Chinas Botschafter in Deutschland, Wu Ken, im Interview mit "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"

06.05.2019

China hat bereits 90 Milliarden Dollar in die neue Seidenstraße investiert und in anderen Ländern Infrastrukturvorhaben finanziert, von deren Bau meistens nur chinesische Unternehmen profitiert haben.


China ist Initiator und Ideengeber der neuen Seidenstraße. Und deshalb hat China in den ersten Jahren auch viel Anschubfinanzierung geleistet. Aber das muss ja nicht so bleiben. Siemens hat vor einem Monat mit uns eine   Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Der Konzern wird sich mit chinesischen Unternehmen an Projekten beteiligen. Die britische Bank Standard Chartered wird bis 2020 mindestens 20 Milliarden Dollar für   Seidenstraßen-Projekte bereitstellen. Auch der amerikanische Konzern General Electric hat einen Auftrag in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar erhalten. Von dieser Zusammenarbeit kann also jeder profitieren.


Nur darf die neue Seidenstraße keine Einbahnstraße von China nach Westen sein. Westliche Unternehmen wollen gleichwertigen Zugang zu chinesischen Märkten. Wie offen ist China inzwischen?


Schnell wachsende Unternehmen drängen ins Ausland. Für die exportstarke deutsche Wirtschaft ist das schon lange so. Das Recht auf Globalisierung kann   nicht nur für westliche Unternehmen gelten. Deutsche Unternehmen sind seit 40 Jahren in China sehr aktiv. Volkswagen hat in den achtziger Jahren angefangen. Schon zu meinen Studienzeiten war der Santana das bekannteste   Automodell in der Volksrepublik. Voriges Jahr hat VW von insgesamt 10,8 Millionen Autos 4,2 Millionen in China verkauft. Wollen Sie immer noch behaupten, dass unser Markt nicht offen ist?


Nun haben die Chinesen für viele Milliarden Euro Unternehmen in Deutschland gekauft – darunter den Robotik-Spezialisten Kuka. Das hat die Deutschen alarmiert.


Stimmt, die Skepsis bekommen chinesische Investoren sehr wohl zu spüren. Dabei haben die Deutschen inzwischen 80 Milliarden Euro in China investiert, wir dagegen nur 11 Milliarden in Deutschland. Als ehemaliger außenpolitischer Berater des Gouverneurs von Guangdong weiß ich, wie viele ausländische Unternehmen allein in dieser Provinz investiert und chinesische Unternehmen zu 100 Prozent übernommen haben. Umgekehrt haben chinesische Investoren leider zunehmend Probleme auf dem europäischen und auch auf dem deutschen Markt.


In welcher Hinsicht?


Nach der Übernahme des Robotik-Konzerns Kuka durch die chinesische   Midea-Gruppe sind die gesetzlichen Hürden für uns erhöht worden. Jetzt kommen bestimmte Geschäfte nicht mehr zustande. Eine chinesische Firma etwa wollte 20 Prozent des Stromnetzbetreibers 50 Hertz übernehmen. Die Verhandlungen liefen gut, aber plötzlich hieß es dann: Nein, eine Übernahme sei nicht mehr möglich. Sehr schade.


China erscheint sehr intransparent. Man weiß nicht, wer sich hinter den chinesischen Investoren verbirgt. Das gilt auch für den Technologiekonzern Huawei, dessen Beteiligung am 5G-Netzausbau umstritten ist.


Huawei ist ein privates unabhängiges Unternehmen. Der Vorwurf der verdeckten Spionage für den chinesischen Staat, wie ihn die Vereinigten Staaten aufgebracht haben, entbehrt jeder Grundlage. Wo sind überhaupt dafür die Beweise? Die weltweite Kampagne Amerikas gegen Huawei ist politisch motiviert. Huawei hat technologisch mit den amerikanischen Konzernen gleichgezogen. Für die Vereinigten Staaten ist das unerträglich.


Sie vermuten also reine Wettbewerbsgründe für die Spionagevorwürfe?


Ja. Das ist Mobbing gegen chinesische Tech-Unternehmen.


Unternehmen können in China sehr schnell in den Griff der chinesischen Regierung geraten. Und der Huawei-Gründer gilt als regierungsnah.


Die Beziehung von Huawei zur chinesischen Regierung ist nicht enger als die von Volkswagen zur deutschen Politik. Im Gegenteil. VW ist zu 20 Prozent in staatlicher Hand. Die chinesische Regierung ist dagegen an Huawei mit keinem Cent beteiligt.

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Quelle: F.A.S./ CRI

Schlagworte: Interview,Botschafter,Deutschland