Dem Frieden eine Chance geben
IOC-Präsident setzt den Ton für die Winterspiele in Beijing Exklusiv
von Oliver Eschke
Gestern war es endlich soweit – passend zum Frühlingsanfang wurden mit Xi Jinpings feierlichen Worten auch die lang erwarteten zweiten Olympischen Spiele in Chinas Hauptstadt eröffnet. Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), fand in seiner Rede die richtigen Worte, um die historische Bedeutung dieses Megaevents in Zeiten der Pandemie zu verdeutlichen.
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, hält bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele 2022 in Beijing eine Rede. (Foto: Xinhua/Cao Can)
Zunächst war das Nationalstadion („Vogelnest“) in vollkommene Dunkelheit gehüllt, ehe ein gelb-grünes Licht symbolisch den Frühling einläutete und sechs Eishockey-Spieler mit Pucks eine Eiswand sprengten und somit das „Eis brachen“ und symbolisch auch sämtliche Hindernisse überkamen, damit die zweiten Olympischen Spiele in Beijing nun endlich beginnen können. Der legendäre chinesische Filmregisseur Zhang Yimou („Rotes Kornfeld“), der die Eröffnungszeremonie der Olympischen Sommerspiele 2008 gestaltet hatte, hat mithilfe hochmoderner Technologien und der Integration traditioneller chinesischer Elemente erneut eine tolle Bühne für den Start der Olympischen Spiele geschaffen.
Neben den nacheinander einlaufenden Athleten der 91 Länder, den Fackelträgern und den vielen wichtigen Persönlichkeiten im Stadion wie Präsident Xi Jinping, den Staats- und Regierungschefs aus etlichen Ländern wie Russland, Singapur oder Polen, sowie den Leitern internationaler Organisationen wie der UN und der WHO war auch der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, eine wichtige Person auf dieser großen Bühne.
„Der Moment, auf den wir alle gewartet haben“
„Sie sind angekommen, nachdem sie so viele Herausforderung bewältigt und so viele Unwägbarkeiten durchlebt haben. Aber jetzt ist der Moment gekommen: der Moment, auf den Sie alle so lange gewartet haben – auf den wir alle so lange gewartet haben!“
Der IOC-Präsident sprach mit diesen Worten wahrscheinlich nicht nur den Athleten, sondern der ganzen Welt aus der Seele. Nachdem im Vorfeld so viel über die Austragung der Spiele inmitten der Pandemie diskutiert und vor allem in westlichen Ländern häufig voreingenommen negativ berichtet wurde, kann China nun endlich der ganzen Welt zeigen, wozu es in der Lage ist:
„Ihr, die Olympischen Athleten, werdet zeigen, wie die Welt aussehen würde, wenn wir alle dieselben Regel und uns gegenseitig respektieren würden“, rief Bach in das nächtliche Nationalstadion in Beijing und durch die Fernsehübertragung auch in die ganze Welt hinaus.
China hat von Anfang an klargemacht, dass es nicht nur „schlichte, sichere und großartige“ Winterspiele ausrichten möchte, sondern auch noch viel mehr bewirken möchte: Die Welt soll dem Motto zufolge „eine gemeinsame Zukunft“ schaffen.
„In unserer zerbrechlichen Welt, in der Spaltung, Konflikte und Misstrauen zunehmen, zeigen wir der Welt: Ja, es ist möglich, erbitterte Rivalen zu sein und gleichzeitig friedlich und respektvoll miteinander zu leben.“ Damit stellt Bach sich in eine Linie mit Chinas Ziel, Multilateralismus und Vertrauen in den internationalen Beziehungen zu fördern – und sich der von den USA betriebenen Spaltung und Nullsummenspiel-Politik zu widersetzen.
Natürlich werden und sollten in den nächsten zwei Wochen die circa 3.000 Athleten, die in 109 Disziplinen um die Medaillen kämpfen, im Vordergrund stehen. Für sie hat China in den letzten Jahren seit der Zusage im Jahre 2015 keine Kosten und Mühen gespart, um trotz der anhaltenden COVID-19-Pandemie sichere, umweltfreundliche und mit den modernsten Technologien unterstützte Olympische Winterspiele zu ermöglichen. Man darf nicht vergessen: Nur dank der im Westen so häufig kritisierten Null-Covid-Politik können die Spiele überhaupt stattfinden. Während es auf dem chinesischen Festland bis zum Tag der Eröffnungsfeier nur rund 106.000 Infektionen und 4.636 Tote gab, waren es im „kleinen“ Deutschland über 10 Millionen und über 100.000.
Durch die Anpassung an die Gegebenheiten in der Olympischen Blase wurde dieses Ziel auch nicht durch die insgesamt 287 positiven Testergebnisse seit dem 23. Januar gefährdet. Auch der deutsche Olympia-Arzt Bernd Wolfarth ist überzeugt davon, dass China den Athleten und Betreuern ein „sicheres Umfeld" bietet: „Das Konzept wird sehr gut durchgeführt. Es wird ein hohes Maß an Sicherheit geboten. Wir haben ein gutes Gefühl", sagte er am Freitag. Auch „Chef de Mission“ Dirk Schimmelpfennig hält das Hygienekonzept und das Vorgehen bei positiven Corona-Tests für effektiv: „Es zeigt sich, dass die Gegenmaßnahmen gegen das Coronavirus im geschlossenen Kreislauf konsequent und erfolgreich sind." Dass der olympische Traum für einige Athleten – höchstwahrscheinlich auch für die deutsche Ski-Freestylerin Emma Weiß - trotzdem wegen einer Coronavirus-Infektion platzte, ist natürlich sehr traurig: „Unser Herz ist bei allen Athleten“, versicherte Bach an ihre Adresse.
Doch abgesehen von dem rein sportlichen Wettbewerb geht es noch um so viel mehr. Der „friedliche Wettbewerb“ der Athleten aus allen Ländern solle Bach zufolge die ganze Welt an die olympische Idee erinnern: Immer Brücken bauen, niemals Mauern errichten. Und: Die Menschheit in all ihrer Vielfalt zu vereinen.