Die gemeinsame deutsch-chinesische Erklärung

Partnerschaft in globaler Verantwortung

Gemeinsame deutsch-chinesische Erklärung anlässlich des Besuchs des Ministerpräsidenten der Volksrepublik China, Wen Jiabao, vom 02. - 05. Mai 2004

Auf Einladung des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder, stattete der Ministerpräsident des Staatsrates der Volksrepublik China, Wen Jiabao vom 2. Mai bis 5. Mai 2004 Deutschland einen offiziellen Besuch ab. Der Meinungsaustausch bestätigte den hervorragenden Stand der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China. Beide Länder stellten weitgehende Übereinstimmung in der Bewertung zentraler Fragen der internationalen Politik fest. Sie stimmen darin überein, eine Partnerschaft in globaler Verantwortung im Rahmen der allseitigen strategischen Partnerschaft zwischen China und der Europäischen Union aufzubauen. Beide Seiten streben an, ihre Zusammenarbeit weiter zu vertiefen, den Multilateralismus zu stärken und in enger Abstimmung auf die Entwicklung einer kooperativen Weltordnung hinzuwirken.

Beide Seiten zeigten sich mit den Gesprächen und Besuchsverlauf sehr zufrieden. Bundeskanzler Schröder nahm die Einladung zu einem erneuten Besuch der VR China dankbar an.

1. Vertiefung der bilateralen Beziehungen auf der Basis eines stabilen Fundaments

Die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik China stellen mit Befriedigung fest, dass ein enges Geflecht institutioneller und zwischengesellschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und China entstanden ist, das die gegenseitige Wertschätzung und das Verständnis füreinander gefördert hat. Hochrangige Kontakte zwischen beiden Regierungen, den Parlamenten, Bundesländern und Provinzen sowie den Städten werden ergänzt durch zunehmende private Begegnungen zwischen den Bürgern beider Länder und durch ständig enger werdende Wirtschafts- und Geschäftsbeziehungen auf Ebene der Unternehmen. Dieses stabile Fundament gilt es weiter auszubauen. Die Eröffnung neuer Generalkonsulate in Chengdu und Frankfurt a.M. ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Die Bundesregierung versichert, dass sie an ihrer klaren „Ein-China-Politik" festhält und eine friedliche Wiedervereinigung Chinas unterstützt. Die Bundesregierung wendet sich gegen die „Unabhängigkeit“ von Taiwan. Sie wendet sich auch gegen alle Schritte, die auf eine Verschärfung der Spannungen in der Straße von Taiwan gerichtet sind.

a) Weitere Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen, Entwicklungskooperation und der umweltpolitischen Zusammenarbeit

Die engen Wirtschaftsbeziehungen sind ein zentraler Pfeiler unserer bilateralen Beziehungen. Deutschland ist für China der wichtigste Handelspartner in Europa, China der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Asien. Deutsche Unternehmen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung Chinas. Die Bundesregierung wird deutsche Unternehmen ermutigen, ihr Engagement bei der Erschließung des chinesischen Westens und der wirtschaftlichen Erneuerung des Nordostens weiter zu verstärken. Chinesische Unternehmen sind zunehmend wichtige Investoren in Deutschland.

Die 3. Tagung des deutsch-chinesischen Hochtechnologieforums, das während des Besuches stattfindet, macht deutlich, dass beide Seiten die Kooperation auf zukunftsorientierten Feldern der Wissenschaft und Hochtechnologie vertiefen wollen. Der deutsch-chinesische gemischte Wirtschaftsausschuss setzt sich darüber hinaus zum Ziel, das Engagement der deutschen mittelständischen Wirtschaft in China zu verstärken, insbesondere durch weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen nach dem WTO-Beitritt Chinas. Beide Seiten begrüßen zugleich die wachsende Kooperation auf privatwirtschaftlicher Ebene auch gefördert durch die Zusammenarbeit der Wirtschaftsverbände.

Beide Regierungen bekunden ihre nachhaltige Bereitschaft, die entwicklungs- und umweltpolitische Kooperation zu festigen und gemeinsam eine zukunftsorientierte und harmonische Entwicklung der globalen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu fördern. Die Schwerpunkte der Zusammenarbeit liegen deshalb vor allem in den Bereichen Rechts- und Wirtschaftsreformen, Schutz und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, einschließlich erneuerbarer Energien/Energieeffizienz und Wasser-Reinhaltung sowie umweltverträgliches Transportwesen.

b) Fortentwicklung des partnerschaftlichen Dialogs in den Bereichen Rechtsstaat und Menschenrechte

Die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik China unterstreichen die zentrale Bedeutung des Rechtsstaats- sowie des Menschenrechtsdialoges für die bilateralen Beziehungen. Dieser Dialog, der noch im Mai diesen Jahres mit dem Fünften Rechtsstaatssymposium in Peking und den Gesprächen über die Menschenrechtslage in Berlin seine Fortsetzung findet, ist eine gute Basis, um in partnerschaftlicher und offener Form auch Anliegen zu diskutieren, zu denen noch unterschiedliche Auffassungen bestehen.

Beide Seiten stimmen überein, die Zielsetzungen und Prinzipien der VN-Charta und der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte einzuhalten und zu fördern. Deutschland begrüßt in diesem Zusammenhang die Aufnahme von Bestimmungen über Menschenrechte in die Verfassung der Volksrepublik China. Die Bundesregierung nimmt darüber hinaus zur Kenntnis, dass die chinesische Seite die Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte aktiv vorbereitet, und unterstützt hierzu die Zusammenarbeit zwischen der EU und China.

c) Weitere zukünftige Kooperationsfelder: Kultur, Erziehung und Gesundheitswesen

Beide Seiten stimmen darin überein, die Zusammenarbeit auf allen Ebenen auszubauen. Dazu gehören insbesondere die Kultur, das Erziehungswesen und das Gesundheitswesen einschl. des Epidemienschutzes.

Im kulturellen Bereich stimmen beide Seiten überein, schnellstmöglich ein umfassendes Abkommen über die kulturelle Zusammenarbeit abzuschließen, um so den kulturellen Einrichtungen der jeweils anderen Seite optimale Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Die deutsche Seite begrüßt, dass die Volksrepublik China ein Kulturzentrum in Berlin errichten will. China seinerseits begrüßt und unterstützt das deutsche Interesse, im Jahre 2009/10 in China ein „Jahr der deutschen Kultur" zu veranstalten. Beide Seiten einigten sich darauf, das Verständnis beider Völker füreinander durch Sprachvermittlung und Begegnung von Jugendlichen weiter zu fördern.

Beide Seiten verständigten sich darauf, die Einrichtung eines hochrangigen regierungsunabhängigen deutsch-chinesischen Dialogforums zu prüfen, das für beide Regierungen Vorschläge zur erweiterten Zusammenarbeit im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich erarbeiten soll.

Beide Seiten wollen besondere Anstrengungen in der gemeinsamen Bekämpfung der Armut und in der nachhaltigen Entwicklung unternehmen. Die chinesische Seite dankt der deutschen Seite für ihre Anteilnahme und Hilfeleistung im Kampf gegen SARS im letzten Jahr.

2. Gemeinsame Verantwortung und enge Abstimmung in globalen Fragen

Beide Seiten förderten einen Meinungsaustausch zu aktuellen internationalen Fragen und erzielten dabei weitgehende Übereinstimmung. Sie vereinbarten, den Dialog zu globalen Fragen zwischen beiden Regierungen kontinuierlich auszubauen.

Deutschland würdigt den Einsatz Chinas zur Lösung der Nuklearfrage auf der koreanischen Halbinsel und begrüßt die aktive Rolle Chinas bei der Entwicklung einer offenen und kooperativen regionalen Zusammenarbeit in Asien (Asia Pacific Economic Cooperation; ASEAN + 3; Shanghai Cooperation Organization). China unterstreicht die besondere Bedeutung, die es Deutschland innerhalb der Europäischen Union und der Entwicklung der strategischen Partnerschaft zwischen China und der EU beimisst. Beide Seiten wollen den europäisch-asiatischen Dialog im Rahmen von ASEM und ARF stärken.

a) Verstärkung der Zusammenarbeit im VN-Rahmen

Deutschland und China unterstreichen die zentrale Bedeutung, die den Vereinten Nationen als wichtigster multilateraler Instanz bei der Prävention und der Lösung globaler und regionaler Herausforderungen, Krisen und Konflikte zukommt. China und Deutschland teilen die Überzeugung, dass Sicherheit und Frieden nur auf der Basis eines effektiven Multilateralismus gewährleistet werden können. Beide Seiten treten deshalb dafür ein, die Rolle der Vereinten Nationen zu stärken und versichern ihre Unterstützung für eine Reform der VN und damit für die Arbeit des hochrangigen Reformpanels des VN-Generalsekretärs. Beide Seiten sind bereit, hierfür intensiv zusammenzuarbeiten. Dies gilt nach Auffassung beider Seiten insbesondere im Hinblick auf die überfällige Reform des Sicherheitsrates einschließlich einer ausgewogenen Erweiterung seiner Mitglieder. China begrüßt, dass Deutschland in den Vereinten Nationen eine noch größere Rolle spielt.

Beide Seiten unterstreichen die Bedeutung, die friedenserhaltenden Maßnahmen im internationalen Rahmen zukommen und vereinbarten, weitere Kooperationsfelder im Bereich der Friedenserhaltung zu identifizieren. Unter Bezugnahme auf die Berliner Afghanistan-Konferenz vom 31.03/01.04.2004 beabsichtigen beide Seiten eine verstärkte Kooperation zwischen ihren Ländern im Bereich des Polizeiaufbaus in Afghanistan.

b) Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus

Der Kampf gegen den Terrorismus ist eine der größten Herausforderungen, denen sich die internationale Gemeinschaft heute gegenüber sieht. Deutschland und China verurteilen jede Form des Terrorismus. Sie fordern die internationale Gemeinschaft auf, ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus weiter zu verbessern und zu verstärken. Den Vereinten Nationen kommt auch hier eine zentrale Bedeutung zu.

Deutschland und China stimmen darin überein, dass die Ursachen des Terrorismus vielfältig und komplex sind und es eines umfassenden Ansatzes bedarf, um ihn wirksam zu bekämpfen. Insbesondere gilt es, für bessere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklungsbedingungen zu sorgen, um den Terroristen den Nährboden zu entziehen. Deutschland und China werden sicherstellen, dass die von Ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus mit allen Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, einschließlich der internationalen Menschenrechte, in Einklang stehen.

c) Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen

Deutschland und China bekräftigen die Notwendigkeit, die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung zu verstärken. Deutschland begrüßt die von der chinesischen Regierung ergriffenen nichtverbreitungspolitischen Maßnahmen. Deutschland unterstützt, dass China so schnell wie möglich dem Missile Technology Control Regime (MTCR) beitritt, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Daneben tritt Deutschland dafür ein, dass China auch schnellstmöglich den Haager Verhaltenskodex gegen die Proliferation ballistischer Raketen zeichnet.

(Quelle: Chinesische Botschaft in Deutschland)