Kommentar
Gesetzentwurf zu Auslandsinvestitionen: Ein neuer Qualitätssprung in Chinas Öffnungspolitik Exklusiv
Von Dr. Michael Borchmann, Wiesbaden
Es liegt nun 41 Jahre zurück, dass die Volksrepublik China den Kurs ihrer Reform- und Öffnungspolitik einschlug und seit diesem Zeitpunkt unbeirrbar weiter beschreitet. Es ist ein Weg, der unbestreitbar zu einem beispiellosen wirtschaftlichen Erfolgsweg geworden ist und China auf Platz 2 in der Rangliste der Volkswirtschaften weltweit hat aufrücken lassen. Und ein solcher Weg ist – um ein Beispiel aus dem Sport zu verwenden – kein kurzer Sprint, sondern ein Langstreckenlauf, der Ausdauer und Beharrungsvermögen benötigt. Denn ein Land und eine Volkswirtschaft von der Dimension Chinas lassen sich – will man keine Instabilität heraufbeschwören – nur schrittweise und mit Augenmaß und Verantwortungsgefühl umbauen.
Ein wesentliches Element dieses Weges ist – dies lässt sich bereits dem Namen „Reform- und Öffnungspolitik“ entnehmen – die Öffnung Chinas nach außen, gegenüber der Welt. Der langjährige Botschafter der VR China in Deutschland, Shi Mingde, unterstrich etwa bei verschiedenen Gelegenheiten: „Die Tür Chinas wird sich immer weiter öffnen.“ Und er sagte dies nicht ohne Grund. Auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums von Davos im vergangenen Januar hat China erneut seine Entschlossenheit und Zuversicht zur Förderung der umfassenden Öffnung nach außen zum Ausdruck gebracht. Und im Dezember 2018 wurde auf der chinesischen Zentralsitzung für ökonomische Aufgaben nachdrücklich betont, dass im Jahre 2019 die „systematische" Öffnung angekurbelt werden solle. Oder – um einen weiteren Beleg hierfür anzuführen –: Im November letzten Jahres dokumentierte die Shanghai International Import Expo (CIIE) das Angebot an die Welt zur Verbesserung und Erleichterung des wechselseitigen Handels und zum Aufbau eines umfassenden Handelsnetzwerkes. Die Veranstaltung gerade einer so markanten „Importmesse“ zeigte, dass China seine Türen öffnet, dass es ein umfassendes Angebot an die Unternehmen der Welt unterbreitet: Kommt nach China, erschließt Euch den chinesischen Markt!
Dieser Weg der Öffnungspolitik wird, so zeichnet sich deutlich ab, im Rahmen der Tagung des Nationalen Volkskongresses (NVK) im März einen neuen Qualitätssprung machen. Der Ständige Ausschuss des NVK stellte im Januar einen neuen Gesetzesentwurf vor, der die drei bisherigen Gesetze über Auslandsinvestitionen ersetzen soll. China, so heißt es in dem Entwurf, halte an der Öffnungspolitik fest und heiße ausländisches Kapital willkommen. Besonders hervorzuheben ist, dass das geplante Gesetz Regeln vorlegen wird, die Auslandsinvestoren auch die Inanspruchnahme staatlicher Förderungen oder Vorzugsbedingungen erlauben sollen, so wie ihren chinesischen Wettbewerbern. Mit anderen Worten: Das Gesetz soll die weitreichende Gleichstellung ausländischer Unternehmen mit inländischen sicherstellen.
Ein weiterer zu nennender zentraler Punkt ist die deutliche Reduzierung der sogenannten „Negativliste“, also derjenigen Bereiche, in denen ausländische Investitionen bisher unzulässig sind. In der Vergangenheit hatte China einen „Investitionskatalog“ erstellt, der unterschieden hat zwischen Bereichen, in denen Auslandsinvestitionen gefördert werden, in denen sie beschränkt zulässig sind und in denen sie unzulässig sind. Im Zusammenhang mit dem genannten Gesetz ist vorgesehen, die Bereiche der förderungsfähigen Investitionsbereiche deutlich auszuweiten, etwa in Sektoren wie moderne Landwirtschaft, neue Fertigungstechnologien oder auch Dienstleistungen. Und die sogenannte „Negativliste“ von beschränkten oder unzulässigen Investitionen wurde bereits 2018 von 63 auf 48 reduziert.
Ein weiteres essentielles Merkmal des Entwurfs ist der vorgesehene umfassende Schutz von Auslandsinvestitionen. Er bestimmt, dass der Staat keine ausländischen Investitionen enteignet, es sei denn, es gebe besondere Umstände oder es sei im öffentlichen Interesse. Im letztgenannten Fall „müssen angemessene rechtliche Verfahren befolgt werden, während eine sofortige und angemessene Entschädigung vorgenommen werden muss".
Für Chinas Wirtschaft haben Auslandsinvestitionen einen hohen Stellenwert. Ende vergangenen Jahres waren 590.000 Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in China registriert. Nach Angaben des chinesischen Hauptzollamtes haben die Unternehmen mit ausländischer Beteiligung 2018 ein Im- und Exportvolumen von 12,99 Billionen Yuan erzielt und stellen damit einen bedeutenden Faktor für die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes dar.
Die vor der Türe stehende neue Gesetzgebung zur Erleichterung von Auslandsinvestitionen wird die Attraktivität Chinas für ausländische Investitionen weiter erhöhen. Sie wird zugleich Kritikern das Argument nehmen, die Marktzugangsbedingungen in China seien durch die Ungleichbehandlung von Auslandsunternehmen oder Unternehmen mit ausländischer Beteiligung erschwert. Vor allem aber ist das geplante Gesetz ein weiterer markanter Schritt, der dokumentiert, dass die Öffnungspolitik nicht nur auf dem Papier steht, sondern konkret umgesetzt wird. Der große deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe sagte einmal: „Es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“ Und in diesem Sinne handeln Chinas verantwortliche Staatsorgane mit der beschriebenen Gesetzesinitiative.
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