Gemeinsam statt gegeneinander
Kommentar zu Xi Jinpings Rede auf dem Davos-Forum Exklusiv
von Oliver Eschke, Beijing
Es ist eine Tradition, der auch die Pandemie nichts anhaben konnte: Jeden Januar treffen sich die Größen der globalen Politik und Wirtschaft im schweizerischen Davos, um die Weltlage zu besprechen. Wie schon 2017, als er direkt nach Donald Trumps Wahl ein flammendes Plädoyer für den Freihandel hielt, stand auch dieses Jahr Xi Jinping im Zentrum der Aufmerksamkeit. Eindringlich warb er für mehr Multilateralismus und erinnerte daran, dass die ganze Menschheit im selben Boot sitzt.
Chinas Präsident Xi Jinping bei seiner Rede auf dem virtuellen Davos-Weltwirtschaftsforum, die er am 25. Januar 2021 in Beijing hielt.
Ein bisschen musste das Forum aufgrund der Pandemie dann doch mit der gewohnten Tradition brechen. Wie die meisten Großevents im vergangenen Jahr musste auch das Weltwirtschaftsforum virtuell durchgeführt werden. Auch thematisch überschattete die Jahrhundertkrise natürlich alle übrigen Themen.
Unterschiede sind keine Hindernisse
Präsident Xi Jinping machte in seiner Rede sofort klar, dass alle globalen Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert sei, nicht von einem Land allein gelöst werden, sondern müssten durch gemeinsames Handeln angegangen werden könnten. Er ignorierte dabei nicht die offensichtlich bestehenden Differenzen zwischen einigen Ländern, mahnte aber, dass diese einer zielgerichteten Kooperation nicht im Wege stehen dürften: Keine zwei Blätter auf der Welt seien genau gleich, zog der Präsident einen Vergleich. Vielmehr verfüge jedes Land logischerweise über eine eigene Geschichte, Kultur und Gesellschaftsordnung. Diese Unterschiede würden jedoch nicht bedeuten, dass ein Land einem anderen überlegen sei. Unterschiede seien nicht beängstigend, sondern Arroganz, Vorurteile und Hass. Vor allem in der jetzigen Situation, in der mehr denn je ein Miteinander auf Augenhöhe notwendig ist, ist es daher fatal, wenn einige Länder weiter an einem solchen hierarchischen Denken festhalten.
Es gibt nur ein „Wir“ und kein „Wir gegen die anderen“
Wie wichtig diese Klarstellung ist, ist leicht zu verstehen, wenn man sich die Nachrichten der letzten Monate und speziell der letzten Wochen ansieht. Zu Anfang der Pandemie waren es Exportverbote für Schutzmasken oder lebensnotwendige Materialien in einigen europäischen Ländern. Jüngst sind es die Impfstoffe, für die einige Länder ihren eigenen Bürgern Priorität einräumen. Dass diese Abschottung nichts bringt, sogar kontraproduktiv ist, sollten die konstant hohen Infektionszahlen in diesen Ländern – vor allem in den USA und in Europa – eigentlich deutlich machen. Trotzdem scheint es vielen westlichen Regierungen weiterhin schwer zu fallen, ihr nationalistisches Denken abzulegen. Anstatt es China gleich zu tun und den Impfstoff als „öffentliches Gut“ zu behandeln, scheint weiterhin der Schutz der eigenen Bürger im Mittelpunkt zu stehen. Was fast noch schlimmer wiegt und langfristige katastrophale Folgen haben kann, ist das Augenverschließen vor offensichtlichen Problemen. Es ist unleugbar, dass viele europäische Länder unter den massiven Lieferverzögerungen der Vakzine von BioNTech, Moderna und AstraZeneca leiden. Statt jedoch auf China zuzugehen und die Vorteile aus der stabilen, zuverlässigen Produktion von Sinopharm und Co. zu nutzen, werden China, fast wie aus alter Gewohnheit, Machtgedanken unterstellt. Ländern wie Serbien oder Ungarn, die sich für den vernünftigen Weg entscheiden, werden als China-gehörig dargestellt.
Kein Siegeszug eines Landes ohne Siegeszug der ganzen Menschheit
Es war also dringend notwendig, dass Xi mit seiner Rede erneut daran erinnerte, dass die gesamte Menschheit im selben Boot sitzt und dieses nur zum rettenden Ufer gelangen kann, wenn alle in dieselbe Richtung steuern. In westlichen Ländern überwiegt - sei es auf Seiten einiger Politiker oder der Medien - derweil leider weiterhin ein Narrativ, das die Konfrontation betont. Als würde dieses lebensbedrohliche Virus die Länder in Sieger und Verlierer unterteilen, und nicht allen Menschen, egal aus welchem Land, gleichermaßen unvorstellbares Leid zufügen. Die Medien in diesen westlichen Ländern suggerieren in ihren Artikeln in großer Regelmäßigkeit, dass China die Krise zu seinem Vorteil nutzen wolle. Dabei übersehen die Autoren allerdings, dass es in dieser Krise keinen Sieger geben kann, sofern nicht die ganze Menschheit siegt.
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