Liebe Frau Merkel ...

Fragerunde an die Kanzlerin

07.06.2018

Zum ersten Mal musste sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag während der Befragung der Bundesregierung den Fragen der Bundestagsabgeordneten stellen. Aufgrund des unflexiblen Formats blieb der Erkenntnisgewinn aus der einstündigen Befragung jedoch gering.


Angela Merkel (Archivbild)

 

Seit 13 Jahren ist Angela Merkel bereits die deutsche Kanzlerin und hat kürzlich ihre vierte Amtszeit begonnen. In diese Zeit hielt sie etliche Reden auf der ganzen Welt, gab Interviews und Erklärungen oder führte Debatten im Bundestag. An einer offiziellen Bundestagsbefragung musste sie bisher allerdings noch nie teilnehmen. Das hat sich am Dienstag maßgeblich auf Druck der SPD in den Koalitionsverhandlungen geändert, als Merkel erstmals selbst 60 Minuten den Fragen der im Bundestag vertretenden Parteien Rede und Antwort stand.

 

Schmales Korsett


Die Befragung der Bundesregierung findet dreimal jährlich statt und bietet Bundestagsabgeordneten die Gelegenheit der Regierung Fragen aus allen thematischen Bereich zu stellen. In dem neuen Format, das ab gestern gilt, dürfen die ausgewählten Abgeordneten der Kanzlerin direkt eine Stunde lang maximal 60 Sekunden lange Fragen stellen, auf die sie innerhalb von 60 Sekunden antworten muss. Das macht 30 Fragen. Rückfragen oder Nachhaken sind nicht vorgesehen, weshalb zu kritische Anmerkungen einfach umgangen werden können. Das Format dieser Veranstaltung wird deshalb weiter scharf kritisiert: „Das Korsett der Regierungsbefragung ist sehr starr“, urteilt Philipp Wittrock von SPIEGEL-ONLINE. Und Kerstin Münstermann vom Hamburger Abendblatt assistiert: „Das war mehr Werbung für die Bundeskanzlerin.“ Selbst einer der Mitwirkenden, FDP-Fraktionschef Christian Lindner, resümierte nach der Sitzung, dass Fragen ohne Nachfragen „keinen echten Erkenntnisgewinn“ brächten. 

 

Viele Fragen, wenig neues


Merkel begann mit einem circa fünfminütigen Ausblick auf den kommenden G7-Gipfel am Freitag und Samstag in Kanada, worum sich auch der erste Fragenblock drehte, bevor dann in freier Themenwahl weitergefragt wurde.

Die Abgeordneten blieben dabei größtenteils den Themenbereichen ihrer Parteien treu, ihre Fragen überraschten deshalb wenig. Die Grünen blieben bei Umweltthemen, die FDP bei Finanzthemen, vor allem im EU-Rahmen, die CDU/CSU beim Thema Sicherheit, die SPD beim Arbeitsmarkt, die  Linke bei der sozialen Lage und Rüstungsfragen und die AfD bei den ihrer Meinung nach katastrophalen Folgen der Flüchtlingskrise und ihrer häufig vorgetragenen Frage, dieses Mal von Gottfried Curio gestellt: „Wann treten Sie zurück?“

Auch dieses Mal war es wieder die AfD, die für die größten Aufreger auf einer ansonsten relativ ereignisarmen Veranstaltung sorgte. Vor allem der Beitrag des erwähnten AfD-Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio führte zu lauten Hintergrundgeräuschen bei den restlichen Abgeordneten, die sich über seine Vorwürfe an die Kanzlerin und deren Regierung echauffierten. Mit Bezug auf die Flüchtlingskrise warf Curio Merkel „Rechtsbruch“ sowie „Bruch Ihres Amtseides“ vor und machte sie verantwortlich für „unvorstellbares menschliches Leid durch Vergewaltiger und Mörder“, die durch Merkels „Durchwinkekultur“ ins Land gekommen seien.  Merkel konterte daraufhin sachlich und informierte, dass das Handeln in der Flüchtlingskrise im Juli 2017 durch den Europäischen Gerichtshof als gesetzeskonform bestätigt worden sei. Auch ansonsten konnte sie die meisten Vorwürfe kühl mit Zahlen oder anderen sachlichen Fakten kontern. Und wenn nicht, blieb es aufgrund des Formats ihr überlassen, unliebsame Fragen teilweise zu ignorieren.

 

Die deutsche Presse berichtet in ihren Analysen deshalb auch relativ wenig über inhaltliche Themen, sondern stellt eher Fragen zum Format. So fragt sich Thomas Vitzthum von der WELT, warum keiner der Regierungsminister an der Befragung teilnahm. Auf ihren Plätzen neben der Kanzlerin saßen stattdessen nur Staatssekretäre. Vitzthum spekulierte, ob dies eine besondere Botschaft senden sollte. Außerdem wird Merkel in den meisten Artikeln wie zum Beispiel vom Hamburger Abendblatt als „Gewinnerin“ dieser Befragung gekürt.


Nach 60 Minuten beendete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Befragung dann. Die Kanzlerin selbst schien sogar ein wenig Spaß an dem neuen Format gefunden zu haben, schloss sie doch mit den Worten ab: „So schade wie es ist, es ist halt zu Ende. Ich komm ja wieder."

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Angela Merkel,Befragung,Bundestagsabgeordnete