Traditionelle chinesische Holzschnittkunst

Besuch beim Küchengott Exklusiv

10.05.2019

von Elke Lütke-Entrup, München und Beijing

 

Die Münchnerin Ingrid Jansen (78) sammelt seit ihrem Aufenthalt in Beijing von 1986 bis 1988 begeistert chinesische Volkskunst, u.a. Scherenschnitte, Holzschnittdrucke und Bauernmalereien. Während ihr Mann Theo Jansen als Projektleiter half, das chinesische Patentamt aufzubauen, besuchte sie Volkskünstler. Ihre Sammlungen hat sie deutschlandweit bereits in mehr als 40 Ausstellungen gezeigt und ebenso viele Vorträge gehalten. Die Motive ihrer 300 Holzschnittdrucke umfassenden Sammlung stammen zum Teil noch aus der Qing-Dynastie. Im 17.Jahrhundert erreichte der Farbholzschnitt in China seine große Vollendung und war im ganzen Reich verbreitet. Im Interview mit China.org.cn erzählt sie von ihrer Leidenschaft.


 Ingrid Jansen sammelt seit 30 Jahren chinesische Holzschnittdrucke


China.org.cn: Frau Jansen, Sie sind gelernte Buchhändlerin. Was hat sie im Jahr 1986 in China dazu gebracht, Abbildungen aus dem Holztafelschnitt zu sammeln?


Ingrid Jansen:Wissen Sie, das war eine ganz andere Zeit, damals. Ich hatte viel Zeit, mich mit chinesischer Kultur zu beschäftigen. Um sechs Uhr abends ist man nicht mehr rausgegangen und auch die Restaurants haben nichts mehr angeboten. Die Straßen in Beijing hatten oft drei Spuren, eine war für Autos und zwei für Fahrräder. Es gab fast keine Pkws. Wenn überhaupt, sind die Leute Lastwagen gefahren, um größere Dinge transportieren zu können. Wir wohnten außerhalb des Stadtzentrums im Freundschaftshotel. Morgens in der Früh kamen die Bauern vom Land mit den Mauleseln in die Stadt, um auf dem Markt ihre Waren zu verkaufen. Trap trap trap machte das, das höre ich noch heute. Die dürfen heute gar nicht mehr in die Stadt. Ich habe damals viele Übersetzungen chinesischer Romane gelesen und war schon lange an chinesischer Tradition interessiert. Während mein Mann arbeitete, habe ich zu Fuß chinesische Märkte und Geschäfte besucht.


 Ingrid Jansen beim Besuch der Druckerei Taohuawu in der Stadt Suzhou


Wo haben Sie die Holzschnittdrucke gefunden?


Die ersten Holzschnittdrucke habe ich zufällig auf Antiquitätenmärkten gesehen und gekauft. Ich kaufte, was mir gefiel, und so kamen, auch auf vielen Reisen, schnell mehr als 300 verschiedene Einzelblattdrucke zusammen. Meine komplette Sammlung stammt aus China. Es gibt zwei Arten von Holzschnittdrucken: Eine, die alte Meister mit dem Holzschnitt kopiert, und deren Drucke wie gemalt, nicht wie gedruckt aussehen. Viele davon habe ich in der berühmten Werkstatt von Rong Bao Zhai in Beijing gefunden. Die anderen sind bäuerliche Holzschnitte, deren Drucke als Holzschnittdrucke erkennbar sind. Später bin ich extra zu Holzschnittwerkstätten in Shandong und Suzhou gefahren, um mir das Druckverfahren anzusehen und weitere Drucke zu kaufen. Einmal waren wir in Luoyang und haben uns die Longmen-Grotten angesehen. Dort waren ein Geschäft und ein lieber Mann, der ganz viel wusste und Holzschnitte verkaufte. Ich habe voll zugegriffen.

 

Waren die Holzschnitte teuer?


Für uns Ausländer war es nicht viel Geld. Aber jeder Druck war eine Einzelanfertigung, und für jede der meist fünf Farben gab es eine extra geschnittene Druckplatte. Leider wurden sie damals noch auf schlechtem, dünnem Papier gedruckt. In den 80er-Jahren gab es in China ja noch Papiermangel.


 Demonstration des Druckverfahrens in einer Holzschnittdruckerei in Shandong


Was genau hat sie an den Holzschnittdrucken fasziniert?


Ich mochte diese enorme klare Farbenpracht, die auf den Farben, rot, gelb, violett und grün beruht. Zuerst wird schwarz gedruckt und dann kommen die verschiedenen Farben. Die Symbolik der Bilder hat mich sehr berührt. Unsereiner sieht einen Pfirsich und der Chinese sieht den Wunsch nach einem langen Leben. Der Granatapfel hat auch bei uns die Bedeutung der Fruchtbarkeit, weil er so viele Kerne hat. In China ist die Symbolik in vielen Bereichen ganz geläufig. Ich versuche immer, die jeweilige Bedeutung des Dargestellten herauszufinden.

 

Wie gehen Sie dabei vor?


Sehr viel habe ich aus Büchern gelernt und vieles haben mir Chinesen vor Ort erzählt. Ich reise alle zwei bis drei Jahre für mehrere Wochen nach China und kaufe dabei immer Bücher, mit Erklärungen zu den Abbildungen, die ich besitze. Jedes Mal schicke ich eine Kiste mit Büchern nach Hause. Es gibt leider nur wenige deutschsprachige fachspezifische Bücher und Kataloge. Eines stammt von der Österreicherin Else Unterrieder „Glück ein ganzes Mondjahr lang“ oder das Buch „Göttliches Walten und irdisches Glück“ vom Museum für Asiatische Kunst in Berlin. Auch das Konfuzius-Institut München hat mir bei der Interpretation der Werke sehr geholfen.

Wie reagieren deutsche oder europäische Betrachter auf Ihre Sammlung?


Wenn ich die Hintergründe erkläre, sind die meisten begeistert, auch von der Kunstfertigkeit der Holzschnitte. Die vielen feinen schwarzen Linien auf den Drucken sind ja alle aus Holz geschnitten. Ich muss allerdings immer dabei sein, um die Werke zu erklären. Es gibt in Deutschland so viel China-Kitsch, der nichts mit der wunderbaren traditionellen Kunst des Volkes zu tun hat.

 

Das Spiel mit der goldenen Kröte: Dargestellt sind die zwei Zwillingsgenien He He, zwei Harmonie und Wohlstand bringende Gottheiten, die mit der dreibeinigen Kröte des Reichtum-Bringers Liu Hai spielen. Die Kröte wohnt im Mond, den sie alle vier Wochen auffrisst. Sie kann auch Geld spucken und ist ein Symbol für langes Leben, weil sie sehr alt werden kann.


Welche Motive sind auf den Farbholzdrucken immer wieder zu finden?


Vor allen Dingen Götter, Pflanzen und Tiere, die für verschiedene Hoffnungen und Wünsche stehen, aber auch Bilder aus dem täglichen Leben und besonders Opern und Theaterszenen, welche die alten Sagen und Legenden tradieren. Viele Bauern waren damals, wie bei uns, Analphabeten. Volksbräuche und Geschichten wurden mündlich überliefert. Aus diesem Grund waren bei uns ja auch die Kirchen mit Heiligengeschichten ausgemalt.

 

Welches ist ihr Lieblingsmotiv und warum?


Das ist der Tiger, der König der wilden Tiere. Er beschützt das Haus und ganz besonders die kleinen Kinder. Er vertreibt Dämonen und alles Böse. Sein Bild wird in der Mitte der Haupthalle eines Hauses aufgehängt. Es gibt ihn auch in vielen anderen Variationen. So zum Beispiel als Tigermütze, Tigerschuhe und Tigerkopfkissen.


Tiger: Der Tiger ist der König der wilden Tiere. Das Schriftzeichen Wang = König hat er auf der Stirn. Er kommt aus den Bergen und vertreibt die bösen Geister und Dämonen. Er beschützt das Haus und alle, die darin wohnen, ganz besonders die kleinen Kinder. Deshalb wird der Tiger in der Mitte der Hauthalle eines Hauses aufgehängt.


Auch den Küchengott mag ich sehr gerne. Ich habe ihn zum ersten Mal in einem chinesischen Haus über einem gemauerten Ofen entdeckt und gleich ein Foto davon gemacht. Er hängt in vielen chinesischen Küchen und wacht das ganze Jahr über das Haus und dessen Bewohner. Der Legende nach verlässt der Küchengott sieben Tage vor dem Neujahrsfest das Haus – er wird verbrannt – um dem himmlischen Jadekaiser über die Vorkommnisse des vergangenen Jahres Bericht zu erstatten. Vorher wird ihm geopfert und er bekommt häufig süß-klebrigen Reis um den Mund gestrichen, damit er dem Jadekaiser nur Süßes über die Familie berichten kann. Vier Tage nach dem Neujahrsfest kehrt er zurück und sein Bild wird mit Früchten und Tee empfangen.


Vielen Dank für das Gespräch.

Das wohlgenährte Kind mit dem Karpfen, auch „Der Karpfen springt über das Drachentor“: Wohlgenährt zu sein war in China lange Zeit sehr erstrebenswert. Ein Karpfen ist ein Wanderfisch und schwimmt zum Laichen den Fluss hoch. Dabei muss er viele Stromschnellen überwinden. Diese Anstrengungen versinnbildlichen die drei Staatsprüfungen, die zu einem hohen Amt führen. Der Karpfen verwandelt sich dabei in einen Drachen, der Stärke und Macht symbolisiert. Er bringt auch Reichtum, was sein Schwanz aus Münzen zeigt.


Fu, Lu, Shou: Die drei abgebildeten Götter, auch „drei Sterne“ genannt, heißen Fu, Lu und Shou. Sie sind im chinesischen Volksglauben Götter der drei Gaben Glück (Fu), Wohlstand (Lu) und Langlebigkeit (Shou). Man findet sie auch in Deutschland in vielen chinesischen Restaurants und Geschäften.

Kalenderblatt aus dem Jahr 1984: Eine Familie beim Festmahl zum Frühlingsfest. Während in den alten chinesischen Kalendern an der Seite die taoistischen „acht Unsterblichen“ dargestellt wurden, zeigen Kalender ab den 1980er Jahren acht Bauern. Auch der Küchengott mit seiner Frau, der zuvor in der Mitte saß, räumte seinen Platz für den Bauern und die Bäuerin.


Kalenderblatt aus dem Jahr 1988: Das Kalenderteil oben stellt eine Synopse zwischen dem gregorianischen Kalender und dem Mondkalender dar, wobei alle Zahlen hier auf Chinesisch geschrieben sind. Er zeigt 24 Zeitabschnitte für die Landwirtschaft. Unten befinden sich Ratschläge und Prophezeiungen. Das Bild unter dem Kalender ist dreigeteilt. Oben in der Mitte thront der Gott des Glücks. Die Figuren rechts und links von ihm weisen sich mit ihren Schriftfahnen als „Reichtum bringender Knabe“ und „Gott des gewinnbringenden Handels“ aus. Darunter in der Mitte sitzt der Herdgott mit seiner Gemahlin. Zwischen ihnen steht ein „Schätze sammelndes Becken“ und darüber ist eine große Münze zu sehen. Ganz unten, vor dem „Gott des Reichtums“ steht eine Schale, die mit Kostbarkeiten gefüllt ist. Zum Zeichen seiner Würde und Bedeutung hält der Gott ein Zepter in seiner rechten Hand. Hahn und Hund zu seinen Füßen sind Symbole für Glück und Treue. Die taoistischen acht Unsterblichen sind jeweils zu viert übereinander am rechten und linken Bildrand dargestellt. Der Mondkalender soll schon 2000 Jahre vor Christus entstanden sein. Seine 24 Zeitabschnitte richten sich nach dem Wetter, das im Bereich des Gelben Flusses, nördlich von Xi’an, im Gebiet des Lösshochebene herrscht. Hier vermutete man lange Zeit die Wiege der chinesischen Kultur. 


Kalenderdeckblatt aus dem Jahr 1984: Eine Bauernfamilie beim Laternenfest, welches 14 Tage nach Beginn des neuen Jahres das chinesische Neujahrsfest abschließt. Die Laterne steht deshalb im Vordergrund, weil sie auch ein Fruchtbarkeitssymbol ist. Jetzt beginnt die Feldarbeit und man hofft auf eine gute Ernte.


Küchengott mit seiner Frau: Er hängt in vielen chinesischen Küchen und wacht das ganze Jahr über das Haus und dessen Bewohner. 


Weiterer Holschnittdruck eines Tigers


„Die glückliche Nachricht, dass alle drei Prüfungen am kaiserlichen Hof bestanden wurden" : Die Elstern, die Freudenbringer, verkündigen die frohe Nachricht. Jeder konnte an den Prüfungen teilnehmen und nach Bestehen ein Amt am Hof annehmen. Im unteren Bildteil sind jeweils ein Pfirsich und ein Granatapfel zu sehen. Sie versprechen ein langes Leben und viele Nachkommen. Die drei runden Früchte symbolisieren zum einen die drei Prüfungen, zum anderen die Fruchtbarkeit. Ihre Beamtenhüte haben die beiden glücklichen Söhne schon mitgebracht.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Holzschnittkunst,China,Deutschland,Ingrid Jansen,Sammlung