100 Jahre Entwicklung chinesischer Filme
Als man Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten Filme in Shanghai vorführte, wurde diese importierte technische Innovation von den Chinesen einfach "Yang-Pian" genannt, zu deutsch etwa "exotische Streifen". Anfangs wurden ohnehin nur ausländische Filme gezeigt, und zwar nicht in Kinos, weil es damals kaum Lichtspielhäuser gab, sondern auf öffentlichen Plätzen oder in Teehäusern. Später begann dann eine eigene chinesische Filmproduktion, deren Hauptthema damals das bürgerliche Familienleben war. Es ging zumeist um die traditionelle Ethik und Moral bekannter großer Familien.

Zwar waren diese Filme aus heutiger Sicht sowohl schauspielerisch als auch filmtechnisch recht primitiv, aber sie kamen damals beim chinesischen Publikum in den Städten sehr gut an.

Inzwischen sind sich chinesische Filmhistoriker darüber einig, dass die ersten richtigen nationalen Filme Chinas in den späten 30er Jahren entstanden. Zu dieser Zeit kamen viele im Ausland ausgebildete chinesische Künstler zum Film. Sie kannten die internationalen Entwicklungstrends der Branche und wollten dementsprechend die aktuellen Themen der damaligen Gesellschaft Chinas, wie z.B. die Sehnsucht nach der nationalen Wiedererstehung, demokratische Bewegungen und den antijapanischen Widerstandskrieg mit den Mitteln des Films wiedergeben.

Dazu die Filmhistorikerin Yang Yuanying:

"Diese Filme spiegelten die Hauptmotive der Zeit und das Elend der Chinesen wider. Die Filme waren künstlerisch ziemlich ausgereift, sowohl was die Regie, als auch die schauspielerischen Leistungen anbetraf. Sie sind auch von westlichen Filmkritikern als hochwertige Streifen anerkannt worden und entsprachen internationalem Standards."

Als erster chinesischer Film gilt der im Jahr 1905 gedrehte Stummfilm "Dingjunshan" mit dem bekannten Peking-Opernstar Tan Xinpei als Hauptdarsteller.

Nach Gründung der Volksrepublik 1949 wurde die chinesische Filmindustrie vom Staat umfassend gefördert. Inzwischen entstanden drei große Filmproduktionsstudios, nämlich in Shanghai, Beijing und in der nordostchinesischen Stadt Changchun. Diese drei Filmstudios zogen eine große Anzahl von ausgezeichneten Filmleuten an. Zwar konnten diese Künstler ihre Filme im Rahmen der damaligen Planwirtschaft nicht an der Marktnachfrage orientieren, aber die Filme waren volksverbunden und zeigten das neue Leben in China. So entstanden viele klassische Filme, die dem damaligen Zeitgeist entsprachen. Dazu noch einmal Yang Yuanying:

"Filme dieser Zeit haben starke künstlerische Anziehungskraft. Die Künstler haben ihre größte Leidenschaft in das Kunstschaffen eingesetzt und zahlreiche Filme gedreht, die eine wichtige Periode der chinesischen Filmgeschichte repräsentieren."

Der gute Entwicklungstrend der chinesischen Filme nach 1949 wurde leider durch die sogenannte "Kulturrevolution" von 1966 bis 1976, bei der die Kulturvielfalt stark unterdrückt wurde, unterbrochen.

Unmittelbar nach der Kulturrevolution entstanden einige Filme, mit denen man mit filmischen Mitteln für eine Wiederbelebung der Kultur plädierte.

Mit Einführung der Reform und Öffnung in China Ende der 70er Jahre erlebte die chinesische Filmindustrie eine neue Entwicklungsphase. Dabei entstand eine beispiellos lockere Atmosphäre für die chinesischen Filmemacher. In diesem Zusammenhang ist eine neue Generation junger Regisseure aufgewachsen. Ihre Filme würdigen die Erde, die Heimat, das traditionelle Leben der Chinesen und die Vaterlandsliebe. Mit einzigartigen Kunstideen, wagemutigen Filmproduktionen und beeindruckender Phantasie haben die Filme dieser Regisseure große Erfolge weltweit erzielt. Als Werke der 5. Generation der chinesischen Filmregisseure werden sie deshalb auch als "Filme der 5. Generation" in China bezeichnet.

Die repräsentativsten Vertreter der fünften Generation sind wohl Zhang Yimou und Chen Kaige. Wenn diese Namen Ihnen nicht viel sagen, so kennen Sie vielleicht ihre Werke:

"Hong-Gao-Liang - "Das Rote Kornfeld" und "Bawang-Bieji - "Lebewohl, meine Konkubine!". Die beiden Filme haben jeweils auf der 38. Berlinale den Goldenen Bären und auf dem 46. Filmfestival in Cannes die goldene Palme gewonnen. Ihre Erfolge begründete Frau Yang Yuanying mit folgenden Worten:

"Erstens, die Öffnung des Landes haben den Regisseuren Chancen gegeben, Kontakte mit internationalen Filmkreisen aufzunehmen. Dies hat ihre Blickwinkel sicher erweitert. Zweitens, die lockere Politik der Regierung für das Filmwesen hat ihnen eine positive Atmosphäre für ihre künstlerische Arbeit geschaffen. Nicht zuletzt sind die Filme zu einer Zeit entstanden, als es in China vorübergehend an Filmkünstlern mangelte."

Dank der genannten Gründe haben die chinesischen Filme in den 90er Jahren ihre Blütezeit erreicht, wobei mehr als 3.100 Spielfilme, 1.100 Trickfilme und 7.700 Dokumentarfilme entstanden sind. Außerdem wurden über 300 Filme allein aus dem chinesischen Festland auf internationalen Filmfestspielen mit Preisen prämiert.

Im Vergleich zu der 5. Regisseur-Generation sind die Junior-Regisseure, die als die sechste Regisseur-Generation bezeichnet werden, heute viel zufriedener. Die meisten davon haben eine gute Ausbildung genossen. Sie haben nun größere Chancen, mit den internationalen Filmkreisen zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit Filmen aus Hongkong und Taiwan haben die chinesischsprachigen Filme durch ihre experimentelle und avantgardistische Art den Filmmarkt in der Welt bereichert und beeinflusst.

Ein erfolgreicher Vertreter der sechsten Generation ist Lu Chuan, der mit

seinen beiden Filmen "Suche nach der verlorenen Waffe" und "Ke Ke Xi Li" landesweit und gar weltweit Aufsehen erregt hat. Lu ist sehr glücklich, dass er als Regisseur der jüngeren Generation so unbekümmert arbeiten kann:

"Unsere Generation hatte das Glück, in den 80er Jahren geboren zu sein. Wir haben die enormen Veränderungen Chinas miterlebt. Der Wunsch nach Redefreiheit und Freiheit des literarischen Schaffens vor 20 Jahren ist nun Wirklichkeit geworden. Die Bürger besitzen heutzutage mehr Freiheit als in der Zeit vor der Reform und Öffnung des Landes. Das gibt einem Autor und Regisseur einen viel größeren Spielraum."

Experten meinten, dass die chinesischen, wie auch die europäischen Filme mit den dominierenden Hollywood-Filmen konkurrieren werden und somit vor einer großen Herausforderung stehen.

Deshalb müssen chinesische Filme, wenn sie auch international erfolgreich sein wollen, lokale Denkweisen und Gegebenheiten in allgemein verständliche Bilder umwandeln.

(CRI, 5. Februar 2005)