China: Fragen und Antworten

Frage: In China leben mehr als 800 Mio. Menschen auf dem Land, von denen viele zu den sozial Schwachen zu rechnen sind. Oft wissen sie nicht, wie sie eine medizinische Behandlung bezahlen sollen. Nun soll in den ländlichen Gebieten Chinas ein neues System der genossenschaftlichen medizinischen Betreuung eingeführt werden. Welche Besonderheiten hat es? Welche Vorteile wird es den Bauern bringen?

Antwort: Die ärztliche Betreuung der 800 Mio. auf dem Land lebenden Menschen zählt nach wie vor zu den wichtigsten Aufgaben der chinesischen Regierung.

Zwischen den 60er und 80er Jahren lag in etwa 90% der ländlichen Gebiete die medizinische Betreuung der Landbevölkerung bei den Barfußärzten (Krankenpfleger in den ländlichen Gebieten), bei den Mitarbeitern des genossenschaftlichen medizinischen Betreuungssystems und bei den Angestellten des medizinischen Vorbeugungs- und Gesundheitsschutznetzes. Sie spielten die Hauptrolle beim Gesundheitsschutz auf dem Land.

Doch seit Einführung des Systems der vertragsgebundenen Verantwortlichkeit in Verbindung mit dem Produktionsertrag auf der Basis der Haushalte auf dem Land in den 80er Jahren hat sich die Kollektivwirtschaft nach und nach aufgelöst. Damit wurde es immer schwerer, Geld für das System der genossenschaftlichen medizinischen Betreuung aufzubringen. Das führte schließlich dazu, dass das System statt in 90% nur noch 10% der ländlichen Gebiete aufrecht erhalten werden konnte. Da in vielen Gebieten die Kosten für eine medizinische Behandlung nun von den Bauern allein zu tragen waren, verzichteten manche Bauern auf einen Arztbesuch. Untersuchungen haben ergeben, dass 20 Prozent bis 30 Prozent der armen Familien auf dem Land aufgrund von Krankheiten verarmt oder wieder verarmt sind. Krankheiten sind eine nicht zu unterschätzende Ursache für die Armut auf dem Land.

2003 begann man in den ländlichen Gebieten mit der Einführung eines neuartigen Systems der genossenschaftlichen medizinischen Betreuung. Das ist ein von der Regierung organisiertes System, das sich auf die gegenseitige Hilfe und Solidarität der Bauern stützt. Es deckt die Kosten für eine Krankenversicherung für schwere Krankheiten ab. Das nötige Geld dafür wird von einzelnen Personen, Kollektiven und den Regierungen verschiedener Ebenen aufgebracht. Der Beitritt zur Krankenversicherung ist freiwillig. Die Besonderheiten des neuartigen Systems sind:

1. Der freiwillige Beitritt zur genossenschaftlichen medizinischen Betreuung kostet für jedes Mitglied eines bäuerlichen Haushaltes 10 Yuan (in den reichen Küstengebieten Ostchinas liegt der Beitrag höher), außerdem gewähren die Kollektive der Gemeinden und Dörfer finanzielle Unterstützungen. Schließlich erhält das neuartige System jährlich zweckgebunden eine bestimmte Summe von den zentralen und lokalen Finanzverwaltungen.

2. Der Hauptbestandteil des neuen Systems ist die Krankenversicherung, welche die Kosten für Fälle schwerer Krankheiten abdeckt. Dadurch wird vor allem das Problem gelöst, dass die Bauern die durch schwere Krankheiten entstehenden Kosten nicht aufbringen können und dadurch verarmen oder wieder in Armut geraten. Natürlich werden auch leichtere Erkrankungen berücksichtigt. Bei schwereren Krankheiten werden Kosten für langwierige ambulante oder stationäre Behandlung nach einem bestimmten Verhältnis zurückerstattet.

3. Früher wurde die genossenschaftliche medizinische Behandlung einheitlich von den Dörfern oder Gemeinden geplant, jetzt sind dafür die Kreise zuständig. Die Bauern, die dem neuen System beigetreten sind, können in den speziell dafür bestimmten medizinischen Einrichtungen auf Kreisebene Ärzte besuchen und erhalten einen Teil der Kosten direkt zurückerstattet, was natürlich das Risiko mindert, durch Krankheit zu verarmen.

4. Von der Zentralregierung angefangen bis zu den Provinz-, Stadt- und Kreisregierungen gibt es Führungsgruppen und Verwaltungsorgane. Deren Regelungen und Bestimmungen werden Schritt für Schritt verbessert, um das System zu standardisieren und zu vervollständigen.

5. Das neuartige System der genossenschaftlichen medizinischen Betreuung wird parallel zum System der medizinischen Hilfe aufgebaut. Für Familien mit großen finanziellen Schwierigkeiten, die sich die Beiträge für die genossenschaftliche medizinische Betreuung oder die selbst zu tragenden Zahlungen bei medizinischer Behandlung nicht leisten können, gilt das System der medizinischen Hilfe, die staatlich subventioniert wird.

Vom Juli 2003 bis Ende 2004 wurde das neue System versuchsweise in 333 Kreisen (Städten) mit etwa 100 Mio. Bauern eingeführt. Dort sind 80,4 Mio. Menschen dem neuen System beigetreten.

Welche Vorteile bringt der Beitritt den Bauern? Ein chinesisches Sprichwort lautet: "In der Natur kommt es zu plötzlichen Stürmen, im Leben zu unvorhergesehenen Schicksalsschlägen." Untersuchungen besagen, dass Krankheiten wahrscheinlich in die Armut führen, wenn die Kosten für die medizinische Behandlung 70% des jährlichen Einkommens eines Bauern erreichen. Daher hört man Bauern oft sagen: "Wir fürchten nicht die Armut, sondern die Krankheiten." Erkrankt ein Familienmitglied schwer und längere Zeit, belastet dies die ganze Familie, ihr Leben und die Arbeit werden dadurch beeinträchtigt. Beim Beitritt zur genossenschaftlichen medizinischen Betreuung profitiert jeder. Als Mindestbeitrag zahlt man jährlich zehn Yuan und bekommt im Krankheitsfall bis zu 2000 oder 3000 Yuan Entschädigung gezahlt. Auch wer in größere finanzielle Schwierigkeiten kommt, kann bei der medizinischen Hilfe Unterstützung beantragen.

Im Entwicklungsland China ist besonders die ländliche Wirtschaft noch unterentwickelt und die regionalen wirtschaftlichen Unterschiede sind groß. Damit das neuartige System der genossenschaftlichen medizinischen Betreuung von den Bauern akzeptiert wird, muss vieles noch praktisch erprobt werden, um das System schrittweise zu vervollständigen und geeignete politische Maßnahmen dazu zu ergreifen.

Im Kreis Bangoin in Nordtibet, 4700 m hoch gelegen, untersucht ein tibetischer Dorfarzt ein krankes tibetisches Mädchen.