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13. 05. 2011 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
von Till Wöhler und Luo Xu, Beijing
Adrian Geiges ist Journalist und Buchautor. Der frühere Berufsrevolutionär leitete in China einen Verlag. Er spricht über seinen Werdegang, sein neues Buch und wie sich China verändert hat.
China.org.cn: Herr Geiges, wie lange waren Sie in China?
Adrian Geiges: Insgesamt zehn Jahre. Ein Jahr in Hong Kong, drei Jahre in Shanghai, und den Rest der Zeit in Beijing. Aber sagen wir doch "Du" statt "Sie"!
Gut, also dann: Woher kommt Dein besonderes Interesse an China?
Alles fing damit an, dass ich mit zwölf Jahren die "Mao-Bibel" gelesen habe. In Westdeutschland. Ich bin Jahrgang 1960, und wie viele in meiner Generation stand ich politisch sehr weit links. Als Mao sich dann aber mit Nixon traf, war ich enttäuscht und beschloss, mehr der Moskauer Richtung des Kommunismus zu folgen. Bereits mit 16 wurde ich Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Ich war sehr engagiert, mit 18 wurde ich zu einem Kadergespräch eingeladen: "Wir sprechen jetzt über etwas, das du niemandem erzählen darfst. Nicht mal deinen Eltern", sagte man mir geheimnisvoll. "Wir wollen dich zur weiteren Qualifizierung ins sozialistische Ausland schicken." Ich ging also als Westdeutscher auf eine Kaderschule in der DDR. Das war etwa so, als wenn heute ein Amerikaner ins Trainingscamp der Al-Kaida fährt. (Lacht.) Die DDR war ein Kulturschock für mich, auch, weil vieles in der Realität anders war als die Ideale, die wir im Kopf hatten.
Was für eine Schule war das und wer studierte dort?
Das war die Jugendhochschule Wilhelm Pieck in der Nähe von Berlin. Höchste Ausbildungsstätte der FDJ. Eine Schlossanlage, tief im Wald versteckt. Da wurden Jugendfunktionäre aus aller Welt ausgebildet, etwa Sandinistas aus Nicaragua, Leute aus Vietnam, von der PLO oder auch vom ANC aus Südafrika. Darüber schreibe ich auch in meinem Buch "Wie die Weltrevolution zufällig im Schwarzwald begann". Es gab dort viele nette junge Leute, die ganz ähnliche Ansichten hatten wie ich und im realen Sozialismus auch nicht alles toll fanden. Zum Beispiel die langweilige, offizielle Berichterstattung im Parteiorgan "Neues Deutschland", so wie man sie auch heute noch in China kennt: Da steht dann, wie Genosse Erich Honecker irgendwem irgendwo die Hand geschüttelt hat. Wir hatten damals gehofft, viel reformieren zu können, wenn "irgendwann die jungen Leute ans Ruder kommen". Wir waren sehr idealistisch und fühlten uns als Teil einer weltweiten Bewegung, die aktiv eine neue, bessere Welt schaffen will.
Dann bist Du wieder nach Westdeutschland zurückgekehrt.
Seit meiner Rückkehr in den Westen verstand ich mich als Berufsrevolutionär. Ich habe nur noch für die Partei gearbeitet. Ich wurde International-Redakteur bei "Elan", der Jugendzeitschrift der DKP, und bin dadurch viel in der Welt herumgereist.
Auch nach China?
Ja, das war so ein kurzes Intermezzo. Mitte der 1980er Jahre, als die Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien der Welt wieder besser geworden waren, habe ich gedacht, das ist die Chance für mich, einmal das kommunistische China kennenzulernen. Als junger DKP-Kader konnte man aber nicht auf eigene Faust nach China gehen. Das musste die Partei entscheiden. Ich wurde also schließlich ins Politbüro der DKP geladen. Mein Vorhaben schien etwas schwierig zu sein, weil es seit zwei Jahrzehnten keine Beziehungen zur KP Chinas gegeben hatte. Der DKP-Vorsitzende war aber bereits wieder nach Beijing eingeladen worden. Also waren die Vorzeichen gut. Schließlich sagte mir der DKP-Vorsitzende: "Die Partei hat entschieden, du bist unsere Frühlingstaube!" Die Diplomatie zwischen den kommunistischen Parteien war halt kompliziert, ich aber zum Glück kein so hoher Funktionär. Das war meine Chance. Ich war ja nur im DKP-Jugendverband und reiste als Journalist für unser Magazin "Elan". Das war 1986 und dauerte nur eineinhalb Monate. Sehr spannnend.
Dann kam schließlich Gorbatschow mit seiner Perestroika und Glasnost. Man muss sich einmal in die Gedankenwelt eines DKP-Funktionärs in dieser Zeit versetzen: Der Boss der kommunistischen Hälfte der Welt äußert plötzlich genau die Zweifel, die wir schon als Jungfunktionäre gehabt hatten. In der DKP, die gewohnt war, alles aus Moskau wie auch Ostberlin gut zu finden, führte das zu großen Auseinandersetzungen. Denn plötzlich sagten der "Papst" und sein "Bischof" etwas ganz unterschiedliches. Ich war immer Querdenker. In meiner Erfahrung gibt es egal wo, in einem Unternehmen, einer Partei oder einem Land, immer die gleichen Typen, Querdenker und Angepasste. Letztere bekommen in meinem Buch das Synonym Hund. Hund als Familienname, Hund als Tarnname, im chinesischen Jahr des Hundes geboren. Leute, die halt immer unterstützen, was der Chef sagt. Vielleicht nicht innerlich, aber es ist halt bequemer so. Ich wollte immer Veränderungen. In diesem Prozess habe ich mich schließlich von der DKP gelöst.
Quelle: german.china.org.cn
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