in Deutschland übernommenen Unternehmen eine gute Perspektive.
Zur Person:
Prof. Dr. Ulrike Reisach lehrt an der Hochschule Neu-Ulm für angewandte Wissenschaften und als Gastdozentin an chinesischen Universitäten. Seit Mitte der 80er-Jahre forscht, publiziert und berät sie zur deutsch-chinesischen Wirtschaftszusammenarbeit, als Direktorin Market Intelligence in der Industrie und seit 2008 an der Hochschule. Die in diesem Beitrag angesprochene Studie basiert auf Interviews, die zwischen Mai 2016 und Januar 2017 im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung bei chinesisch investierten Unternehmen in Deutschland durchgeführt wurden.