Oskar für Ang Lee

Der Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler Ang Lee ist der Stolz aller Chinesen auf der Welt.

Seit der Verleihung des Best Director Awards bei den 78. Academy Awards für die Regie von "Brokeback Mountain" ist er in China bei Kinofans und professionellen Regisseuren gleichermaßen in aller Munde.

Lee ist der erste Chinese, dem diese Ehre zuteil wird. Der Oskar gilt als höchste Auszeichnung im amerikanischen Filmgeschäft und als weltweit wichtigste.

"Ich bin sehr stolz auf ihn", schwärmt Kate Wang, die Enkelin von Wang Dulu, dessen Saga Lees "Tiger & Dragon" aus dem Jahr 2000 inspirierte.

Laut Kate Wang, PR-Expertin bei der US-Handelskammer in Beijing, ist Lee ein Freund der Familie. Seine Auszeichnung sei ein weiterer Beweis für sein grandioses Talent bei der subtilen Ergründung zwischenmenschlicher Beziehungen.

"Ang Lees Film ruft Emotionen hervor. Er ist einfach, aber perfekt", sagt Zhang Yuan, chinesischer Regisseur der "Sechsten Generation". "Ich gratuliere ihm von ganzem Herzen. Er ist der Stolz aller chinesischen Regisseure".

In der Kategorie Best Picture verlor "Brokeback Mountain" jedoch gegen "Crash", was einen kleinen Skandal auslöste. Denn "Brokeback Mountain" hatte alle Preise vom Goldenen Bär in Venedig bis zum Golden Globe und Independent Spirit Award abgeräumt. Bei den Beobachtern galt er als sicherer Anwärter auf die höchste Oskarauszeichnung.

"Mich wundert es nicht, dass 'Crash' das Rennen gemacht hat. Amerika ist ein multikulturelles Land. Also wird ein Film dieses Genres auch große Aufmerksamkeit erregen", erklärt Zhang, Regisseur vonBeijing BastardundEast Palace - West Palace.

Laut Xu Jinglei, früher Schauspielerin, heute Regisseurin, braucht China mehr "Könner mit seinem Tiefgang und seines Atems".

Auch im Internet zeigte man sich schockiert, dass "Crash" den Best Picture Award gewann. Gerade auch die Schwulengemeinde, meint der schwule Filmkritiker und Drehbuchautor Cheng Qingsong.

Eine anonyme Zuschrift bei sina.com spricht den vielen Kinogängern aus der Seele. Dort heißt es, dass jetzt da Ang Lee alle großen internationalen Auszeichnungen abgeräumt habe, Zhang Yimou und Chen Kaige nicht mehr alleine um den Titel des besten chinesischen Regisseurs zu buhlen brauchen.

Andere Stimmen zeigten sich weniger euphorisch. Dayyan Eng, Amerikaner chinesischer Abstammung, der in Beijing seine Filmkarriere startete, hält "Brokeback Mountain" für bei weitem nicht so gut wie Ang Lees Film "The Ice Storm" aus dem Jahr 1997.

Liu Miaomiao, Regisseur für unabhängige Filme, mutmaßt, dass Hollywood den höchsten Oskar aus politischen Gründen nicht an "Brokeback Mountain" vergab.

Laut Meinung von Sai Ren, Filmkritiker beim Sender CCTV-6, hat Lees Erfolg nur wenig mit dem chinesischen Kino zu tun. Die Zuschauer schauen sich die Sendung laut ihm lediglich zur Unterhaltung an.

(China.org.cn, China Daily, 9. März 2006)