Deutscher Sinologe: Die Regierungsfähigkeit der Kommunistischen Partei Chinas hat sich in der COVID-19-Pandemie bewährt
2021 markiert das 100-jährige Bestehen der Kommunistischen Partei Chinas. Veränderungen der internationalen Lage und eine globale Pandemie sind in diesem Jahr miteinander verflochten. Angesichts der Leistung Chinas im Kampf gegen die Pandemie sagt der deutsche Sinologieprofessor Dr. Helwig Schmidt-Glintzer in einem Interview mit der Beijing Rundschau, dass die Regierungsfähigkeit der KP Chinas sich in der COVID-19-Pandemie bewährt habe.
Professor Dr. Helwig Schmidt-Glintzer (Foto mit freundlicher Genehmigung des Interviewten)
Professor Dr. Helwig Schmidt-Glintzer ist Seniorprofessor der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und Direktor des China Centrum Tübingen (CCT). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Chinas sowie die europäische Beschäftigung mit China, wobei er der Entwicklung Chinas und seine Präsenz auf der Welt ständig große Aufmerksamkeit schenkt.
„Es ist der Partei gelungen, China zusammenzuhalten und zugleich zu einem Teil der Weltgesellschaft werden zu lassen“, sagt Schmidt-Glintzer. Er geht davon aus, dass Chinas Stimme künftig noch wichtiger werde, da sich die Welt nach dem Ende der COVID-19-Pandemie in vielfacher Hinsicht neu erfinden müsse. In diesem Zusammenhang analysiert er, dass China nun die eigene Politik erklären und zugleich möglichst rasch eine Strategie zur Öffnung des Reise- und Besuchsverkehrs entwickeln sollte. Zudem sei eine Stärkung der WHO im Hinblick auf zukünftige weltweite Gesundheitsgefahren erforderlich.
Für China ist 2021 ein besonderes Jahr, in dem sowohl die bisherigen Erfolge ausgebaut als auch nach neuem Fortschritt gestrebt werden muss.
Einerseits wird China in diesem Jahr den Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand vollenden, womit das erste der beiden Ziele „Zweimal hundert Jahre“ verwirklicht sein wird. Und China hat sein Ziel des Sieges über die absolute Armut planmäßig erreicht. „Der Beitrag Chinas zur Überwindung der weltweiten Armut ist beeindruckend“, so Schmidt-Glintzer. Gleichzeitig findet er die Entwicklung der Städte Chinas und der Ausbau der Infrastruktur imponierend, ebenso die Raumfahrtmission zur Erforschung der Rückseite des Mondes.
Andererseits beginnt in diesem Jahr der 14. Fünfjahresplan Chinas (2021-25), womit es einen neuen Marsch zum umfassenden Aufbau eines modernen sozialistischen Landes antritt und auf das zweite der beiden Ziele „Zweimal hundert Jahre“ zusteuert. In Bezug auf Chinas zukünftige Entwicklung meint er, dass es jetzt gelte, die Kreislaufwirtschaft weiter zu entwickeln und die ländlichen Regionen erneut zum Blühen zu bringen, unter Schonung von Natur und Umwelt. Neben dem Natur- und Artenschutz sollte China sich auch an die Spitze einer weltweiten Bewegung zur Schonung der globalen Ressourcen stellen und sich zusammen mit Russland und den anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern dafür einsetzen, die Arktis im Zuge des Klimawandels zum Naturschutzgebiet zu erklären, so Schmidt-Glintzer.
„In Chinas Entwicklung liegen zahlreiche Chancen für die Welt.“ In dem Maße, in dem China stärker und damit einflussreicher werde, könne es auch zunehmend seinen Anteil an der Sicherung der gemeinschaftlichen Güter wahrnehmen, erklärt er. Seiner Meinung nach sollte China auch in Zukunft in der Weltgemeinschaft eine führende Rolle bei den Bemühungen für Frieden und Abrüstung einnehmen, um die weltweiten wechselseitigen Bedrohungen zu mindern. Mit zunehmender Gestaltungsmacht sollte sich China auch in Fragen der Transparenz an die Spitze setzen und damit Standards setzen.
Allerdings stellt er bedauernd fest, dass die in China erreichte wirtschaftliche Stärke in Europa und anderen Teilen der Welt immer noch als Bedrohung gesehen werde. „Stattdessen sollten die daraus für alle erwachsenden Chancen deutlicher hervorgehoben werden“, meint er.
Er weist auf die Tatsache hin, dass China in den letzten Jahren in Deutschland viel stärker beachtet werde als vor zwanzig Jahren, trotzdem sei die Berichterstattung in den Medien, vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren, sehr einseitig geworden. „Während sich Europa durchaus in der Anknüpfung an die eigenen historischen Erfahrungen versteht, herrscht gegenüber China die Erwartung vor, es müsse sich europäisch-amerikanischen Vorstellungen fügen“, erklärt er und fügt hinzu, dass die Vielfalt und die Komplexität der bis heute in China wirkenden Erfahrungen der letzten Jahrhunderte meistens ausgeblendet werde. Um unter diesem Hintergrund das wechselseitige Verständnis zu verbessern, sollten seiner Meinung nach Deutschland und China auf allen Gebieten ihren Austausch weiter vertiefen, am besten durch ein gemeinsames Jugend- und Bildungswerk. Dabei misst er der Förderung des Schüler- und Studentenaustauschs sowie des Austauschs auf den Gebieten der Geistes- und Sozialwissenschaften besonders große Bedeutung bei.