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16. 09. 2010 Druckversion | Artikel versenden| Kontakt

Sinologe

"Wir wollen kluge Vertreter aus China" Exklusiv

Schlagwörter: Chinabild Berichterstattung Literatur Kultur Konfuzius-Institut Wolfgang Kubin

von Luo Xu, Beijing

Im Rahmen des zweiten Dialogforums zwischen China und Deutschland hat der bekannte deutsche Sinologe Wolfgang Kubin gegenüber China.org.cn das Chinabild der deutschen Bürger erklärt.

China.org.cn: Wie ist das Chinabild in den deutschen Medien? Kann man hiervon ausgehend von einem Missverständnis der Kulturen sprechen? Was kann man tun, um ein möglichst authentisches Chinabild in Deutschland zu vermitteln?

Wolfgang Kubin: Es gibt in Deutschland viele verschiedene Zeitungen. Es gibt große, bedeutende, überregionale Zeitungen für ganz Deutschland und kleine Zeitungen, die nur Bedeutung für eine Stadt oder eine Region haben. Die großen deutschen Zeitungen haben alle Journalisten in China, die oftmals auch Chinesisch sprechen, vielleicht sogar Sinologie studiert haben. Besonders hervorheben möchte ich die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Sie berichtet jeden Tagen über chinesische Wirtschaft, chinesische Finanzen, chinesische Politik und die chinesische Kultur. Die Berichte sind in der Regel objektiv und würden am ehestem dem entsprechen, was sie das "wahre Chinabild" nennen. Aber vom philosophischen Standpunkt hergesehen gibt es gar kein wahres Bild, sondern es gibt nur Bilder, die wir uns machen, über die wir miteinander reden müssen. Die Bilder können langweilig sein, weil sie vielleicht nur auf Hörensagen beruhen, und nicht auf eigener Erfahrung. Sie können übernommen sein, aus Büchern, und dann sind es eben Stereotypen und dann sind diese Bilder auf keinen Fall wahr, sie sind auf jeden Fall unwahr, aber am ehesten sind sie ganz langweilig.

Gibt es momentan Missverständnisse zwischen Deutschland und China?

Missverständnisse gibt es immer. Muss es auch geben, deswegen reden wir in Deutschland von produktiven Missverständnissen. Aus philosophischer Sicht ist alles, was wir denken, ein Vorurteil. Aber durch das Gespräch können wir uns über unsere Vorurteile klar werden, und wir können versuchen, an das Vorurteil eine neue Meinung zu setzen, aber diese neue Meinung müssen wir auch überprüfen, weil die neue Meinung vielleicht auch falsch sein kann, beziehungsweise zu einem Vorurteil wird. Denn das, worüber wir reden, ändert sich, und zwar unentwegt, und deswegen müssen sich unsere Bilder und unsere Meinungen ändern.

Aber die deutsche Öffentlichkeit kann von den Vorurteilen beeinflusst werden und deswegen ein negatives Chinabild bekommen.

Ja, das ist richtig. Aber schauen Sie mal England und Amerika. Beide Länder behandeln uns Deutsche in den Medien immer noch so, als würden wir unter der Nazi-Herrschaft leben. Selbst Fußballspieler während der Meistermannschaft wurden kommentiert mit Worten "wie der deutsche Panzer". Aber wir sind heute ganz andere Deutsche und meine Kinder haben mit der Nazi-Zeit nichts zu tun. Wenn es die Nazi-Zeit noch geben würde, würden sie in den Konzentrationslagern von den Nazis umgebracht werden, weil sie eben eine chinesische Mutter haben. Das heißt, schon aus praktischen Gründen müssen wir heute andere Menschen sein, weil sonst unsere Kinder später darunter zu leiden haben, Rechtsradikale an die Macht kommen. Das Chinabild, das die Deutschen haben, ist momentan oder war bis vor kurzem problematisch. Aber es ist immer die Frage, was jemand in Deutschland liest. Wenn sie die FAZ, oftmals auch die Süddeutsche Zeitung, oder Die Zeit, oder Die Welt, oder die Tageszeitung aus Berlin lesen, bekommen sie in der Regel relativ objektive Chinabilder. Selten gibt es dort Desinformationen, wie es diese bei kleineren Zeitungen gibt. Kleine Zeitungen haben keine Journalisten vor Ort, sondern sie schreiben von anderen ab. Dies sind dann oftmals schlechte Vorurteile. Es gibt auch gute Vorurteile. Gute Vorurteile sind, dass ich auf eine bestimmte Weise von jemandem denke und deswegen dort etwas suche, was ich nicht finde, aber ich finde vielleicht etwas Anderes, was mein Leben verändern kann.

Ich meine die Berichte vom Spiegel, die China sehr kritisch darstellen.

Der Spiegel ist furchtbar. Ich lese den Spiegel grundsätzlich nicht. Ich lese keinen einzigen Artikel aus dem Spiegel, weil alle Berichte tendenziös sind. Es gibt keine objektiven Berichte. Niemals will ich den Spiegel lesen. Nicht nur das Chinabild ist dort ein Problem. Jedes Bild dort ist ein Problem.

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Quelle: german.china.org.cn

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