Die Yin-Ruinen–Chinas 33. Eintragung auf der UNESCO-Liste der Weltkulturerbe | |||
Am 13. Juli 2006 hat das Weltkulturerbe-Komitee der UNESCO in der litauischen Hauptstadt Vilnius seine 30. Konferenz abgehalten. Alle 21 Mitgliedsländer haben dabei einstimmig beschlossen, die Yin-Ruinen in Anyang in die UNESCO-Liste aufzunehmen. Damit wurden bis jetzt 33 chinesische Kulturdenkmäler und Landschaftsgebiete in die Liste der Weltkultur- und Naturerbestätten der UNESCO aufgenommen. Anyang, früher auch Yin genannt, liegt im Norden der Provinz Henan. Vor rund 100 Jahren wusste noch niemand, dass diese mittelgroße Stadt vor 3000 Jahren der Regierungssitz der Shang-Dynastie war. Im 25. Regierungsjahr des Qing-Kaisers Guangxu (1898) erkrankte Wang Yirong, der Rektor der Kaiserlichen Hochschule in Beijing und Spezialist für Inschriften auf Bronze und Steintafeln, an Malaria und bekam eine aus fossilen Knochen hergestellte Arznei verschrieben, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin "Drachenknochen" heißt. Als er auf einem Fossil Zeichen entdeckte, glaubte er, darin eine antike Schrift erkannt zu haben. Seine Kollegen Luo Zhenyu und Wang Guowei – Fachleute für antike Schriftzeichen – fanden heraus, dass die Knochenrudimente aus der Shang-Dynastie (16. bis 11. Jh. v. Chr.) stammen. Zu jener Zeit gab es noch kein Papier, deshalb schnitzte man mit einfachen Werkzeugen auf Brustbeinen großer Tiere oder auf Schildkrötenpanzern ein, was man festhalten wollte. Solche Zeichen nennt man Orakelknocheninschriften. Sie werden als Ursprung der chinesischen Schrift betrachtet. Wang Yirong besuchte das Dorf Xiaotun nahe der Stadt Anyang, den Fundort der fossilen Knochen, um an Ort und Stelle Untersuchungen durchzuführen. Ihm folgten Archäologen und Historiker. Die Entdeckung Wang Yirongs führte zu umfangreichen archäologischen Grabungen, die über 70 Jahre dauerten. Es handelt sich um die Ruinen der Hauptstadt der Shang-Dynastie während der letzten Phase ihrer Herrschaft, die Yin genannt wurde. Historischen Überlieferungen zufolge verlegte der zehnte Shang-Kaiser im 14. Jahrhundert v. Chr. die Hauptstadt von Yan (heute Qufu in der Provinz Shandong) nach Yin (heute Anyang in der Provinz Henan). Von da an trug die Monarchie den Namen Yin. Sie hatte insgesamt zwölf Kaiser in acht Generationen und währte 273 Jahre. Im 11. Jahrhundert v. Chr. verübte der letzte Shang-Kaiser während des Krieges gegen den ersten Zhou-König Wu Selbstmord. Die Hauptstadt der Yin-Dynastie fiel in die Hände der Zhou-Truppen und wurde in eine Ruinenlandschaft verwandelt. Die Ruinen nehmen eine Fläche von 24 Quadratkilometern ein. Sie bestehen aus über 50 Kaiserpalästen, über zehn Ahnentempeln, elf Grabstätten von Yin-Königen und mehr als 8000 Sklavengräbern. Es wurden 160.000 Orakelknochen, hunderttausende Gegenstände aus Bronze, Jade, Stein, Knochen und Muschelschalen entdeckt, darunter auch Kaurischnecken, die als Zahlungsmittel dienten. Die Shang-Bronzegegenstände zeichnen sich durch die Mannigfaltigkeit ihrer Formen aus. Man fand besonders viele Ritualgegenstände, Weinbehälter und Waffen. Die meisten davon werden heute in in- und ausländischen Museen aufbewahrt. Die Vielfalt der Formen, die technische Feinheit, die Schönheit der Ornamente sowie die große Zahl der Zeugnisse belegen die einzigartige Blüte der chinesischen Bronzekultur in der damaligen Zeit. Ein typisches Beispiel dafür ist "Simuwu Dading". Dieser viereckige rituelle Gegenstand aus Blei-Zinn-Bronze ist 133 Zentimeter hoch, 110 Zentimeter lang und 78 Zentimeter breit und wiegt 875 Kilogramm. Die Proportionen von Breite und Länge entsprechen annähernd dem Goldenen Schnitt, den der griechische Philosoph Pythagoras erst rund 600 Jahre später in einem Lehrsatz beschrieben hat. In der Shang-Dynastie verehrte man viele Naturgottheiten. Bei allen wichtigen Handlungen wie bei der Eheschließung, bei der Jagd und bei wichtigen Anlässen in Zusammenhang mit Ackerbau, insbesondere auch bei der Kriegsführung und bei Operzeremonien wurden Orakel befragt. Die Orakelsprüche schnitzte man auf Schildkrötenpanzer oder auf Brustbeine großer Tieren ein. Unter den entdeckten 160.000 fossilen Knochen befinden sich 154.600 Orakelknochen. Die Inschriften setzen sich aus 4500 Wörtern zusammen, von denen bis heute 1500 entschlüsselt sind. All diese Funde sind für das Studium der Politik, Religion, Kultur und Wirtschaft der Shang-Dynastie von großer Bedeutung. Zum Schutz der Yin-Ruinen wurden verschiedene Maßnahmen getroffen. Zum Beispiel wurden 76 Familien und sechs Fabriken im Dorf Xiaotun umgesiedelt. Viele der freigelegten Grabstätten wurden mit Glas abgedeckt. (China.org.cn, China im Bild, 17. Oktober 2006) |