Aktivisten fordern mehr Überwachung der Ausbeutung von Arbeitskräften in einem Online-Kreuzzug, der von Software-Entwicklern gegen den in der chinesischen Technologieindustrie weit verbreitet 996-Arbeitszeitplan angeführt wird.

Die Regeln, nach denen die Mitarbeiter von neun bis neun Uhr an sechs Tagen in der Woche ohne Überstundenvergütung arbeiten müssen, gerieten unter Beschuss, nachdem ein Programmierer „996.ICU“ erstellt hatte, eine Seite auf der Code-Sharing-Plattform GitHub.com. Die Seite erhielt sofort große Aufmerksamkeit aus dem In- und Ausland.

Der Name „996.ICU“ bezieht sich auf ein Sprichwort unter chinesischen Entwicklern, dass nach dem Zeitplan von 996 das Risiko besteht, auf einer Intensivstation zu enden.

In den Wochen nach der Gründung von 996.ICU im März erhielt die Seite bislang fast 200.000 Sterne - was auf die Beliebtheit unter den Nutzern schließen lässt.

Benutzer haben Tech-Unternehmen aufgelistet, die den 996-Zeitplan verwenden, und anschließend eine Lizenzvereinbarung geschlossen, die es diesen Unternehmen verbietet, ihre Codes zu verwenden. Die Seite „996.ICU“ wurde bald auf mehreren Plattformen einschließlich des Messaging-Tools WeChat und des UC-Browsers blockiert.

Der Zeitplan für 996 wurde angeblich im Jahr 2016 erstmals von 58.com, einer großen Online-Website mit Anzeigen, angewendet.

Jiang Ying, Professorin an der China University of Labour Relations und ein führende Expertin für Chinas Arbeitsrecht, sagte, der seltene Protest von Mitarbeitern, die an Schlafmangel leiden, unterstreiche die großen Schwierigkeiten, mit denen die Arbeitnehmer konfrontiert sind, die ihre Rechte verteidigen würden.

„Wenn sie zum Schutz auf das Rechtssystem zurückgreifen, gibt es einen zu zahlenden Preis: Zeit, Geld und das Risiko, den Job zu verlieren. Folglich gehen sie in den Cyberspace", sagte sie.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Überstunden, Prämien und Sozialleistungen für jene Arbeitnehmer zu zahlen, die Überstunden leisten. Aber viele Mitarbeiter von Tech-Unternehmen gaben an, dass sie darauf vergeblich hofften.

Ein leitender Entwickler des E-Commerce-Riesen Alibaba, der ungenannt bleiben wollte, sagte, dass der Zeitplan nicht zwingend vorgeschrieben sei. Die Nichteinhaltung der Regeln könne jedoch zu niedrigen Leistungsbewertungen und Entlassungen führen.

„Aufsässiges Verhalten kann auch dazu führen, dass man seinen Jahresbonus verliert, was sehr viel Geld bedeutet", sagte er.

Um die Arbeiter besser vor harten Behandlungen zu schützen, schlug Jiang vor, die Aufsicht und die Beschwerdesysteme zu verbessern.

Das Arbeitsgesetz in China schreibt vor, dass die Arbeitszeit eines Angestellten durchschnittlich acht Stunden pro Tag oder 44 Stunden pro Woche nicht überschreiten sollte. Arbeitgeber können die Arbeitszeit nach Absprache mit einem Arbeitnehmer verlängern, die zusätzliche Belastung darf jedoch nicht mehr als drei Stunden pro Tag oder 36 Stunden pro Monat betragen.

Der 996-Arbeitszeitplan kann jedoch die wöchentliche Arbeit leicht auf 60 Stunden steigern.

Jiang sagte, dass Technologiefirmen die fortschrittlichste Produktivkraft des Landes darstellen würden und deshalb auch die Weisheit haben sollten, einen effektiveren Weg zur Verbesserung der Produktivität einzuschlagen.

Zhao Wei, Professorin für Industrie-Soziologie an der Beijing Normal University, sagte, die neuen Branchen, die von Internet-Unternehmen angeführt werden, haben die Berechnung der Arbeitsbelastung revolutioniert und Überstunden unkenntlicher werden lassen.
„Die Arbeitsgesetze sollten im Hinblick auf neue Industrien überarbeitet werden - was im heutigen Fall die Informationsbranche ist", sagte sie.