Angst vor einem neuen Vietnam oder Afghanistan

Ist Taiwan die nächste Schachfigur, die die USA wegwerfen?

17.08.2021

Der abrupte US-Truppenabzug und das anschließende Chaos in Afghanistan bereiten auch anderen Verbündeten der USA große Sorgen, wie Washington im Fall eines Konflikts tatsächlich mit ihnen umgehen würde. Lokale Medien auf der Insel Taiwan befürchten, dass auch sie einfach im Stich gelassen werden könnte.

 

Ein US-Chinook-Hubschrauber fliegt am Sonntag über der US-Botschaft in Kabul, Afghanistan. Hubschrauber landen auf dem Gelände der US-Botschaft, während Diplomatenfahrzeuge das Gelände verlassen, nachdem die Taliban bis in die afghanische Hauptstadt vorgerückt sind. (Foto von VCG)

 

Als die Taliban die Kontrolle über den Präsidentenpalast in Kabul übernahmen und das Ende des Krieges in Afghanistan erklärten, versetzten die USA vielen Medien und US-Gläubigen auf der Insel Taiwan einen schweren Schlag, da Washington seine Verbündeten vor Ort sofort im Stich ließ und sein Botschaftspersonal sowie seine Bürger aus dem Land evakuierte. Viele befürchten nun, dass die Insel zur nächsten Schachfigur werden könnte, die die USA wegwerfen - genauso wie sie es bereits mit Vietnam und jetzt auch Afghanistan getan haben.

 

Der Abzug des US-Personals aus dem vom Krieg zerrütteten Afghanistan in Militärhubschraubern, die von den Dächern der Botschaften abhoben, erinnerte viele an das gleiche Szenario, das vor einem halben Jahrhundert in Vietnam zu beobachten war, berichteten mehrere Medien auf der Insel Taiwan, darunter udn.com und TVBS.

 

Einige Internetnutzer von der Insel posteten Kommentare, in denen es hieß: „Das Saigon von gestern, das Afghanistan von heute und das Taiwan von morgen...“, womit sie andeuten wollten, dass die so genannte Allianz, die Taiwan mit den USA geschmiedet hat, nichts als ein leeres Versprechen sei, und dass „das taiwanesische Volk am Ende mit seinem Leidallein gelassen“ würde.

 

Einige forderten auch die Taiwaner Regionalchefin Tsai Ing-wen auf, nicht länger einem Land mit geringer Glaubwürdigkeit hinterherzulaufen und sich auf dieses zu verlassen. Andere fragten, ob Tsai in die USA fliehen würde, um Schutz zu suchen, wenn die Situation außer Kontrolle geraten sollte.

 

In einem „Op-Ed“ (Meinungsartikel) auf udn.com hieß es, das unerwartete Ende in Afghanistan habe die Verbündeten und Partner der USA „schockiert". Sie würden sich nun davor hüten, die Sicherheit Taiwans in die Hände der USA zu legen, da Washington dort die gleichen Tricks wie in Kabul anwenden könnte. „Der Rückzug der USA aus Afghanistan wird auch globale Auswirkungen haben, insbesondere auf ihr Image und ihre Glaubwürdigkeit", heißt es in dem Op-Ed einer in Taipeh erscheinenden Zeitung. Dies liege vor allem daran, dass „Washingtons Stärke bei der Aufrechterhaltung der globalen Ordnung […] sowie die auf China abzielende Machtkonfrontation in der indo-pazifischen Strategie in Frage gestellt wird.“

 

Die Schlüsselfrage sei, ob die USA - falls es zu einem Krieg in der Taiwanstraße kommen sollte - ihre Verpflichtungen erfüllen und Militärinterventionen vornehmen würden, so der Bericht. Denn die „schwammige" Politik der USA und ihre abrupte Entscheidung in der Afghanistanfrage habe eine solche Verpflichtung gegenüber Taiwan mit einem großen Fragezeichen versehen. Auch wenn einige zwar der Meinung sind, dass sich Taiwans Lage von der in Afghanistan unterscheidet, so gibt es doch eine unbestreitbare Gemeinsamkeit zwischen beiden - nämlich die starke Abhängigkeit von Washington.

 

In dem Op-Ed wird darauf hingewiesen, dass der US-Truppenabzug nur weniger als einen Monat erfolgte, nachdem US-Präsident Joe Biden der von den USA unterstützten Regierung in Kabul noch die diplomatische und humanitäre Unterstützung des Weißen Hauses zugesichert hatte. „In ähnlicher Weise sichern die USA auch Taiwan ihre ‚felsenfeste‘ Unterstützung zu. Doch sobald es zu Konflikten kommen sollte, hängt Taiwans Zukunft an einem seidenen Faden", heißt es in dem Artikel. 


In einem Artikel in der New York Times mit dem Titel „Afghanistan's Unraveling May Strike Another Blow to US Credibility“ (auf Deutsch: „Afghanistans Auflösung könnte der Glaubwürdigkeit der USA einen weiteren Schlag versetzen“) argumentierte Steven Erlanger, Chefkorrespondent für internationale Diplomatie der Times in Europa, dass der Abzug aus Afghanistan zu einer Zeit, in der viele in Europa und Asien auf eine Wiederherstellung der festen US-Präsenz in internationalen Angelegenheiten hoffen würden, „das Gefühl verstärkt hat, dass Amerikas Rückhalt nicht mehr grenzenlos ist.“ In dem Artikel werden - neben anderen Ländern weltweit - insbesondere die Insel Taiwan sowie die Ukraine, die Philippinen und Indonesien erwähnt, die das Zögern der USA nun „umso stärker" spüren würden. 

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Quelle: german.china.org.cn

Schlagworte: Afghanistan,Taiwan,USA,Vietnam,Militärintervention