Home Aktuelles
Multimedia
Service
Themenarchiv
Community
Home>Kultur Schriftgröße: klein mittel groß
07. 06. 2010 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Das Runde muss ins Runde: Cuju – Fußball im alten China

Ob Cuju (wörtlich: einen Ball mit dem Fuß treten) tatsächlich vom Gelben Kaiser Huangdi erfunden wurde, der befohlen haben soll, den Magen eines getöteten Widersachers auszustopfen und zu einem Fußball zu verarbeiten oder diese Geschichte eher in das Reich der Legende einzuordnen ist, – sicher ist, dass über 2000 Jahre alte Aufzeichnungen belegen, dass die alten Chinesen schon wettkampfmäßig hinter einem Ball hergerannt sind. Das Spiel fand seine erste Erwähnung im Zhanguo Ce, einer Chronik der Geschichte der Streitenden Reiche (476 – 221 v.u.Z.), das in der Zeit der Westlichen Han-Dynastie (200 v.u.Z. – 9 n.u.Z) zusammengestellt wurde, und später in den Berichten des Historikers Sima Qian. Bildliche Zeugnisse über Cuju sind auf zahllosen alten Stein- und Elfenbeinreliefs, Papier- und Seidenmalereien, Siegeln, Bronzespiegeln, Porzellanschalen und Buchillustrationen verewigt.

Den Ball zu kicken oder technische Kabinettstückchen auszuführen haben sicherlich auch schon in alten Zeiten den menschlichen Spieltrieb befriedigt, mehr Spaß machte der Wettkampf zwischen zwei Mannschaften, noch zudem, wenn er zur Steigerung der Kampfkraft von Soldaten beitrug.

Tore sind das Salz in der Fußballsuppe – ob halbmondförmig und gleich mehrere auf jeder Seite des Spielfeldes, dabei so niedrig, dass kein Tormann darin stehen konnte oder ein einziges im Durchmesser von ca. 85 cm in ca. 8 Metern Höhe als halbe ZDF-Torwand zwischen Rugby-artigen Stangen aus Bambus mit dazwischen gespanntem Netz (Das Runde muss ins Runde). Nicht nur an die Spieler, auch an die Schiedsrichter und Zuschauer wurden hohe Anforderungen gestellt, die auch heute noch gelten sollten. In der Inschrift an der Ballwand, verfasst vom Han-Schriftsteller Li You, heißt es: Unparteiisch [müssen sie sein gegenüber] nahestehenden oder entfernten [Mannschaftsmitgliedern]. Keine Anbiederung und Selbstherrlichkeit darf es geben. Mit aufrichtigem Herzen und ausgewogenen Gedanken Niemand hat etwas auszusetzen bei Fehlentscheidungen. (zitiert nach Helmut Brinker: Laozi flankt, Konfuzius dribbelt. Bern. 2006)

Während der Han-Dynastie (206 v.u.Z.-220 n.u.Z.) wurde Cuju hoffähig, Kaiserhof und Oberschicht fanden Gefallen am Spiel mit dem Ball. Sogar Han-Kaiser Wu Di soll ein Fußballfan gewesen sein. Aus dieser Zeit stammt auch der erste Arztbefund über einen eingefleischten Fußballfan, der entgegen ärztlichem Ratschlag kein Spiel versäumen wollte und an Überanstrengung starb. Später, in der Tang-Dynastie (618-907), gab es in der Hauptstadt Chang'an zahlreiche Fußballfelder in den Gärten großer Villen. Im Laufe der Jahrhunderte umdribbelte Cuju gesellschaftliche Schranken und wurde zum Volkssport. In der Song-Dynastie (960-1279) tauchten die ersten Fußballprofis auf, die von der schönsten Nebensache der Welt leben konnten, sowie Clubs, die Meisterschaften austrugen, sogar von erfolgreichen Fußballspielerinnen wird berichtet. Stark in ein traditionelles Moralkonzept eingezwängt, war es allen Frauen gestattet, von der Kaiserin über die Konkubinen und Hofdamen in den Gärten bis zum einfachen Dorfmädchen, dem Freizeitvergnügen Cuju nachzugehen. Ihnen gehörte die "Hälfte des (Fußball)Himmels". Die Cuju-Spieler der damaligen Champions League durften auf kaiserlichem Gelände spielen, die einfachen Leute außerhalb in der Regionalliga. In der Ming-Dynastie (1368-1644) verlor Cuju zunehmend an Popularität und fiel seit Mitte der Qing-Dynastie (1644-1911) fast völlig der Vergessenheit anheim – mit Ausnahme einer verwandten Spielart, als die mandschurischen Eroberer aus dem kalten Norden Cuju mit dem Eislaufen kombinierten und dieses "Fußball auf dem Eis" zur Körperertüchtigung von Leibwächtern empfahlen.

Obwohl Konfuzianer, Daoisten und Buddhisten körperlichen Aktivitäten so gar nichts abgewinnen konnten, hat Cuju seinen Weg durch die Jahrtausende gemacht. Weil Cuju so perfekt mit der uralten Sicht der Chinesen auf den Kosmos, das Leben und die Natur aus noch fußballloser Zeit übereinstimmt? Immerhin und überraschend schlüssig symbolisiert ein runder Ball den Himmel, ein rechteckiges Spielfeld die Erde, zwei gegnerische Mannschaften Yin und Yang und die Gesamtspielerzahl die zwölf Monate.

Die Chinesen haben den Fußball erfunden, die Engländer ihn reglementiert, die Brasilianer zur Kunstform erhoben – und wer gewinnt die WM 2010?

Weblinks: Chinese Ancient Games 4 – Cuju and the Origins of Football http://v.cctv.com/html/xintansuo/2008/09/xintansuo_300_20080919_1.shtml (aus der CCTV 9-Serie New Frontiers, 14:48 min, in Englisch, 1. Teil) http://www.cctv.com/video/xintansuo/2008/09/xintansuo_300_20080919_2.shtml (aus der CCTV 9-Serie New Frontiers, 12:12 min, in Englisch, 2.Teil)

   zurück   1   2  


Quelle: China Heute

Druckversion | Artikel versenden | Kommentar | Leserbrief | zu Favoriten hinzufügen | Korrektur

Kommentar schreiben
Kommentar
Ihr Name
Kommentare
Keine Kommentare.
mehr