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16. 10. 2015 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Überall sprießen die Sprossen

Schlagwörter: Überall sprießen Sprossen

Die Welt sieht auf Chinas neue Sprossenmode, die neues Leben in eine alte Tradition bringt.

Gulou in Beijing ist ein einzigartiges Erlebnis für sich selbst – die Gegend gehört zu den mehr international inspirierten Teilen der Stadt, hat aber nicht dieselbe verwestlichte Aura, die Sanlitun oder Wudaokou haben oder dieselbe schrille touristische Präsenz der Zentrumsviertel wie Wangfujing. Sicher, es gibt expatfreundliche Hutong-Bars und man kann sich hier gut mit Touristensachen eindecken, aber Gulou hat sich noch nicht selbst den Stempel eines Genres aufgedrückt. Vielleicht ist das ein Teil des Charmes dieses Viertels und das, was es die perfekte Bühne für einen neuen Modetrend in China und dem Internet macht.

Der Trend ist verblüffend einfach – ein kleiner Haarclip, auf dem eine kleines Plastik- oder Seidenpflänzchen aufgeklebt ist, das wie eine kleine Antenne senkrecht in die Höhe steht. Der „Sojasprossenhaarclip", wie man ihn in westlichen Medien und auf Buzzfeed nennt, hat es auf zahlreiche Köpfe Beijings geschafft und die Stadt gleicht nun einem knospenden Garten. Denen, die mit dem Trend in China und dem Internet weniger vertraut sind, bleibt nur zu fragen: „Warum?"



Clipbait

Die Sprossen in Gulou und anderen Gegenden Beijings werden einfach auf der Straße zusammen mit anderen Accessoires und Elektrokram verkauft. Die kleinen Clips passen gut auf selbstgebastelte Ausstellungsflächen, oft werden sie nur einfach an den Rand von Kartons geklippt. Die Preise beginnen bei fünf Yuan (weniger als ein Euro) für eine einzelnes Sprösschen auf einem Clip und ist durchaus verhandelbar. Wenn man ein wenig mehr Farbe haben will, kann man ein Barette aus Blumen kaufen oder sich mit berühmten Comicfigürchen wie Hello Kitty schmücken.

Was diesen Modetrend so einzigartig macht, ist dass er nicht aus den modernen chinesischen Städten wie Shanghai oder Beijing kommt, sondern aus Chengdu, der südwestlichen Provinz Sichuan. Noch seltsamer ist, dass die Welt noch vor Beijing über diesen Trend sprach. Ein Artikel auf Buzzfeed, mit dem klickfreundlichen Titel „Menschen in China von süßen Sojasprossenclips besessen", geschrieben vom Australier Gyan Yankovich, wurde am 8. September veröffentlicht – ungefähr zu der Zeit, als der Trend in Beijing Wurzeln fasste.

Sophie Xu, die sich selbst als „feminine Fashionista" bezeichnet, hat alle möglichen ins Auge springenden Haaraccessoires Teil ihres persönlichen Stils gemacht. Sie hielt den Trend für einen regionalen, bis sie eine Freundin – von allen Leuten ausgerechnet nicht einmal eine Chinesin – mit dem Schmuck protzen sah.

„Ich habe zuerst auf Weibo davon gehört", sagte Xu. „Es begann in einem Tourismusgebiet in der Provinz Sichuan."

Xu fand den Fimmel anfangs etwas befremdlich, aber sah dann, dass er sich mehr und mehr durchsetzte. „Ich finde es lustig und süß, aber glaube auch, dass der Trend ein Trend bleiben wird. Also er wird wohl eine Zeitlang in bleiben und out sein, bevor wir es überhaupt realisieren."

Sophie Xu findet, dass der Trend mit seinen Comicfiguren und Naturthemen am besten zu Kindern passen würde. Das macht Sinn – aber Reiz des Spleens beschränkt sich keineswegs nur auf Kinder. Ein kurzer Spaziergang in Gulou und der U-Bahn verrät viele Menschen mit zahlreichen Variationen der Clips in den Haaren und an den Trägern ihrer Taschen – Frauen genauso wie Männer. Der Clip erinnert an den Schmetterlingscliptrend der 1990er oder dem gegenwärtigen Blumenkranztrend in Amerika. Der letzte tauchte als Teil dessen auf, was in der Vogue als „Neo-Hippie-Festival-Crowd" bezeichnet wurde. Gemeint sind Anhänger einer quasi-intellektuellen, romantisch wirkenden Millenniumsubkultur, die am Wochenende bei Outdoor-Festivals mit ihrem natürlichen Selbst in Kontakt kommen will.

Blumenkränze sind genau das, wonach es klingt. Echte oder künstliche (normalerweise künstliche) Blumen, die in einem Kreis zusammengebunden werden, um auf den Kopf als Fashionstatement getragen zu werden, da sowohl prinzessinnenhaft als auch natürlich wirkt. Die Einfachheit und Zeitlosigkeit dieser Mode findet man durch die ganze Geschichte – Vogue weist daraufhin, dass man Blumenkränze schon in einem italienischen Fresko aus dem 14. Jahrhundert findet, dem Monat Mai aus dem „Zyklus der Monate" in Trient. Dieser Trend kam und ging im Lauf der Geschichte. Die chinesische Filmikone Fan Bingbing trug die Blumen als Teil eins blumigen Frühlingsensembles bei den Filmfestspielen von Cannes.

Könnten die Sojasprossenclips ein Ableger der Blumenkronentrends sein, vielleicht sogar der nächste Schritt in der Evolutionsleiter? Vielleicht, aber das Ursprungsland des schmückenden Beiwerks ist nebensächlich für die Chinesen, die ihre Köpfe stolz zu Behelfsgewächshäusern machen oder dem westlichen Publikum, bei dem die Meinungen dazu auseinandergehen.

Der Beijinger Geschäftsmann Jose Herrera gehört eindeutig zur negativen Fraktion. Als er hörte, dass ich Interviews über diesen Trend machte (und zufällig auch einige der Clips im eigenen Haar hatte), lief er mir eifrig hinterher.

„Die sehen lächerlich aus", sagte Herrera. „Als ich das erste Mal jemanden sah, wollte ich dabei helfen, diesen Mist aus den Haaren herauszubekommen. Er findet den Trend auch unverschämt china-bezogen, schließlich gibt es die Clips selbst nur in schwarz. Wenn du also nicht asiatisch bist, passt es nicht zu deiner Haarfarbe", fand er.

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Quelle: Beijing Rundschau

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