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13. 05. 2011 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Alles begann mit der "Mao-Bibel" Exklusiv

Schlagwörter: Adrian Geiges Journalist Buchautor Mao-Bibel Kommunistische Partei

Was macht man als arbeitsloser Berufsrevolutionär?

Weil ich ja nach wie vor sehr gute Beziehungen zu Russland hatte, habe ich mich damals entschieden, als Journalist nach Moskau zu gehen und vor Ort von den Veränderungen der postkommunistischen Ära zu berichten.

Für ein staatliches Medium?

Nein, ausgerechnet für das deutsche Privatfernsehen. RTL, um genau zu sein. Das war für mich als ehemaliger berufslinker Agitator und Propagandist natürlich zunächst ein Konflikt, nun als Sensationsreporter in der ehemaligen Sowjetunion zu arbeiten.

Unter anderem auch mit Gerd Ruge. Was waren Deine Reportagethemen in Moskau?

Russenmafia, Prostitution und solche Geschichten. Irgendwann hat’s mir dann auch gereicht, immer nur Russlandexperte zu sein. Und so habe ich mich dann wieder China zugewandt, weil mich die neue Entwicklung interessierte. Zunächst war ich ein Jahr in Hong Kong, um fürs deutsche Fernsehen über das Handover der Stadt durch die Briten an China zu berichten, und kam dann nach Beijing, um Chinesisch zu lernen. Dann war ich eine Zeit in New York, bis das Angebot von Bertelsmann kam, für Gruner + Jahr das Verlagsgeschäft für China aufzubauen.

Wie ist Bertelsmann ausgerechnet auf Dich gekommen? Wie wird ein ehemaliger Berufsrevolutionär zum Manager bei einem Medienmulti?

Gute Frage. Ich habe mich normal beworben und war dann auch erstaunt, dass sie mich ausgewählt haben. Ich hatte ja null Management-Erfahrung! Eine interessante Erfahrung auch, wie solche Entscheidungen gefällt werden: Es gab 120 Kandidaten. Sinologen wollte der Vorstand aus Prinzip nicht, weil sie Wissenschaftler sind und zu intellektuell. MBA-ler auch nicht, weil die das nur als Zwischenetappe ihrer Karriere sehen und kein Interesse an China mitbringen. Bei mir sahen sie als Vorteil wohl meine persönliche Bindung an China – ich habe eine chinesische Frau –, sprachliche und kulturelle Kenntnisse sowie die Absicht, längerfristig in China zu leben und zu arbeiten. Das hat wohl den Ausschlag gegeben.

Was wollte der Verlag im Reich der Mitte etablieren? Existierende internationale Titel für China? Oder ganz neue Produkte?

Nur ein Beispiel: Bevor ich begann, hatte der Verlag beispielsweise eine Autozeitschrift in Paris aufgebaut – völlig losgelöst von China! Klar, man wusste, dass man als ausländisches Unternehmen gar keine Zeitschrift in China gründen durfte. Also haben sie sich einfach irgendeinen chinesischen Partnerverlag ausgesucht – den schlechtesten, den man sich nur vorstellen kann. Aber die Verlagsleitung versprach sich von diesem Konstrukt eine gewisse Abhängigkeit der Chinesen. Total irrsinnig! Wir haben also mit drei unfähigen, französischsprachigen Autoredakteuren, die in Paris saßen und weder englisch noch chinesisch sprachen, geschweige denn China kannten, eine Zeitschrift für China gemacht. Der Anzeigenchef wiederum war beim Partnerverlag in China. Er war schüchtern und total ungeeignet, eigentlich ein Arzt für TCM. Er wurde nur eingestellt, das war ein offenes Geheimnis, weil der Chef des chinesischen Verlags eine Affäre mit dessen Frau hatte und ihm nun einen persönlichen Gefallen schuldete. Das muss man sich mal vorstellen! Ein wirklich einzigartiges Geschäftsmodell!

Was war dann Deine Aufgabe?

Ich musste sozusagen auf dieser "verbrannten Erde" anfangen und nun das operative Geschäft langsam nach China verlagern. Zunächst starteten wir mit kleinster Besetzung in Shanghai und wurden immer größer. Es gab dann natürlich noch weitere Zeitschriften, nachdem ich einen besseren Partnerverlag in Beijing gefunden hatte, etwa eine Elternzeitschrift, ein Fitnessmagazin und weitere. Ich war irgendwie der Mittler zwischen zwei Welten. Die Deutsche Zentrale brachte keinerlei kulturelles Verständnis für China auf und versuchte stur, ihre europäischen Erfahrungen – auch im Management – schematisch anzuwenden, was natürlich nicht funktionieren kann. Es gibt beispielsweise in chinesischen Betrieben meist einen Parteichef, der über dem Verlagschef steht oder beide Funktionen zugleich übernimmt. Das bringt auch eine andere Art, Entscheidungen zu treffen, mit sich. Am deutschen Managament, halt typische BWLer, gingen solche kulturellen Unterschiede einfach vorbei. Die kennen eben nur ihre Zahlen und denken an ihre Karriere. Das führte immer wieder zu Differenzen und ich habe mich nach drei Jahren entschlossen, den Verlag zu verlassen. Zuletzt war ich Korrespondent für das Magazin "Stern".

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Quelle: german.china.org.cn

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