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06. 04. 2011 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
Viele Tatsachen ließen und lassen vermuten, dass Westerwelle im Umgang mit China an der interessengeleiteten und wertegebundenen Außenpolitik der BRD festhält und sich für eine Politik des "Wandels durch Handel, kulturellen Austausch und nicht durch Gesprächsverweigerung" einsetzt. Beim Einsatz für Menschenrechte, Presse- und Meinungsfreiheit, Pluralität und Minderheiten aber "muss man einen langen Atem haben", sagte der Minister. "Steter Tropfen höhlt den Stein." Es gelte, "den richtigen Ton zu finden zwischen Kritik an den Zuständen und dem Interesse, das Deutschland an einem guten Verhältnis zu der immer stärker werdenden asiatischen Großmacht mit ihren 1,3 Milliarden Einwohnern haben muss." Und viele deutsche Medien wissen, das weiß sicher auch Westerwelle: Die chinesische Regierung "nimmt in Kauf, dass der Deutsche sich vor dem eigenen Publikum als Menschenrechtler profiliert und hat doch die Gewissheit, dass in China kaum jemand davon Notiz nehmen wird, wenn sie das nicht möchte."
So bleibt fast alles so wie es vorgesehen war, und beide Seiten können eine positive Bilanz aus Westerwelles China-Besuch ziehen.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Beijing sagte Chinas Außenminister Yang Jiechi, die UNO wolle durch ihr Mandat der Gewalt in Libyen einen Riegel vorschieben und Zivilisten schützen. China sei besorgt über die zivilen Opfer der militärischen Eskalation. Auch Westerwelle gab sich überzeugt, dass sich die Libyen-Frage nur politisch und nicht militärisch lösen lasse. Diese Stellungnahme widerspricht der Haltung der meisten Verbündeten Deutschlands.
Westerwelle erklärte, die Planung der neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Chinas sei eine große Chance für die Zusammenarbeit der beiden Länder. Deutschland setze auf intensivere Beziehungen auch zwischen China und der Europäischen Union, damit das Land die Chance bekomme, den Status einer Marktwirtschaft zu erhalten. Das würde unter anderem die Handelsmöglichkeiten verbessern und den Marktzugang erleichtern.
Es ist festzustellen, dass Deutschland ein sehr großes Interesse am 12. chinesischen Fünfjahrplan hat und darin große Chancen für sich sieht. Das war auch ein Hauptgrund für den Besuch des Bundesfinanzministers Schäuble wenige Tage vor dem Chinabesuch Westerwelles.
Ganz wie erwartet mahnte Westerwelle auch mehr Presse- und Meinungsfreiheit sowie ungehinderte Berichterstattung an und betonte, das sei ein "Kernanliegen", weil er glaube, dass es möglich sei, mit Pekings Führern „sehr unbequeme Fragen anzusprechen, solange man sich untereinander respektvoll begegnet.“
Es geht hierbei zweierlei hervor:
Erstens: Was ist unter "Wandel" zu verstehen? Und was meint Westerwelle mit "einen langen Atem haben" sowie mit "steter Tropfen höhlt den Stein"?
Nachdem Egon Bahr erstmals die Formel „Wandel durch Annäherung“ gegenüber der DDR vorgelegt hatte, wurde sie von vielen Politikern des Westens gutgeheißen. Viele Abarten wurden und werden davon abgeleitet und finden ihre Anwendung gegenüber sozialistischen Staaten und Entwicklungsländern. Westerwelles Formulierung "Wandel durch Handel und kulturellen Austausch" ist auch als eine solche Ableitung anzusehen.
China muss sich wandeln. Darüber besteht ohne Zweifel ein Konsens - nur in welcher Richtung? Darüber besteht Dissens. Manche Politiker aus dem Westen wollten China durch langwierige Bearbeitung verwestlichen. Wir bestehen im Gegensatz dazu aber auf einem entwickelten sozialistischen Rechtsstaat durch langdauernde Bemühungen.
Wir sind uns ganz im Klaren darüber, dass manche Amerikaner und Europäer von ihrem System sehr überzeugt sind. Deshalb fällt es ihnen auch sehr schwer zu tolerieren, dass wir unser System für das derzeit richtige für unseren Entwicklungsstand halten. Und natürlich stört uns auch ihr Verhalten. Sie sollten wissen: Nicht alle Probleme anderer Länder können auf ihre Weise gelöst werden. Jedes Land hat seine Eigenheiten, die es bei der Lösung zu berücksichtigen gilt. Jedes Land hat seine eigene historische Entwicklung mit entsprechenden Einflüssen aus der Geschichte und der Philosophie. Daraus erwächst die Kultur, deren Zentrum die Werte bilden. Werte stellen den Kern und die Basis dar, daraus ergeben sich Wege und Ziele. Das Entscheidende ist, einen geeigneten Weg für sich selbst zu finden, einen Weg, der an die eigene kulturhistorische Entwicklung eines Landes anknüpft und anknüpfen kann.
Zweitens: Wie reagieren wir auf die Forderung der westlichen Politiker nach einer Diskussion über die Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Wertvorstellungen. Wir sind fest davon überzeugt, dass internationale Konflikte vor allem durch Dialoge, durch Konsultationen beigelegt werden. Denn nicht durch Konfrontation oder Ausgrenzung, sondern durch Gespräche und Zusammenarbeit wird die Welt harmonischer. Dabei sollten wir unsere unterschiedlichen Ansichten offen diskutieren. Also Konsultationen statt Konfrontationen. In diesem Sinne könnten wir unter dem traditionellen Qiutongcunyi (求同存异,unter Ausklammerung der Meinungsverschiedenheiten nach Gemeinsamem streben) auch Qiutonglunyi (求同论异,nach Gemeinsamem streben auch mit offener Diskussion über Meinungsverschiedenheiten) verstehen.
Prestige durch Diplomatiekunst erhöhen
Westerwelle ist lange Zeit Parteivorsitzender der FDP, und zwar mit immer mehr Stimmen: 2003 79,8%, 2005 80,1%, 2007 87,6%, 2009 95,8%. In ihm sah auch der Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher einen hervorragenden Kandidaten für den Bundesaußenminister. 2009 wurde er Bundesvizekanzler und –außenminister, von vielen auch als ein aufsteigender neuer Politstar bezeichnet.
Wider Erwarten begann sein Stern schnell zu sinken und die inneren Parteikonflikte spitzen sich zu, weil FDP bei den Landtagswahlen eine Wahlschlappe nach der anderen einstecken musste. Die Medien sprachen vom "Westerwelle-Rückzug", titelten vom "schäbigen Ende eines Parteivorsitzenden" und davon, dass Westerwelle seinen Erfolg verspielte, "als er sich auf dem Zenit der Macht befand." Dennoch habe er es nicht verdient, aus dem Amt gejagt zu werden, schrieb die Presse weiter. Während seiner drei Tage in China war er "glücklicherweise" aus der Schusslinie der Kritik aus den Reihen seiner eigenen Partei gekommen.
Am 3. April gab Westerwelle nun seinen Parteivorsitz auf und wird beim anstehenden Parteitag nicht mehr kandidieren. Damit zog er die Konsequenz aus der wachsenden Kritik an seiner Führung. Zu Fehlern bekennt er sich nicht, sondern führt seinen Prestigeverlust auf innen- und außenpolitische, von ihm nicht zu beeinflussende Faktoren zurück.
Nach heutigem Stand wird Westerwelle Vizekanzler und Außenminister bleiben. Er ist deshalb sehr bemüht, Erfolge in diesen Ämtern vorzuweisen, damit sich sein Prestige erhöht und seine Position gestärkt wird. Dies findet seinen Ausdruck insbesondere in der deutschen Politik betreffend den Libyen-Konflikt, selbstverständlich auch im China-Besuch Westerwelles. Internationale Beobachter sind natürlich gerne bereit, seine Diplomatiekunst noch genauer, tiefer und besser kennen und schätzen zu lernen.
Der Text spiegelt die Meinung des Autors wider.
Herr Yin Tongsheng ist Professor an der Beijing Foreign Studies University und bekannter Gelehrter für deutsche Studien in China.
Quelle: german.china.org.cn
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