Kommentar

Kritik am „Hongkong-Gesetz" – Eine massive Polemik, die die Fakten nicht kennt oder verschweigt Exklusiv

03.07.2020

Von Dr. jur. Michael Borchmann, Wiesbaden


Das „Gesetz der Volksrepublik China zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit in der Sonderverwaltungszone Hongkong" trat am 30. Juni 2020 um 23:00 Uhr Ortszeit nach Verabschiedung auf der 20. Tagung des Ständigen Ausschusses des 13. Nationalen Volkskongresses in Kraft. Ein Gesetz, zu dem es sowohl im Vorfeld der Beratungen als auch sofort nach dem Inkrafttreten zahlreiche china-unfreundliche Kommentare von Institutionen und Personen gab, von denen regelmäßig Kritik an China zu hören ist. Was mich persönlich daran vor allem stört, ist die allseits verbreitete politisch-polemische Behauptung, damit würden die Autonomie der Sonderverwaltungszone, das von „Mainland-China" abweichende Wirtschaftssystem, die Rule of Law und überhaupt die Freiheitsrechte der Bürger Hongkongs abgeschafft. In diese Richtung hat der Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zu China des Europäischen Parlamentes agitiert – ein deutscher Grüner, der für seine chinafeindlichen Positionen bekannt ist (die Autonomie Hongkongs werde „zerstört"), ferner vor allem natürlich erwartungsgemäß US-Außenminister Mike Pompeo (China wolle sich Hongkong „einverleiben"). Und auch die EU-Staaten glaubten auf eine gemeinsame Erklärung gegen das Gesetz nicht verzichten zu können, wobei man sich allerdings auf die Äußerung von „Bedenken" beschränkte. Bei all diesen Angriffen vermisst man regelmäßig eine konkrete Begründung anhand der gesetzlichen Vorschriften, die man wohl überhaupt nicht angesehen hat oder möglicherweise nicht anschauen wollte. Ich vergleiche dies einmal mit einem Filmkritiker, der in einer Zeitung eine Filmkritik schreibt, ohne den Film zuvor angeschaut zu haben.



Vielmehr kann man das neue Hongkong-Gesetz nur dann sachlich bewerten, wenn man in der Tat zuvor ausführlich in dieses Gesetz und natürlich auch in das Grundgesetz Hongkongs hineingeschaut hat.


Lassen Sie mich mit dem Grundgesetz Hongkongs beginnen. In dessen Art. 1 heißt es, dass die Sonderverwaltungszone Hongkong unabänderlich ein Bestandteil der Volksrepublik China ist. Und Art. 12 unterstreicht, dass Hongkong eine mit einem hohen Grad an Autonomie ausgestattete Region ist, die unmittelbar der chinesischen Zentralregierung unterstellt ist. Das heißt, der Vorwurf eines „Einverleibens" ist bar jeglicher Logik und von hoher Absurdität: Man kann sich nicht einverleiben, was zu einem ohnedies untrennbar gehört. Art. 2 garantiert den Organen von Hongkong ferner die Ausübung eines „hohen Maßes" an Staatsgewalt, wobei „hohes Maß" auch bedeutet: Keine absolute und ausnahmslose. Und – leider muss dieser Kommentar aufgrund der unzutreffenden Polemiken noch weiter „juristisch" bleiben – Hongkong wird ferner die Beibehaltung des kapitalistischen Systems und des privaten Eigentums garantiert (Art. 5, 6). Schließlich auch dies: Für die Außenbeziehungen Hongkongs und die Verteidigung (Art. 13, 14) ist die Zentralregierung in Beijing zuständig.


Werfen wir nun einen Blick in das neue Sicherheitsgesetz selbst: Dieses Gesetz bringt bereits in seiner Einleitung mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass sein Zweck in der Gewährleistung der Nationalen Sicherheit liegt. Dabei geht es um das Unterbinden von Separatismus, Subversion und terroristischen Aktivitäten, ferner um die Unterbindung der Kollaboration mit ausländischen Kräften. Und Hongkongs Organen wird von der Zentralregierung ausdrücklich die Aufgabe übertragen, die Durchführung des Gesetzes bezüglich der meisten Straftaten in der Sonderverwaltungszone zu übernehmen. Ihnen wird zudem aufgegeben, interne Organisationsverbesserungen vorzunehmen (z.B. nach Art. 12 Einrichtung eines Ausschusses zur Überwachung der Nationalen Sicherheit, Art. 16 Einrichtung einer spezialisierten Abteilung in der Polizeibehörde oder auch Art.  18 Einrichtung einer spezialisierten Abteilung bei den Justizbehörden). Für alle Verfahren gelten die verbürgten Garantien des Grundgesetzes von Hongkong weiter wie etwa die Menschenrechte, die Freiheitsrechte (Meinungs-, Presse- und Demonstrationsfreiheit), das Rechtsstaatsprinzip (Rule of Law) und die Unschuldsvermutung. Juristisch tätig werden zentralstaatliche Organe nur dann selbst tätig, wenn ausländische Kräfte involviert sind oder es um die Gefährdung gesamtstaatlicher Belange der VR China geht (Art. 55).


In der lancierten Kritik ist endlich wiederholt von Strafen nicht unter 10 Jahren die Rede. Solche sind etwa angedroht bei Separatismus und Abspaltungsaktivitäten, Subversion (u.a. Angriffen auf staatliche Organe) oder Terrorismus (u.a. Gewalt gegen Personen, radioaktive oder Giftanschläge, Anschläge auf Transportmittel). Aber: Wer hier die Höhe der Strafandrohung kritisiert, sollte nicht übersehen, dass staatsgefährdende Delikte allerorten mit hohen Strafen sanktioniert sind. Werfen wir einfach einen Blick auf eine entsprechende deutsche Regelung:


Hier heißt es im nationalen Strafgesetzbuch:

„(1) Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt

1.   den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder

2.   die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,

wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren."

 

Und im Strafgesetzbuch von Deutschlands Nachbarland Österreich heißt es etwa: „Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen."

 

All dies macht deutlich, wie sachlich unbegründet, wie voreingenommen die Kritiken an Chinas Hongkong-Gesetzgebung sind. Nicht das neue Gesetz stellt eine Gefahr für Hongkong dar, gefährdet waren Wirtschaft und auch Bürger durch immer mehr ausufernde Bandenaktivitäten, durch die Geschäfte zerstört und geplündert wurden, die öffentliche Sicherheit auf den Straßen nicht mehr gewährleistet war und sogar das Parlamentsgebäude attackiert und massiv geschädigt wurde. Aber es gibt leider Kräfte, die an den Fakten nicht interessiert sind, sondern einfach nur schlechte Nachrichten über China verbreiten wollen. Wie auch immer: Unwahrheiten und Lügen werden nicht dadurch zur Wahrheit, dass sie immer wieder wiederholt werden. Von Deutschlands wohl größtem Dichter Goethe stammt das Zitat: „Getretener Quark wird breit, nicht stark." Auch dies bedeutet: Etwas Inhaltsloses wird durch Wiederholung nicht gehaltvoller.

 

Der Autor ist Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D. und Beirat der CIIPA des Handelsministeriums der VR China. Die Meinung des Autors spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Hongkong,nationale Sicherheit,Autonomie,Grundgesetz