Weltwirtschaftsforum
Davos 2020 – Präsident Xis Rede von 2017 aktueller denn je? Exklusiv
von Dr. Michael Borchmann, Wiesbaden
Die nunmehr 50. Auflage des World Economic Forums (WEF) findet zwischen dem 21. und 24. Januar 2020 wiederum im schweizerischen Davos-Klosters statt. Sie steht unter dem Motto "Stakeholders for a Cohesive and Sustainable World" ("Akteure für eine kohärente und nachhaltige Welt"). Die Vorzeichen für die Beratungen sind klar: „Klima und Umwelt dominieren heuer die Sorgen der WEF-Elite“, formulierte in diesen Tagen die Neue Zürcher Zeitung. Dieses Thema ist eine ernste, viele Menschen bewegende Frage, auch jenseits der Tendenz in westlichen Medien und Aktionsgruppen, andere wesentliche Probleme hinter ein besonders schlagzeilenträchtiges Thema zurücktreten zu lassen.
Aber: Es wäre naiv, die Umwelt- und Klimafrage isoliert von anderen zentralen Risiken und Herausforderungen für die Weltgemeinschaft zu betrachten. Und solche gibt es viele. Da sind die wirtschaftlichen Konflikte zu nennen ebenso wie die politischen. Da sind die Gefahren durch Cyberattacken ebenso zu nennen wie diejenigen durch politische Instabilitäten in einzelnen Ländern, auch bedingt durch Ungleichheit und Armut. Denn wirtschaftliche und politische Risiken haben zugleich einen zentralen Einfluss auf alle Aktivitäten zum Klimaschutz - mindern sie doch die Möglichkeiten der Staaten und der Weltgemeinschaft, angemessen auf die umfassenderen Umweltschäden durch den Klimawandel zu reagieren.
Für all diese Risiken sehe ich nur einen alternativlosen Lösungsweg: Ein Zusammenrücken der Weltgemeinschaft, ein vertrauensvolles Zusammengehen aller zum allseitigen Nutzen und zur Bewältigung der großen Herausforderungen der Zeit. Und diese Erkenntnis ist zum einen nicht neu und zum anderen wurde sie vor drei Jahren auf dem WEF 2017 mit Klarheit und analytischer Schärfe dargelegt. Es war damals die weltweit Aufsehen erregende Rede des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, der eine Plädoyer für Globalisierung und einen gemeinsamen Weg der Weltgemeinschaft zum Wohle aller hielt.
Die führende deutsche Wirtschaftszeitung Handelsblatt formulierte damals: „Klaus Schwab (Anm.: Der Gründer des WEF) mag es gerne nüchtern. Doch nach der Rede des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping am Dienstag in Davos wurde selbst der zurückhaltende Gründer des Weltwirtschaftsgipfels etwas auftrumpfender: ‚Das war eine sehr, sehr wichtige Rede an einem historischen Zeitpunkt‘ sagte er kurz nach dem allerersten Auftritt eines chinesischen Präsidenten in der Davos-Gipfelgeschichte.“ Und weiter: Präsident Xi zeige sich ebenso staatstragend wie verantwortungsvoll – als offener, liberaler Weltbürger.
Auch der Klimawandel sei eine entscheidende Herausforderung, so Präsident Xi bereits 2017 in Davos. Es sei wichtig, die Umwelt zu schützen – auch wenn man soziale Fortschritte wolle. Aber der chinesische Präsident sah dieses Thema zu Recht nicht isoliert, sondern eingebettet in die anderen entscheidenden Zukunftsfragen der Weltgemeinschaft. Dabei identifizierte er drei Schlüsselprobleme. Erstens müssten neue Wachstumsmotoren aktiviert werden, damit das Wirtschaftswachstum wieder in die Gänge komme. Zweitens gelte es, die globalen Institutionen zur Zusammenarbeit zu überarbeiten; die Weltwirtschaft habe sich fundamental geändert, aber das habe sich nicht in Anpassungen der Institutionen niedergeschlagen. Drittens müsse das wirtschaftliche Auseinanderdriften angegangen werden. Zu letzterem machte er sehr deutlich, dass Ungleichheit in der Einkommensverteilung und in den Entwicklungsmöglichkeiten gefährlich seien. Zu viele Menschen lebten noch in extremer Armut. Dem entgegenzuwirken, sei eine der wichtigsten Aufgaben. Die Ungleichheit nehme zu, und für viele Familien seien ein warmes Haus, ein Essen und ein sicherer Job noch immer ein weit entfernter Traum. In der Tat sei das. Denn diese Probleme seien ein wichtiger Grund für die sozialen Spannungen und damit eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wie sehr dem chinesischen Staatspräsidenten gerade dieses Problem am Herzen liegt, lässt sich an der jüngeren inneren Entwicklung in China ablesen. Dieser Tage besuchte ich den Neujahrsempfang einer Parlamentsfraktion im Bundesland Hessen. Man hatte als Festredner den Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx eingeladen, um Erkenntnisse für die Politikgestaltung der Zukunft zu gewinnen. Und Horx bezeichnete es als eine der herausragenden politischen Leistungen der jüngeren Zeit, dass die VR China innerhalb von zehn Jahren viele Menschen aus bitterster Armut herausgeführt habe.
Dies ist aber wiederum nur auf der Grundlage eines soliden wirtschaftlichen Wachstums möglich, ebenso – wie schon erwähnt – auch eine effektive, nicht zum „Nulltarif“ mögliche Klimapolitik.
Und dieses Wachstum ist nur möglich durch einen globalen, offenen Welthandel. Aktuelle Bestrebungen zu Abschottung und Protektionismus gefährden Wachstum und Wohlfahrtszugewinn und damit die Bewältigung aller anderen drängenden Probleme der Zeit. Auf dem von China und Frankreich im vergangenen März gemeinsam in Paris veranstalteten Global Governance-Forum hat Präsident Xi „vier Defizite" in globalen Angelegenheiten angesprochen, nämlich ein Governance-Defizit, ein Vertrauensdefizit, ein Friedensdefizit und ein Entwicklungsdefizit. All diese Dinge sollten die Akteure in Davos im Auge behalten und nicht nach isolierten Lösungen suchen. In dieser unserer Welt voll von Verwerfungen, Unruhen und Problemen ist das große Land China ein Hort wirtschaftlicher Weiterentwicklung und innerer Stabilität. Wenn also der Staatschef eines solchen Landes 2017 in Davos bereits zu Offenheit und harmonischem, vertrauensvollem Miteinander aufgerufen hat, so möge - das wünsche ich mir - der Geist dieser Worte auch 2020 auf fruchtbaren Boden fallen.
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